«Schwierig, eine Stelle zu finden»

Zwei Jahre nach dem russischen Angriff auf die Ukraine leben in den beiden Basel etwa 4200 geflüchtete Ukrainer*innen mit Schutzstatus S. Nur knapp 20 Prozent von ihnen sind berufstätig. Das soll sich ändern. Fünf Frauen berichten über Herausforderungen und bürokratische Hindernisse.

Menschen mit ukrainischen Fahnen setzen ein Zeichen am ukrainischen Unabhaengikeitstag, indem sie eine lebende Kette des Friedens bilden, auf der Wettsteinbruecke in Basel, am Donnerstag, 24. August 2023. Am Donnerstag feiert die Ukraine die Deklaration ihrer Unabhaengigkeit von der Sowjetunion am 24. August 1991. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Am 24. August 2023 versammelten sich geflüchtete Ukrainer*innen auf der Wettsteinbrücke, um den Unabhängigkeitstag der Ukraine zu feiern. (Bild: © KEYSTONE / GEORGIOS KEFALAS)

Dieses Wochenende, am 24. Februar, jährt sich der russische Angriff auf die Ukraine zum zweiten Mal. Anfang November 2023 hat der Bundesrat entschieden, den Status S für Schutzsuchende aus der Ukraine nicht vor dem 4. März 2025 aufzuheben, sofern sich die Lage in der Ukraine bis dahin nicht grundlegend stabilisiert. Zeitgleich hat der Bund erstmals auch ein Ziel für die Arbeitsmarktintegration definiert. Die Erwartungen sind klar: Es sollen mehr Personen mit Schutzstatus S arbeiten.

Die Ziele des Bundes

Ende 2024 sollen 40 Prozent der Ukrainer*innen in den Arbeitsmarkt integriert sein. Dieses Ziel gestaltet sich für die meisten Schweizer Kantone als ehrgeizig. In Basel-Stadt waren Ende 2023 laut Statistik des Staatssekretariats für Migration (SEM) 1’713 Personen mit Schutzstatus S gemeldet. Erwerbstätig sind gerade mal 16,4 Prozent von ihnen.

Im Baselbiet sehen die Zahlen ähnlich aus: Von 2’446 Ukrainer*innen arbeiten 18 Prozent. Mit diesen Zahlen liegen die beiden Kantone in Schweizer Durchschnitt. Allein Appenzell und Obwalden erfüllen die 40-Prozent-Quote bereits heute. In Appenzell arbeiten sogar mehr als die Hälfte der 131 gemeldeten Ukrainer*innen.

Damit sich die Zahl verdoppelt, sollen die Kantone die Arbeitsmarktintegration der Personen mit Status S stärker fördern. Es werden Stimmen laut, die beklagen, dass der befristete Status auch ein Hindernis bei der Integration der Ukrainer*innen in den Arbeitsmarkt sei. Denn wenn sie diese damit rechnen können, im Frühling 2025 wieder in die Ukraine zurückzukehren, bestehe auf beiden Seiten kein grosser Anreiz, das vom Bund gesetzte Ziel zu erfüllen.

Ohnehin dürften die definierten Ziele nicht leicht zu erreichen sein: Viele der Geflüchteten sind alleinerziehende Mütter, die mit ihren Kindern in die Schweiz geflohen sind. Fünf Ukrainerinnen aus Basel schildern ihre Situation.

Ukrainerin Yuliia
Yuliia findet in Basel keine Stelle als Rechtsanwältin. (Bild: zVg)

Yuliia, 34 Jahre

«Ich bin am 26. März 2022 mit meinen beiden Kindern in die Schweiz gekommen, sie sind 13 und 10 Jahre alt. In der Ukraine habe ich das Jura-Examen absolviert und als Rechtsanwältin gearbeitet. Leider werden meine Ausbildung und meine Zeugnisse aus der Ukraine von den Arbeitgeber*innen in der Schweiz nicht akzeptiert. Daher gestaltet es sich für mich sehr schwierig, eine passende Stelle zu finden.»

Maryna, 44 Jahre

«Seit dem 16. März 2022 wohne ich mit meiner 15-jährigen Tochter in Basel. Als doktorierte Biochemikerin würde ich gerne als Wissenschaftliche Mitarbeiterin in Basel arbeiten. Seit August suche ich eine Stelle als Biochemikerin im Labor, aber die Konkurrenz ist sehr gross und ich hatte bis heute kein Glück. 

Kurz nach meiner Ankunft in Basel war ich berufstätig: Als ich im Frühjahr 2022 mitbekommen habe, dass Schulen in der Schweiz nach ukrainischen Lehrerinnen suchen, die Kindern aus der Ukraine Deutsch beizubringen, habe ich mit dem Leiter des Erziehungsdepartements Basel gesprochen und schnell zugesagt mitzuhelfen. So bekam ich eine Teilzeit-Anstellung als Lehrerin an der Sekundarschule Theobald Baerwart in einer Klasse mit ukrainischen Jugendlichen.

Ich dachte, dass sie nach den Sommerferien in Regelklassen gehen. Aber das Angebot der Integrationsklassen wurde verlängert und ich habe im Juli 2022 das Angebot bekommen, noch ein Jahr mit dieser Klasse zu arbeiten. Da die Schülerinnen und Schüler und ich fast wie eine kleine Familie waren, habe ich gerne mit dieser Klasse weitergearbeitet. Endlich, seit August 2023, gehen die Kinder in Regelklassen und brauchen meine Hilfe nicht mehr.

