Lieb’ Billy, willkommen in der LDP!

Seit Juni ist Billy Mitglied in der bürgerlichen LDP. Hier möchte die non-binäre Person sich für die Anliegen der queeren Community stark machen. Aber nicht nur.

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Billy Ostertag, seit Juni Mitglied in der LDP. (Bild: zVg (Collage: Bajour))

Die LDP ist die Partei für jedermann und jedefrau. So steht es in der Standortbestimmung. «Aber ist sie auch die Partei für non-binäre Menschen?» Diese Frage stellte Billy Ostertag, selbst non-binär, der Basler Parteipräsidentin und liberalen Nationalrätin Patricia von Falkenstein Anfang April per Mail. Kurz danach trafen wir Billy zum ersten Mal in einem Café im Kleinbasel. 

Billy erzählt, parteipolitisch aktiv werden zu wollen – und zwar ausgerechnet in der LDP, einer Partei, die nicht gerade für ihre Sensibilität in Sachen Genderfragen bekannt ist. Als sich der Bundesrat letztes Jahr gegen einen amtlichen dritten Geschlechtseintrag aussprach, hiess es bei LDP-Vertreter*innen sowie bei der Basler SVP, es gäbe nur zwei Geschlechter und eine Ausweitung würde zur Beliebigkeit in der Geschlechterfrage führen.

«Queerness ist ein Teil von mir, aber nicht alles.»
Billy Ostertag, Parteimitglied LDP

Billy sagt dazu: «Sicherlich ist die Beliebigkeit der Geschlechterfrage ungewohnt und noch fremd. Doch Veränderungen gab es schon immer und wird es auch weiterhin geben.» Billy geht indes nicht primär der Non-Binarität wegen in die Politik: «Queerness ist ein Teil von mir, aber nicht alles.» Es ist einfach: «Ich teile die liberalen Werte; der Staat ist nicht verantwortlich für unser Leben.» 

Gleichzeitig setzt sich Billy für das Gleichstellungsgesetz ein, welches im Herbst im Grossen Rat behandelt werden soll. Im Namen der Habs, einer Basler Organisation, die sich für die Rechte und Sichtbarkeit der queeren Community einsetzt, schrieb Billy Mitte März für Bajour einen Gastkommentar.

Das neue Gesetz verlangt, dass der Gleichstellungsauftrag, der sich im Kanton Basel-Stadt bisher nur auf Frauen und Männer bezieht, auf die queere Community ausgeweitet werden soll. Die neue Abteilung «Gleichstellung und Diversität» soll dafür mehr Ressourcen erhalten. Nota bene: vom Staat. Auch die LDP hat sich in der Vernehmlassung für das Gesetz ausgesprochen, fordert allerdings, dass die Fachstelle bei einer privaten Organisation angesiedelt wird. Billy sagt dazu: «Wichtig scheint mir, dass die Fachstelle mit kompetenten Menschen ausgestattet und möglichst optimal organisiert ist. Dies kann in den privaten oder staatlichen Organisation gefunden werden.»

«Es geht um Anerkennung.»
Billy Ostertag, Parteimitglied LDP

Am Rheinknie ist mittlerweile ein Streit zwischen Altfeminist*innen und der queeren Community ob des Gesetzes entbrannt; erstere sehen es als Rückschritt für die Gleichstellung der Frauen. Der Streit eskalierte Mitte April* an einem von der Habs organisierten Podium in der Kaserne: Es kam zum Nazivergleich. Billy sass unter anderen mit Martina Meier, Biologin und Mit-Initiantin von «Justitia ruft», auf dem Podium. «Justitia ruft» wehrt sich gegen die geplante Gesetzesänderung. Wohl war Billy dabei sichtlich nicht. «Das Podium hat mich extrem berührt», sagt Billy im Nachhinein. Nur weil man Angst habe, selbst kein Geld mehr zu bekommen, könne man queere Menschen doch nicht aussen vor lassen. «Es geht um Anerkennung.»

LDP Nationalratsliste
Die vier Kandidierenden der LDP für die Nationalratswahlen im Herbst: v.l. Raoul Furlano, Lydia Isler-Christ, Patricia von Falkenstein und Michael Hug, Furlano, von Falkenstein und Hug sind Teil des Vorstands. (Bild: Andrea Fopp)

Billy kämpft dafür, dass Menschen nicht in Schubladen gesteckt werden, engagiert sich für mehr Sichtbarkeit, dies tut Billy als non-binäre Person bereits in der Habs. Und in Zukunft wohl auch in der LDP. Mitte Juni erhielt Billy das Schreiben, der Vorstand der liberal-demokratischen Partei habe den Antrag genehmigt: «Ich bin Mitglied der LDP Basel-Stadt 🎉», heisst es in einer SMS, die Bajour kurz darauf erreichte. 

«Lieb’ Billy» steht auf dem Papier respektvoll, so wie es sich das neue Mitglied gewünscht hat. Ohne Pronomen. Weder sie noch er. Im Zweifelsfall wird «er» bevorzugt, aber auch nur, um zu irritieren. Auch im Pass steht: männlich. Den Geschlechtseintrag hat Billy geändert, weil es dadurch einfacher war, auch den Namen zu ändern. Und weil Billy testen wollte, ob der Geschlechtseintrag wirklich unwesentlich ist. Und ja, er ist es – «beide passen gleich schlecht», sagt Billy.

