Bund und Kantone müssen jetzt hinstehen und die Pandemie managen

Die Schweizer Stimmbevölkerung hat klar und deutlich Ja zum Covid-Gesetz gesagt. Jetzt müssen Bund und Kantone auch handeln – ohne Angst, ein paar Stimmen zu verlieren.

Die Mehrheit der Bevölkerung hat Vertrauen in unser politisches System und in die Wissenschaft. 62 Prozent der Schweizer und über 70 Prozent der Basler Bevölkerung haben das Gesetz angenommen, dass das Parlament im März revidiert hat. Das Resultat war noch deutlicher als vor einem Jahr, als wir über die erste Version des Gesetzes abgestimmt hatten.

Schlussresultat Covid BS
(Bild: bs.ch)

Das Gesetz erlaubt dem Bundesrat unter anderem:

  • Corona geplagte Eventunternehmer*innen finanziell zu unterstützen.
  • Corona-Medikamente zu fördern.
  • Ein nationales Contact Tracing System voranzutreiben und – das hat am meisten für Diskussionen gesorgt –  
  • das Covid-Zertifikat weiterhin einzusetzen.

Vielen Schweizer*innen dürften die genauen Details des Gesetzes nicht bekannt gewesen sein. Vielmehr wurde über das Gesetz eine Grundsatzdebatte geführt über die Frage: 

Macht der Bundesrat eine gute Corona-Politik?

Das ist eine legitime Frage (ich würde sie mit einem «Nein» beantworten). Doch je länger der Abstimmungskampf dauerte, desto mehr kratzten Impfskeptiker*innen an unserer Demokratie und der Wissenschaft als solche und stellten Verschwörungstheorien in den Raum, die ich hier nicht wiederhole, weil an ihnen nichts dran ist.

Und die Schweizer Medien gaben ihnen noch so gerne eine Plattform und arbeiteten sich an der Psyche des gemeinen Coronagegners ab (bitte um Hinweise: Warum sind so viele Schweizer Journalisten fasziniert bis halb verliebt in Libertäre, Rechte und Coronaskeptiker? Antworten an [email protected]).

Dasselbe Spielchen auch heute: Kaum waren die Zwischenresultate publik, verbreitete die Gruppe Mass-Voll – mit Hilfe guter Journalist*innen – falsche Behauptungen und kündigte an, weiter zu kämpfen. 

Aber, und das ist die beruhigende Nachricht: Die Schweiz hält das aus. Die Mehrheit der Schweizer*innen zeigte deutlich, dass sie nach wie vor dem politischen System und der Wissenschaft vertraut. Und dass sie es nicht goutiert, wenn eine laute Minderheit die Demokratie angreift und das mit Unterstützung einer Millionen schweren Kampagne, deren Financiers nur teilweise bekannt sind.

Die Leute strömten en masse an die Urne: Die Stimmbeteiligung in Basel-Stadt betrug 64,66 Prozent bei den eidgenössischen Abstimmungen.

Bajour-Reporter Daniel Faulhaber hat die Schlange vor dem Rathaus – in dem man übrigens OHNE Zertifikat abstimmen konnte – gefilmt:

Und die Pandemie hat noch ein zweites, deutliches nationales Ja erwirkt: Die Bevölkerung nahm die Pflegeinitiative mit 60,98 Prozent an. Damit ist der Bundesrat per Verfassung verpflichtet, die Arbeitsbedingungen der Pfleger*innen zu verbessern. Das ist bemerkenswert für ein linkes, gewerkschaftliches Anliegen, Politikwissenschaftlicher Lukas Golder sprach gegenüber SRF von einem «historischen Resultat».

Pflege SRF
(Bild: SRF)

In der Tat: In normalen Zeiten wäre zu erwarten gewesen, dass die Schweizer*innen den Gegenvorschlag bevorzugen. Arbeitsbedingen gehören nicht unbedingt in die Verfassung und beim Gegenvorschlag hätten Bund und Kantone für die nächsten acht Jahre rund eine Milliarde Franken in die Ausbildung von Pflegepersonal investieren müssen – ein sehr guter Kompromiss.

Doch wir leben in der Pandemie. Jede*r bekam in den letzten Monaten mit, wie sehr wir auf Pfleger*innen angewiesen sind – und wie sehr sie sich wegen mangelnden Personals abschuften. Und auch, wie sich bezüglich Coronabonus Spitäler und Kantonsregierungen den Ball hin und herschieben, siehe Basel-Stadt

Jetzt ist die Frage, wie schnell das Parlament ein Gesetz ausarbeitet. Der Druck aus der Bevölkerung sollte sie zur Eile antreiben.

Apropos Eile: Ich wünsche mir mehr davon. Bundesrat und viele Kantone haben in den letzten Wochen trotz steigender Fallzahlen die Füsse still gehalten. Wohl auch wegen der Abstimmung. Damit sollte jetzt Schluss sein: Statt sich von den lauten Massnahmengegner*innen gängeln zu lassen, sollten Bund und Kantone jetzt endlich hinstehen und die Pandemie managen – ohne Angst, ein paar Stimmen zu verlieren. Jetzt ist nicht die Zeit, auf Parteienbefindlichkeiten zu schauen. Es geht um Leben und Tod. 

Es reicht nicht, die Intensivbettenkapazitäten zu beobachten und erst kurz vor der Triage zu handeln. Es geht darum, Menschen vor Infektionen und dem Tod zu schützen. Regierungen und Bundesrat wollten das bislang nicht, oder hatten nicht den Mut dazu.

Aber, liebe Exekutiven: Ihr müsst nicht so Angst haben vor dem Volk: Es steht ja ganz offensichtlich hinter Euch. Und es gehört zum Regieren, sich unbeliebt zu machen. Das gilt auch für die Basler Regierung: Warum die Maskenpflicht in den Schulen angesichts der Impfdurchbrüche nicht auch auf geimpfte Lehrpersonen und Kinder ausweiten?

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Foto Pino Covino

Bei Bajour als: Journalistin.

Hier weil: Das Hobby meines Mannes finanziert sich nicht von alleine.

Davor: Chefredaktorin im Lokalmedium meines ❤️-ens (Bajour), TagesWoche (selig), Gesundheitstipp und Basler Zeitung

Kann: alles in Frage stellen

Kann nicht: es bleiben lassen

Liebt an Basel: Mit der Familie am Birsköpfli rumhängen und von rechts mit Reggaeton und von links mit Techno beschallt zu werden. Schnitzelbängg im SRF-Regionaljournal nachhören. In der Migros mit fremden Leuten quatschen. Das Bücherbrocki. Die Menschen, die von überall kommen.

Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

Interessensbindungen:

  • Vorstand Gönnerverein des Presserats
  • War während der Jugend mal für die JUSO im Churer Gemeindeparlament. Bin aber ausgetreten, als es mit dem Journalismus und mir ernst wurde.

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