Polizei nach Frauendemo in der Kritik

Am feminstischen Kampftag wurden nach einer unbewilligten Demonstration sechs junge Frauen von der Polizei kontrolliert. Ein 14-jähres Mädchen wurde festgenommen. Aus aktuellem Anlass publizieren wir das Interview vom 3. März mit Polizeikommandant Martin Roth erneut.

demo frauen
Die Polizei versuchte beim Spiegelhof die unbewilligte Demo zu stoppen. Wenig später entfernten sich die Polizist*innen aber und liessen die Demonstrant*innen weiterziehen. (Bild: Ina Bullwinkel)

Fast 1000 Menschen demonstrierten am 8. März für die Rechte von Frauen, trans, inter und nonbinären Menschen. Die unbewilligte Demonstration im Zeichen des feministischen Kampftages wurde durch ein grosses Polizeiaufgebot begleitet.

Im Nachgang kam es zu Personenkontrollen. Eine Gruppe von sechs Mädchen musste sich vor dreissig Polizist*innen in Vollmontur ausweisen, wie die bz-Journalistin Silvana Schreier berichtete.

bz screenshot
bz-Bericht über die Kontrolle und Festnahme

Die bz-Journalistin Silvana Schreier hat beobachtet, wie kurz nach der Demonstration sechs Mädchen angehalten und kontrolliert wurden. Schreier, die bei der Personenkontrolle daneben stand, hat die Szenen mit ihrem Handy gefilmt.

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Eine 14-jährige wurde in Handschellen abgeführt, weil die Polizei in ihrem Rucksack sechs ungebrauchte und noch verpackte Spraydosen fand. Sie kam noch am gleichen Abend frei.

Auf Social Media sorgte das Vorgehen der Polizei für Unverständnis: «Da stimmt doch etwas nicht mit der Verhältnismässigkeit oder ist man bei der Kapo auf so etwas stolz? Das kommt nicht gut. Ziel müsste Deeskalation sein», schreibt etwa SP-Präsident Pascal Pfister auf Twitter. 


Muss das sein, wirklich?, wollte auch Bajour-Chefredaktorin Andrea Fopp auf Twitter wissen. Die Antwort der Polizei folgte wenig später:

Gegenüber der bz und der Basler Zeitung äussert sich Polizeisprecher Martin Schütz nicht genauer über die Vorkommnisse. Ist das die neue Linie von Justiz- und Sicherheitsdepartementsvorsteherin Stephanie Eymann (LDP), die da durchdrückt?, wollten sie von ihm wissen.

Schütz verneint, die Polizei-Strategie werde nicht durch Vorgaben der Politik festgelegt. Schütz verweist im Artikel der BaZ auf unser Interview mit Polizeikommandant Martin Roth vom 3. März, das wir aus aktuellem Anlass nochmals publizieren:

Martin Roth, letzten Montag zogen hunderte FCB-Fans auf die Strasse. Ist das in Zeiten der Pandemie vertretbar?

Die Covid-19-Verordnung lässt Demonstrationen zu. Es handelte sich dabei um eine spontane Kundgebung, die als Reaktion auf ein unmittelbares Ereignis erfolgt ist. Wie das zum Beispiel auch bei der Black-Lives-Matter-Demonstration der Fall war. Dort hat die Polizei die Kundgebung ebenfalls vor Ort bewilligt. 

Das spontane Ereignis war der Zwangsurlaub für Captain Valentin Stocker. Doch was ist mit der Nicht-Fasnacht? Die ist kein spontanes Ereignis. Trotzdem zogen dieser drei Tage zahlreiche Menschen auf die Strasse. Viele hielten sich nicht an die Maskenpflicht oder Abstandsregelung. 

Die meisten haben sich durchaus daran gehalten, gewisse aber tatsächlich nicht. Und es hat viele Personen in der Stadt gehabt, das heisst: Die einzelnen Grüppchen haben sich so summiert. Das war nicht optimal, das ist so. Aber wir haben interveniert: Wir haben die Leute angesprochen, die sich nicht an die Massnahmen hielten. Daraufhin entschuldigten sich die meisten und folgten unseren Anweisungen. Es gab keinen Grund, eine härtere Gangart einzulegen. 