Als Lehrerin kann ich in der Schweiz nicht arbeiten, weil es bei der Diplom-Anerkennung Probleme gibt. Ich war bei der 
GGG Migration. Sie beraten Migrant*innen in verschiedenen Sprachen
, geben Infos zur Migration und Integration und übersetzen Dokumente. Eine Mitarbeiterin dort hat mir gesagt, mein Diplom in Biochemie sei hier zwar anerkannt und ich darf als Biochemikerin arbeiten. Aber obwohl ich in Kyiv als Lehrerin für Biologie und Chemie tätig war, ist das in der Schweiz nicht möglich, weil ich meinen Abschluss in der Ukraine nicht an einer Pädagogischen Hochschule, sondern an der Universität gemacht habe.»

Anerkennung ukrainischer Diplome

Eine Anerkennung ist in verschiedenen Berufen möglich. Auf einer Informationsplattform gibt das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation Auskunft.

Wir machen den Test und tragen uns als ausgebildete Lehrer*in ein. Die Antwort kommt schnell, das Verfahren erweist sich als nicht so einfach, denn wer als Lehrer*in an Maturitätsschulen in der Schweiz arbeiten möchte, muss die ausländische Berufsqualifikation anerkennen lassen. Das Verfahren dauert bis zu vier Monate und die Bearbeitungskosten liegen bei 800-1000 Franken.

Liegt hier ein Widerspruch im System? Für einige Ukrainer*innen lohnt sich das Verfahren wohl kaum, wenn ihr Schutzstatus S am 4. März 2025 wieder aufgehoben werden sollte. Ob künftig weitere Massnahmen in diesem Bereich getroffen werden sollen, liegt in den Händen des Basler Bundesrats Beat Jans, der Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements ist.

Ukrainerin Iryna
Iryna hat eine Stelle, würde aber künftig gerne als Buchhalterin arbeiten. (Bild: zVg)

Iryna, 41 Jahre

«Ich bin Ökonomin und habe in der Ukraine als Wirtschaftswissenschaftlerin, Buchhalterin und Yogalehrerin gearbeitet. Ich bin mit meinem Sohn nach Basel gekommen und arbeite in einem kleinen Pensum in der internen Kommunikation im Heart Based Center. Ich fühle mich wohl bei der Arbeit und sie macht mir Spass. Mein Chef ist sehr verständnisvoll und die Atmosphäre ist gut. Er ermöglicht mir Teamarbeit und eine sanfte Integration. Zudem bietet er mir Möglichkeiten, meine organisatorischen Fähigkeiten zu verwirklichen.

Ich habe an Projekten teilgenommen, die er im Heart Based Center organisiert hat, um Kraft für die Integration zu schöpfen. Es war für mich nicht einfach, eine Arbeit zu finden. Ich habe viel Zeit mit der Suche verbracht. Zuerst war ich in Projekte für Ukrainer*innen im Rahmen von ‹MEduCARE – pädagogisch-therapeutische Soforthilfe für geflüchtete Mütter aus der Ukraine› involviert.

Im März werde ich eine Ausbildung zur Buchhalterin machen. Mein Wunsch ist, als Buchhalterin zu arbeiten, um meine Grundkosten decken zu können. Ich backe auch gesundes und glutenfreies Brot und stelle natürliche Schokolade her. Das bringt mir Freude und Zufriedenheit. Ich würde gerne in mehreren Bereichen arbeiten.»

Ukrainerin Iryna
Iryna arbeitet im Zimmerservice und war in der Ukraine Buchhalterin. (Bild: zVg)

Iryna, 45 Jahre

«Zurzeit arbeite ich in Zimmerservice. Ich fühle mich wohl bei der Arbeit und habe ein freundliches Team. In die Schweiz bin ich mit meiner 22-jährigen Tochter gekommen. In der Ukraine habe ich als Buchhalterin im Bereich Finanzen gearbeitet.» 

Olha, 44 Jahre

«Ich bin mit meinen zwei Kindern hier, meine Tochter ist 17 Jahre alt, mein Sohn 15. Ich bin Ärztin von Beruf und würde gerne in der Schweiz arbeiten. 13 Jahre lang habe ich in der Ukraine als Dozentin an einer medizinischen Hochschule gearbeitet. Ich habe Pharmakologie und pathologische Anatomie am medizinischen College unterrichtet. Seit sieben Jahren bin ich ausserdem Yogalehrerin. Zurzeit lerne ich intensiv Deutsch. Um meine Dokumente an die Medizinalberufekommission zu senden, brauche ich das Deutschniveau B2. Ich finde es schwer, eine passende Stelle in der Schweiz zu finden. Bald werde ich von einem Coaching bei der Stellensuche beraten und hoffe, dann fündig zu werden.»

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Nach dem Studium, freier Mitarbeit bei der Berliner Morgenpost und einem Radio-Volontariat hat es Valerie 2002 nach Basel gezogen. Sie schreibt seit fast 20 Jahren für das Jüdische Wochenmagazins tachles und hat zwischenzeitlich einen Abstecher in die Kommunikation zur Gemeinde Bottmingen und terre des hommes schweiz gemacht. Aus Liebe zum Journalismus ist sie voll in die Branche zurückgekehrt und seit September 2023 Senior-Redaktorin bei Bajour. Im Basel Briefing sorgt sie mit ihrem «Buchclübli mit Vali» dafür, dass der Community (und ihr selbst) der Lesestoff nicht ausgeht.

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