Erst zahlen, dann arbeiten
Ukrainer*innen können hier arbeiten. Dafür müssen sie sich aber erst im kafkaesken Bürokratiewirrwar zurechtfinden und ihr Diplom anerkennen lassen. Das kostet bis zu 1400 Franken.
Ukrainische Geflüchtete können in der Schweiz arbeiten. Aber nur, wenn sie es sich leisten können. Seit dem 12. März gilt für sie der Schutzstatus S, damit haben sie laut Bundesrat vollständigen Zugang zum Arbeitsmarkt und auch zur Schule.
Tönt einfach und unkompliziert. Das Problem: Berufe sind in der Schweiz häufig streng reglementiert. Will etwa eine ukrainische Tierärztin hier arbeiten, muss sie vorher das ausländische Diplom von der zuständigen Stelle prüfen lassen. Der grosse Haken: Die Prüfung sowie die Beglaubigung aller dafür nötigen Dokumente kosten Geld. Viel Geld, das Arbeitssuchende, die ihre Heimat fluchtartig verlassen mussten, meist nicht einfach so auf der hohen Kante haben.
Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) führt eine Liste dieser reglementierten Berufe. Die 15-seitige Liste umfasst Berufe aus allen möglichen Bereichen wie beispielsweise Ernährungsberater*in, Entbindungshelfer*in, Hörgeräte-Akustiker*in, Tierärzt*in, Edelmetallprüfer*in, Waffenhändler*in, Trolleybusführer*in, Kletterlehrer*in oder Grundbuchverwalter*in.
Weiterer Stolperstein: Erst muss man herausfinden, wo man das eigene Diplom anerkennen lassen kann. Es gibt zahlreiche verschiedene Stellen, wie diese Grafik zeigt:
Tausend Franken für Anerkennung
Für die Anerkennung von universitären Medizinalberufen wie Ärzt*in, Zahnärzt*in, Apotheker*in, Chiropraktor*in und Tierärzt*in ist die Medizinalberufekommission (MEBEKO) zuständig. Für die Anerkennung ausländischer Diplome und Weiterbildungstitel und den Eintrag in die Datenbank der MEBEKO sind Gebühren zwischen 800 bis 1000 Franken festgelegt.
Wer einen der oben genannten Medizinalberuf in der Schweiz ausüben will, muss über die notwendigen Sprachkenntnisse für die jeweilige Berufsausübung verfügen. Für die Prüfung der vorhandenen Sprachkenntnisse und deren Eintrag im Medizinalberuferegister sind Gebühren zwischen 50 und 100 Franken festgelegt. Kopien und Übersetzungen der Diplome sind dann noch nicht beglaubigt.
Für beglaubigte Übersetzungen von Dokumenten kann man laut der Website von GGG pro A4-Seite rund 100 Franken aufwärts rechnen. Eine beglaubigte Kopie eines Dokuments kostet rund 15 Franken, wie es auf der Seite des Bevölkerungsdienstes heisst.
Rückerstattung ja oder nein?
In einem ähnlichen Umfang wie die Medizinalberufe bewegt sich die Anerkennung der Psychologieberufe durch die Psychologieberufekommission (PsyKo). Für die Anerkennung ausländischer Ausbildungsabschlüsse und den Eintrag in die Datenbank sind Gebühren zwischen 600 und 1’200 Franken festgelegt. Für die Anerkennung ausländischer Weiterbildungstitel und den Eintrag in die Datenbank sind es zwischen 800 und 1’400 Franken. Die PsyKo prüft dafür keine Sprachkenntnisse.
Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) prüft die übrigen Berufe im Gesundheitswesen. Die Kosten können hier ebenfalls variieren, bewegen sich aber in einem ähnlichen Rahmen. Hier wird aber zusätzlich ein offizielles Sprachzertifikat erwartet. Für Deutsch ist dies beispielsweise das Goethe-Zertifikat, für Französisch das Delf und für Italienisch das Deli. Um hier unnötige Kosten zu vermeiden, kann man seine Dokumente vorab bei Precheck.ch prüfen lassen.
Laut Marc Bieri, Leiter des Fachbereichs Gesundheitsberufe beim SRK, sei es möglich, sich die Kosten für die Prüfung der Gesundheitsberufe durch den Arbeitgeber oder das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) erstatten zu lassen. Dies müsse aber individuell abgeklärt werden. Eine Patentlösung, die für alle gilt, gibt es also nicht.
«Da sind Sie bei uns falsch»
Die Gebühren sind in der jeweiligen Verordnung geregelt. Für Medizinberufe und Psychologischen Berufe sind das die Medizinalberufeverordnung und die Psychologieberufeverordnung. Die jeweilige Geschäftsstelle entscheide bei der Bearbeitung jedes einzelnen Gesuches, welcher Betrag in Rechnung gestellt werde – dies immer innerhalb des in der entsprechenden Verordnung geregelten Gebührenrahmens. Da man die Verantwortlichen selten eruieren kann, ist es auch schwierig, bei Härtefällen eine Ausnahme zu erreichen.
Wer aber definiert diesen Rahmen? Die Suche nach der verantwortlichen Stelle gestaltet sich kafkaesk. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) verweist ans Staatssekretariat für Migration (SEM). Welche Abteilung dort zuständig ist, scheint aber auch intern unklar zu sein. «Hier können wir darüber keine Auskunft geben» oder «da sind Sie bei uns falsch», heisst es. Die Anfrage per Mail wird wiederum mit einem Verweis aufs SBFI beantwortet. Doch das mitgeschickte Faktenblatt «Anerkennung von ukrainischen Diplomen im Hinblick auf die Ausübung eines Berufs» gibt über diese Frage keinen Aufschluss. Wer die Kosten wie festlegt, ist also am Ende des Textes noch unklar. Aber keine Angst, wir bleiben dran, bis wir die Verantwortlichen aufgespürt haben.
...und Bajour-Member werden.