Liebe Bürgerliche, was sagen Sie zur Corona-Prämie für Pfleger*innen?
Seit Monaten fordern die Pflegekräfte in Basel und schweizweit einen Bonus für ihren Einsatz in der Pandemie. Worauf wartet die Politik?
Bisher war nicht viel mit Corona-Prämie für schuftende Pfleger*innen. Beim Basler Unispital gab's gar keine. Das Kantonsspital Baselland beschränkte sie auf bestimmte Angestellte. Das reicht bei Weitem nicht, findet die Baselbieter SP-Nationalrätin Samira Marti und richtet sich an bürgerliche Politiker*innen: Sie müssten sich für die Pfleger*innen einsetzen, fordert sie.
Das stellt sie sich so vor: Mitglieder von CVP, FDP und SVP sollen Druck auf ihre Regierungsrät*innen aufsetzen, damit diese wiederum in den Spitälern für mehr Geld weibeln. Martis Argument: Bei den Geschäftsmieten hat das auch geklappt. Sind den bürgerlichen Politiker*innen die Pfleger*innen ebenso wichtig wie die KMU, die von der Dreidrittelslösung profitieren, fragten wir Marti. Ihre Antwort: «Das müssen Sie sie selbst fragen».
Das lassen wir uns nicht zweimal sagen. Also haben wir uns bei bürgerlichen Politiker*innen umgehört.
SVP-Grossrat Eduard Rutschmann sitzt in der Gesundheitskommission von Basel-Stadt. In einem geht er mit Marti einig: «Es muss mehr Pflegepersonal geben und bessere Arbeitsbedingungen.» Dabei sieht er Regierung, Parlament und Spitäler gleichermassen in der Verantwortung. Aber: «Bonuszahlungen sind der falsche Weg.»
Apothekerin Lydia Isler-Christ von der LDP sitzt mit Rutschmann in der Gesundheitskommission des Grossen Rats. Zwar findet sie Anerkennung fürs Pflegepersonal wichtig und Arbeit müsse angemessen entlöhnt werden, aber: «Lohnverhandlungen liegen nicht in der Verantwortung der Politik.» Das müsse zwischen Angestellten und Arbeitgeber*innen geklärt werden. In diesem Fall: Die Spitäler. Da es sich in beiden Basel vorwiegend um öffentlich-rechtliche Spitäler handelt, liegen Personalentscheidungen in der Kompetenz von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung.
Ausserdem, sagt die Liberale, stehe Basel-Stadt bei den Löhnen der Pflegekräfte im Vergleich zum Rest der Schweiz recht gut da. «Ich wehre mich dagegen, pauschalisierend zu sagen, es gebe schlechte Arbeitsbedingungen in der Pflege», sagt Isler-Christ. Aktuell befänden wir uns aber in einer aussergewöhnlichen Situation, die eines aussergewöhnlichen Einsatzes bedarf. «Die Krise fordert von ganz vielen ganz viel.»
«In solch einer Ausnahmesituation können nicht plötzlich alle mehr verdienen.»Christian Moesch, FDP-Grossrat
Ein bisschen anders tönt es beim Freisinn. Grossrat Christian Moesch kann sich vorstellen, Pflegekräften die Mehrarbeit und Überzeit höher zu entlöhnen, wenn sie übermässig mehr leisten müssen als in normalen Zeiten, also zum Beispiel in der Corona-Krise mehr Stunden arbeiten als sonst. Falsch findet er es allerdings, in der Krise eine grundsätzliche Diskussion über Lohnerhöhungen zu beginnen. «In solch einer Ausnahmesituation kann man nicht plötzlich sagen, dass alle mehr verdienen sollen.» Klar sei aber auch, dass es als Wertschätzung mehr geben muss als ein Schneidbrettli.
Der FDP-Politiker hat Verständnis, wenn Lukas Engelberger (CVP), Vorsteher des Gesundheitsdepartement, nicht pauschal Lohnerhöhungen für die Pflegekräfte fordern kann. So etwas könne er sich nur vorstellen, wenn Daten zeigen würden, dass Basel-Stadt im Vergleich mit anderen öffentlich-rechtlichen Spitälern weit unter dem Durchschnitt liegt. «Dann müsste die Politik gegebenenfalls einschreiten.»
«Wir alle sollten uns jetzt auf die Eindämmung der Pandemie beschränken.»Markus Graf, SVP-Landrat
Ähnliches hören wir aus Baselland. Auch dort wollen sich die Bürgerlichen aus den Löhnen der Pflegenden raushalten. So sagt etwa SVP-Landrat Markus Graf: «Es ist nicht Sache der Kantone in das Lohnsystem der Spitäler einzugreifen.» Die Spitäler wüssten seiner Ansicht nach um die «grossen Leistungen und Anstrengungen ihrer Mitarbeiter».
Graf findet: «Wir alle sollten uns jetzt zuerst auf das Wesentliche beschränken, nämlich die Eindämmung und Bekämpfung der Pandemie. Aus diesem Grund sollten sich auch die Medien, ihrer Verantwortung bewusst sein und keine unnötigen Gräben zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufbrechen.»
Warum Soforthilfen für KMU, aber keine Prämien für Pfleger*innen?
Für Rutschmann steht fest, die KMUs müssten unterstützt werden, damit die Wirtschaft wieder weiterläuft. «Restaurants, einer der grössten Arbeitgeber in der Schweiz, brauchen auch Unterstützung. Wenn Corona noch ein Jahr lang weitergeht, wäre das katastrophal, dann wird es jede Branche erwischen.» Irgendwann einmal würden dem Kanton und dem Bund schliesslich das Geld ausgehen. «Deshalb kann man jetzt nicht einfach Bonuszahlungen machen, man muss die Corona-Krise als Ganzes betrachten.»
Diese Frage zu den KMU bringt den Basler SVPler Rutschmann am Telefon regelrecht in Rage: «Corona-Prämien und Hilfen für KMU sind zwei verschiedene Paar Schuhe.» Wenn es die KMU nicht mehr gäbe, hätten wir sehr viele Arbeitslose. «Dabei geht es um Arbeitsplatzsicherung. Es kann nicht sein, dass man bestimmtes Personal speziell unterstützt mit einem Bonus. Andere Angestellte wie etwa Verkäuferinnen bekommen auch keine Prämie und die sind mindestens genauso schlimm betroffen von Corona wie die Pflegekräfte, verdienen aber halb so viel.»
Überlebenshilfe vs. Lohnverhandlungen?
Auch Isler-Christ will sich nicht vorwerfen lassen, KMU gegenüber Pflegenden zu bevorzugen. «Bei den KMU geht es um Tausende Arbeitsplätze und darum, Überlebenshilfe zu geben.» Den grössten Teil von Arbeitsplätzen in der Schweiz gebe es in den KMU. Bei den Pflegenden gehe es hingegen um Lohnverhandlungen und nicht darum, ob sie ihre Stelle verlieren.
Das sieht man auch ännet der Grenze so: «Ich bin der Auffassung, dass die Thematik ‹Löhne der Pflegekräfte› nicht mit der Thematik ‹Massnahmenpakete und Hilfspakete für Unternehmen› vermischt werden sollte», sagt der FDP-Landrat Martin Dätwyler. Bei den Corona-Massnahmenpaketen und Hilfspaketen von Bund und Kantonen gehe es darum, die negativen Auswirkungen für Unternehmen abzufedern, die aufgrund der verordneten Massnahmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind. «Dies mit dem Ziel, zukunftsfähige Unternehmen und damit Arbeitsplätze zu erhalten.»