Medien: fördern und fordern
Die Demokratie braucht unabhängigen und vielfältigen Journalismus. Aber wie finanzieren? Die Branche wartet auf die Antworten des Medienministers und SRG-Muffels Albert Rösti. Der Wochenkommentar von Chefredaktorin Ina Bullwinkel.
Als ich Kind war, galt Journalismus als Traumberuf. In die Freundschaftsbücher meiner Schulkamerad*innen schrieb ich hinter «Was ich einmal werden will» wie selbstverständlich «Journalistin». Heute ist aus dem Traumjob ein Sorgenkind geworden. Ich liebe den Beruf noch immer. Ich habe das Privileg, seit mehr als drei Jahren Lokaljournalismus in Basel machen zu können. Es gibt Hunderte freie Journalist*innen, manche freiwillig, andere notgedrungen. Und es gibt viele, die die Branche verlassen, und z. B. in die Unternehmenskommunikation wechseln. Es ist entweder die Arbeitsplatzsicherheit, das Gehalt oder der Burnout, die sie dorthin treiben. Und dann gibt es insgesamt weniger junge Menschen, die den Beruf überhaupt ergreifen wollen. Wieso auch – bei so vielen Schreckensmeldungen?
- 2023 war ein bitteres Jahr für den Journalismus. Die Republik hat acht Stellen gestrichen, Telebasel hat drei Mitarbeiter*innen entlassen, das Frida-Magazin hat quasi seine Redaktion aufgelöst und existiert fortan in sehr reduzierter Form, in Luzern hat sich Kultz aus dem Medien-Game verabschiedet … ach ja, und der SRG droht schon vor der Halbierungsinitiative ein massiver Sparkurs, der viele Journalist*innen den Job kosten würde. Um nur einige Beispiele zu nennen.
2024 wird es nicht gross anders laufen. Nachrichten über den Stellenabbau bei grossen Medienhäusern wie CH Media und Tamedia machen betroffen, überraschen aber längst niemanden mehr. Werbeeinnahmen brechen ein, Abonnent*innen sterben weg. Gespart wird überall, die gleiche Arbeit verteilt sich auf immer weniger kreative Köpfe und schreibende Hände. Und die gleichen kleinen Zeitungen verteilen sich auf immer weniger Herausgeber*innen, die zentrierte Macht steckt in der Mantelredaktion.
Wir Journalist*innen müssen anklagen, recherchieren, Missstände aufzeigen, unbequem sein und schlicht: berichten, was ist.
Diese Woche hat die Eidgenössische Medienkommission (Emek) sich sowohl gegen die SRG-Halbierungsinitiative als auch gegen den Gegenvorschlag des Bundesrats ausgesprochen. Beide Vorschläge würden den Service public massiv schwächen, gerade in Randgebieten. In ihrem neuen Bericht plädiert die Emek deshalb dafür, den medialen Service public neu aufzustellen. Sie schlägt z. B. vor, auf Werbeeinnahmen und ggf. auf Sportübertragungen zu verzichten und hält auch mehr als einen öffentlich-rechtlichen Anbieter neben der SRG für möglich. Klingt ein bisschen nach Arte. Diese Ideen muss man nicht nur gut finden. Ein Verzicht auf eine Fussball-EM-Übertragung etwa würde der SRG sicher im Ansehen bei der breiten Masse schaden, wäre also kontraproduktiv, wenn sie gleichzeitig auf eine Finanzierung durch Steuergelder setzt.
An einer wichtigen Weggabelung
Der Vorstoss der Emek zeigt jedoch sehr gut, dass etwas am Köcheln ist in der Medienbranche. Was für Jahrzehnte wie in Stein gemeisselt schien, wird inzwischen infrage gestellt. Die zukünftige Finanzierung des Journalismus befindet sich gerade an einer wichtigen Weggabelung. Egal ob privat, öffentlich-rechtlich oder stiftungsfinanziert: Unabhängiger Journalismus wirft nicht mehr viel Geld ab. Damit er gut ist, muss allerdings viel reingesteckt werden. «Muss» weil weniger Medien, eine Machtkonzentration auf wenige Verleger*innen und insgesamt weniger Journalist*innen eine Schwächung der Medien als Korrektiv und damit der Demokratie bedeuten würden.
Wo kein*e Kläger*in, da kein*e Richter*in. Wir Journalist*innen müssen aber anklagen, recherchieren, Missstände aufzeigen, unbequem sein und schlicht: berichten, was ist. Dafür braucht es Zeit und Geld. Und keine Grabenkämpfe zwischen Online und Print oder zwischen der SRG und Verlagen.
Eine technologieneutrale Medienförderung ist nicht vom Tisch – weil sie gebraucht wird, um ein gewisses Niveau an Information und Regierungskritik zu gewährleisten.
Vor ziemlich genau zwei Jahren hat das Schweizer Stimmvolk gegen die vorgeschlagene Medienförderung gestimmt, die auch Online-Medien berücksichtigt hätte. Abgelehnt wurde das Gesetz vor allem, weil sich viele daran störten, dass von dem Förderpaket auch die «Grossverlags-Millionäre» profitiert hätten.
Eine technologieneutrale Medienförderung (wie die Emek sie übrigens vor einem Jahr in ihrem Bericht vorgeschlagen hat) ist trotzdem nicht vom Tisch – weil sie ganz einfach gebraucht wird, um ein gewisses Niveau an Information und Regierungskritik zu gewährleisten. Das hat sogar Bundesrat Albert Rösti (SVP) begriffen. Er sieht Desinformation als grosses Risiko und sagte kürzlich, es brauche «eine neue Art der Medienförderung» und zwar in Richtung einer «technologieneutralen Förderung». Seine Aussage, die Förderung dürfe nicht mehr davon abhängig gemacht werden, ob etwas auf Papier gedruckt werde, ist bemerkenswert.
In Bern kämpft übrigens die Basler GLP-Nationalrätin Katja Christ mit einem Vorstoss für eine Medienförderung, «unabhängig von Kanal und Geschäftsmodell». Der Nationalrat hat den Vorstoss überwiesen, jetzt warten alle auf die Antwort des offenbar medienförderwilligen SVP-Bundesrats und einstigen SRG-Möchtegern-Halbierers Rösti. Die Journalist*innen und Demokratie-Freund*innen dürfen gespannt sein, ob sich endlich etwas tut.
... für unabhängigen Journalismus?