Ein Kulturwandel à la Würgler

Die Polizei organisiert sich neu und will die Ressourcen bündeln. Doch es bestehen Zweifel, dass dadurch auch der gewünschte Kulturwandel herbeigeführt werden kann.

Grosser Polizeieinsatz an der Kundgebung gegen die von der Pnos (Partei national orientierter Schweizer) organisierten Demonstration gegen den UNO-Migrationspakt in Basel, am Samstag, 24. November 2018. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
«Mehr PS auf den Boden bekommen»: das ist das Ziel der Reorganisation der Basler Polizei. (Bild: © KEYSTONE / GEORGIOS KEFALAS)

Die Basler Polizei wird neu organisiert. Per dem heutigen 1. April 2025 ist die Reorganisation, wie sie ad interim Kommandant Thomas Würgler letztes Jahr angestossen hat, in Kraft getreten. Das schreibt das Sicherheitsdepartement am Dienstag in einer Mitteilung. Das Ziel dieser Reorganisation ist es, «mehr PS auf den Boden zu bekommen», wie Harald Zsedenyi, Vizepräsident des Basler Polizeiverbands, zu Bajour sagt. In anderen Worten: Die polizeiliche Grundversorgung soll verbessert und die Belastung der Mitarbeitenden reduziert werden. 

Durch eine neue Führung sollte im Nachgang zum verheerenden Schefer-Bericht (siehe Box) aber auch die Kultur innerhalb des Korps verbessert werden, zu der auch Angst, Sexismus und Rassismus gehören sollen. Wie Adrian Plachesi, Mediensprecher der Polizei, erklärt, «lässt sich das Arbeitsklima insbesondere durch eine gute Führung, eine sinnvolle Aufgabe und genügend Ressourcen verbessern. Das aktuelle Reorganisationsprojekt der Kantonspolizei zielt genau darauf ab».

Kernstück der Reorganisation ist eine optimierte Sicherheitspolizei (Sipo). Dafür wird der bisherige Einsatzzug aufgelöst und personell auf die Sipo sowie die Brennpunkte-Polizei verteilt. Gleichzeitig wird die Bezirksstruktur (Gross- und Kleinbasel) aufgehoben – die Sipo agiert neu im gesamten Kantonsgebiet «flexibel und einheitlich», wie es weiter heisst.

Neben der operativen Hauptabteilung Sipo gibt es weiter die Hauptabteilungen Planung & Einsatz, Verkehr sowie Prävention. Die entsprechenden Leitungsstellen wurden intern und extern ausgeschrieben und nach einem Auswahlprozess neu besetzt.

(Das Organigramm findest du unten oder in voller Grösse unter diesem Link.)

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(Quelle: Polizei Basel-Stadt)

Doch reichen diese Anpassungen aus, um einen Kulturwandel bei der Polizei herbeizuführen, durch den künftig im Korps keine Angst mehr herrschen muss und durch den innerhalb des Korps teils grassierende Rassismus sowie Sexismus verhindert werden können? 

«Ich denke nicht, dass die Massnahmen ausreichend sein werden. Aber es ist zumindest mal ein guter Anfang», findet der pensionierte Polizist und SVP-Grossrat Felix Wehrli. Er kritisiert jedoch, dass aufgrund des Schefer-Berichts diverse Personen von der Polizeileitung suspendiert, freigestellt und nun mit Abfindungen «entlassen» worden seien. Von den Abteilungsleitungen jedoch niemand. Diese seien einfach gegenseitig «verschoben» worden. «Das ist sehr seltsam, weil es mit den Problemen ja gerade dort anfängt.» Die Polizei nimmt «die persönliche Meinung von Wehrli zur Kenntnis», wie Plachesi schreibt.