«Jede*r von uns ist divers.»
Billy Ostertag, Parteimitglied LDP

Billy identifiziert sich seit 2021 als non-binär, bereits damals war Billy Teil der queeren Community, in welcher der gemeinsame Nenner lautet: nicht der gesellschaftlichen Norm zu entsprechen. Billy, selbst polysexuell, möchte sensibilisieren. Die Non-Binarität sieht man Billy indes nicht an, das muss man auch nicht, geht es doch um ein geschlechtliches Ausbrechen. Der Körper wird weiblich gelesen. Im weiblichen Körper ist Billy wohl, trägt kurze Haare und Rock. Ohne Schmerz kann Billy demnach das Thema auch nach aussen tragen, ist der festen Überzeugung: «Wir sind nicht alle gleich – wir sind alle divers!» Für diese Diversität möchte Billy ein Bewusstsein schaffen.

«Ich habe ein mega geiles Leben.»
Billy Ostertag, Parteimitglied LDP

Billy arbeitet im Finanzbereich, ist ein aufgeräumter Mensch, den «die Aufgeräumtheit» fasziniert, ein Mensch, der im Privaten lernen musste «das Chaos zuzulassen». Über den Beruf sagt die 45-jährige Person: «Mein Beruf ist ein Teil meines geilen Lebens.» Leichtigkeit verspürte Billy indes nicht immer schon. Die Kindheit sei lieblos gewesen. Ein bürgerliches Elternhaus mit klarer Rollenverteilung. 

Hat Billy dieses in der Wahl der Partei geprägt? «Aus meiner Sicht bin ich extrem frei aufgewachsen. Die klare Rollenverteilung hab ich mitbekommen, das hat mich aber auch aufgrund meiner freien Erziehung nicht daran gehindert, mich anders zu entwickeln. Auch politisch hab ich Freiheit erlebt. Ich glaub, mich hat diese Freiheit und Unabhängigkeit meiner Eltern geprägt, dass ich zur gegenwärtigen (politischen) Einstellung gekommen bin.»

Mit 35 Jahren machte sich Billy auf den Weg, um sich selbst zu suchen, reiste um die Welt und kam sich dabei «sehr nah». Zurück in der Schweiz fand Billy in polyamouröse Kreise, verliebte sich und heiratete. Seit zwei Jahren ist Billy wieder geschieden. «Nun habe ich neue Kraft – für Kampfsport, für Freunde. Aber eben auch für die Politik.»

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In Billys Augen sind die Liberalen gerade in queeren Anliegen einigermassen progressiv unterwegs. (Bild: Facebook (Collage: Bajour))

Mit Neugierde blickt Billy nun in die politische Zukunft, fühlt sich «wie ein kleines Kind, das ein Geschenk auspackt». Offen, für alles, was noch kommt. Innere Konflikte oder gar Zerrissenheit aufgrund unterschiedlicher Werte zur LDP fürchtet Billy nicht. In den Augen von Billy sind die Liberalen – ob nun LDP oder GLP – gerade in queeren Anliegen doch progressiv unterwegs. In manchen sogar progressiver als die manchmal auch konservative Linke, findet Billy: «Das Gleichstellungsgesetz hat die Gräben, die es zwischen den beiden Lagern gibt, offengelegt.» So gilt die SP zwar als Gleichstellungspartei; das Frauenstimmrecht wurde bereits im Jahr 1904 in das Parteiprogramm aufgenommen und war 1918 eine wichtige Forderung beim Landesstreik. Doch die Gleichstellung beziehe sich stark auf jene zwischen Frauen und Männern, findet Billy. Doch diese sollte eben auf LGBTIQ+ ausgeweitet werden. 

«Wir freuen uns, weil Billy Billy ist.»
Patricia von Falkenstein, Präsidentin und Nationalrätin LDP

Tatsächlich kommen Vorstösse wie die Ehe für alle oft aus der sozialliberalen Ecke. Die Eizellenspende ist ein weiteres Beispiel. Und auch in Sachen Konversionstherapie waren es LDP-Grossrätin Annina von Falkenstein und GLP-Grossrat Johannes Sieber, die sich dafür stark machten, dass sich die Basler Regierung auch auf Bundesebene für ein Therapieverbot einsetzen soll.  

Von Konfliktpotenzial will denn auch die LDP nichts wissen. Man freue sich auf Billy, wie Präsidentin von Falkenstein sagt. Politisch Profit daraus schlagen möchte die Partei hingegen nicht. «Wir werden Billy nicht anders behandeln als alle anderen Mitglieder, uns nicht auf Billy stürzen.» Sondern: «Wir freuen uns, weil Billy Billy ist.»

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Nach einem ersten journalistischen Praktikum bei Onlinereports hat Valerie verschiedene Stationen bei der Neuen Zürcher Zeitung durchlaufen, zuletzt als Redaktorin im Bundeshaus in Bern. Es folgten drei Jahre der Selbständigkeit in Berlin, bevor es Valerie zurück nach Basel und direkt zu Bajour zog, wo sie nun im Politikressort tätig ist.

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