Sie sprechen die Dialogteams der Polizei an, die mit den Fasnächtler*innen das Gespräch führten. Warum setzten Sie diese Dialogteams nicht auch an der Kurd*innen-Demo vor zwei Wochen ein, sondern entzogen den Demonstrant*innen stattdessen die Bewilligung? 

Wir setzen auch rund um Kundgebungen in einem ersten Schritt immer auf Dialog – das ist auch am 20. Februar so gewesen. In den beiden Wochen vor besagtem Samstag haben bereits drei kurdische Kundgebungen stattgefunden. Vor diesem Hintergrund und aufgrund aktueller Entwicklungen –  Unmut der Bevölkerung in Coronazeiten, Basler Nicht-Fasnacht, Parallelveranstaltungen – sind wir in einer Güterabwägung zum Schluss gekommen, dass die sicherheitsrelevante Lagebeurteilung einen Entzug der Bewilligung rechtfertigt.

Das haben wir so den Demonstrant*innen frühzeitig kommuniziert. Die Demonstration vom 20. Februar war deshalb unbewilligt und wir mussten sie auflösen. Vor der Auflösung haben wir die anwesenden Personen angesprochen und darauf aufmerksam gemacht, dass die Kundgebung keine Bewilligung hat. Die meisten haben den Ort dann auch wieder verlassen.  

Die Demonstration fand trotzdem statt – ohne Bewilligung. Und die Polizei löste sie mit Gummischrot auf. Warum?

Ein Mitteleinsatz ist für uns immer die allerletzte Massnahme. Wir hatten die Demonstrierenden zuvor mehrmals gebeten, die Kundgebung aufzulösen und zunächst lange den Dialog gesucht. Viele der Teilnehmer*innen sind unseren Anweisungen gefolgt. Die, die geblieben sind, waren nicht mehr zu einem Dialog bereit, haben die Kooperation verweigert und sind losmarschiert. Sie liessen uns keine andere Möglichkeit, als Mittel einzusetzen.

Aber an der FCB-Kundgebung waren um die 1000 Menschen anwesend, es wurden Pyros gezündet. Dort hat die Polizei nicht interveniert. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich fordere Sie hier nicht zu mehr Repression auf, ich versuche nur zu verstehen, weshalb die Polizei nicht alle Kundgebungen gleich behandelt.

Eine nicht bewilligte Kundgebung wie jene vom 20. Februar ist formal nicht vergleichbar mit einer Spontankundgebung wie jene vom Montag, die wir spontan bewilligt haben und die friedlich verlaufen ist. Eine Einsatzleiterin oder ein Einsatzleiter entscheidet vor Ort immer je nach Situation. Sie oder er muss dabei die Verhältnismässigkeit beachten und die Folgen einer polizeilichen Handlung für den Selbst- und Fremdschutz einschätzen. Pyros werden oft an Kundgebungen eingesetzt und sich für sich allein genommen in der Regel kein Grund für eine Intervention – namentlich wenn eine Kundgebung friedlich und ohne Sachbeschädigungen von statten geht, die Menschen auf uns hören und sich an die Anweisungen halten.

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Circa 1000 FCB-Fans zogen am Montag durch die Stadt. Trotz Corona. (Bild: Daniel Faulhaber)

Verstehe ich Sie richtig: Die FCB-Fans und Fasnächtler*innen haben sich aus Sicht der Polizei anständiger verhalten als die Teilnehmer*innen der Kurd*innen-Demo?

Wir haben uns dreimal ganz unterschiedlichen Vorgeschichten, Verhaltensweisen und Rahmenbedingungen gegenüber gesehen, die sich nicht miteinander vergleichen lassen. Grundsätzlich gilt: Wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer nicht bewilligten Kundgebung trotz wiederholter Aufforderung zum Abbruch losmarschieren, dann müssen sie damit rechnen, dass wir sie stoppen.