Felix Wehrli
«Ich denke nicht, dass die Massnahmen ausreichend sein werden. Aber es ist zumindest mal ein guter Anfang.»
Felix Wehrli, pensionierter Polizist und SVP-Grossrat

Kritisch sieht die Reorganisation auch SP-Grossrat Mahir Kabakci. Er findet, «dass sich in Zeiten von Krisen ein Polizeikorps stärker selbst reflektieren sollte». Aus diesem Grund stellte Kabakci in einer Interpellation kritische Fragen bezüglich der von Würgler Mitte November angekündigten (und mittlerweile aufgelösten) Streichung der Abteilung Polizeiwissenschaften. Diese wurde erst 2022 noch unter dem ehemaligen Kommandanten Martin Roth eingeführt, war einzigartig und galt hierzulande als Leuchtturmprojekt. Gegründet wurde sie, um die Polizei bei den gesellschaftlichen Herausforderungen, mit denen sie aktuell konfrontiert ist, wissenschaftlich zu unterstützen

Mahir Kabakci
«In Zeiten von Krisen sollte sich ein Polizeikorps stärker selbst reflektieren.»
Mahir Kabakci, SP-Grossrat

Regierungsrätin Stephanie Eymann, die die Fragen während der Session Mitte März mündlich beantwortete, sagte zu Telebasel: «Forschen ist nicht Aufgabe der Kantonspolizei.» Wissenschaft sei zweifellos wichtig, sollte aber nicht aus der kantonalen Polizei heraus passieren. Dafür gebe es Unis und Fachhochschulen. «Es gibt das Schweizer Polizeiinstitut, dieses nimmt diese Aufgaben wahr und spielt die Erkenntnisse in die Polizei zurück.»

Dass die Basler Polizei diese Rolle originär übernehme, sei eine Entwicklung, die ihr am Schluss nicht mehr gefallen habe. Kabakci ist ob der Antwort von Eymann unzufrieden und sagt: «Mir fehlt die Gesamtstrategie.»

Stephanie Eymann
«Forschen ist nicht Aufgabe der Kantonspolizei.»
Stephanie Eymann, Vorsteherin des Justiz- und Sicherheitsdepartements

Es ist klar: Umstrukturierungen bringen immer auch Unsicherheiten mit sich. Manche – wie einige Mitarbeitende der abgeschafften Abteilung Polizeiwissenschaften – verlieren ihre Stelle, andere finden sich in neuen Abteilungen wieder.

So sind beispielsweise auch beim sogenannten Community Policing (CP) nicht alle glücklich damit, dass sie künftig zur Hauptabteilung Prävention gehören und nicht (mehr) Teil der Sicherheitspolizei sind. Wehrli sagt zu den Unsicherheiten: «Es ist wichtig, dass die aufgeblasene Polizeileitung nebst zu vielen Offizieren nun verkleinert wird. Dabei verwundert nicht, dass jeder sein Gärtli behalten will, aber man muss die Veränderung positiv sehen.» Kritisch sieht Wehrli hingegen die Zusammenlegung von Gross- und Kleinbasel: «Das bringt keinerlei Vorteile und wird wohl dazu führen, dass es am Schluss nur noch eine Polizeiwache geben wird.»

Räumliche Fragezeichen

Ohnehin gibt es in Sachen Räumlichkeiten noch einige Fragezeichen. Die gestärkte Sipo wird künftig wohl in der Polizeiwache an der Clarastrasse zuhause sein, was bedeuten dürfte, dass andere hier ihre Plätze räumen und zur Wache am Kannenfeldpark ziehen müssen, wo auch die Polizeihunde zuhause sind.

Betroffen von einem Umzug dürfte auch das Kleinbasler Community Policing (CP) sein, ebenfalls ein Aspekt, der nicht allen passt. So ist gerade das CP meist zu Fuss in den verschiedenen Basler Quartieren unterwegs und der lokalen Bevölkerung somit nahe. Eine Homebase im Grossbasel dürfte dieses Nähe-Gefühl etwas beschneiden. Doch die Diskussionen darüber sind noch nicht abgeschlossen.

Die von manchen als Hauruckübung empfundene Reorganisation macht demnach deutlich, wie gross der Druck gegenüber Politik und Bevölkerung zu sein schien, nach dem Schefer-Bericht möglichst rasch Veränderungen zu präsentieren. Mehr Polizei auf den Strassen dürfte es damit wohl bald schon geben, alle anderen Massnahmen brauchen vermutlich etwas länger.

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Das ist Valerie (sie/ihr):

Nach einem ersten journalistischen Praktikum bei Onlinereports hat Valerie verschiedene Stationen bei der Neuen Zürcher Zeitung durchlaufen, zuletzt als Redaktorin im Bundeshaus in Bern. Es folgten drei Jahre der Selbständigkeit in Berlin, bevor es Valerie zurück nach Basel und direkt zu Bajour zog, wo sie nun im Politikressort tätig ist.

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