Hängt der Umgang der Polizei mit den Demonstrant*innen auch von der politischen Ausrichtung des Protestes ab?

Nein, wir handeln und entscheiden gestützt auf die Verfassung und die gesetzlichen Grundlagen. Es sind vor allem technische Fragen: Ist die Demonstration bewilligt oder nicht? Wie verhalten sich die Demonstrierenden? Es geht auch um Verhältnismässigkeit. Es wird auf eine Art und Weise eingegriffen, wie es die Situation verlangt. 

Basler*innen äusserten auf Social Media den Verdacht, dass die Polizei bei linkeren Demos härter durchgreift. 

Wir haben immer das gleiche Vorgehen. Wir beobachten vor Ort und sprechen die Menschen an. Wichtig ist für uns, dass es friedlich bleibt und die Häuser links und rechts unbeschädigt bleiben. Es muss viel passieren, dass wir zu Mitteleinsatz greifen. Unser Eingreifen hängt auch vom Verhalten der Demonstrierenden ab. Es wird dann schwierig, wenn uns die Teilnehmenden aggressiv begegnen, unsere Anweisungen ignorieren und das Gespräch verweigern. Das gibt es nun mal auch. 

Wer gibt eigentlich die Strategie vor? Wie oft tauschen Sie sich diesbezüglich mit Justizdirektorin Stephanie Eymann aus?

Die polizeiliche Strategie legen wir fest, also die Fachleute der Kantonspolizei Basel-Stadt. Wir haben dabei keine Vorgaben von der Politik, sondern halten uns an das Gesetz. Es ist eine operative und sehr technische Angelegenheit, letztlich eine Bespielung der Allmend. Natürlich wird unsere Vorgesetzte aber über unsere Entscheide informiert, damit sie es direkt von uns erfährt und nicht etwa aus der Zeitung. Wir befolgen ganz neutral das Gesetz, das hat wie gesagt nichts mit einer politischen Ausrichtung zu tun. Wie die Gesetze aussehen, das ist wiederum eine Frage der Politik. 

Noch Fragen?

Wirklich? Der abgewählte Justizdirektor Baschi Dürr war für seine liberale Linie bei Demos bekannt. Ist diese eigentlich Ihnen zuzuschreiben und gar nicht dem ehemaligen Regierungsrat?

Entscheidend sind in unserem Land und in unserem Kanton der Verfassungsauftrag und die gesetzlichen Vorgaben, an die sich alle halten.

Wird die Strategie unter Stephanie Eymann die gleiche bleiben oder wird sich ihre Handschrift bald bemerkbar machen?

Die Kantonspolizei Basel-Stadt hat jahrelange Erfahrungen im Umgang mit Kundgebungen. Sie hat eine bewährte Bewilligungspraxis und gut ausgebildete Einsatzleiterinnen und -leiter, die mit hohem Verantwortungsbewusstsein situativ entscheiden. Dabei geht es um operative und polizeitaktische Fragen.

Kommenden Montag, 8. März, ist der internationale Tag der Frau. In Basel ist im Zuge dessen eine bisher unbewilligte Demo angekündigt. Am feministischen Streiktag am 14. Juni 2020 kam es ebenfalls zu einer unbewilligten Demo, die die Polizei eingekesselt hat. Wie werden Sie am 8. März vorgehen? 

Zum 14. Juni aber möchte ich einwerfen, dass an diesem Tag bereits vier bewilligte Kundgebungen stattfanden. Diese fünfte Demonstration war es aber nicht. Wir liessen den Demo-Zug eine Stunde lang ziehen, als sich die Menge aber nicht auflösen wollte, mussten wir eingreifen. Wir haben die angekündigte Kundgebung vom 8. März auf dem Schirm. Aber ich äussere mich nicht dazu, wie wir handeln werden. Das wird – wie dargelegt – einmal mehr auf die Situation ankommen.

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Vermisst in Basel: Das Meer

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