Theater Basel stört sich an Polizei-Plakaten
Die Basler Polizei braucht dringend neue Leute und hat deshalb 200’000 Franken in eine Rekrutierungskampagne einer renommierten PR-Agentur gesteckt. Die frechen Sujets polarisieren – unter anderem beim Theater Basel, wo der eigene Auftritt auf einem streitbaren Polizei-Plakat nicht gut ankommt. Dabei war das Sujet abgesprochen.
Eine Werbekampagne hat einen simplen Zweck: Sie soll auffallen. Und wer provoziert, vielleicht ein bisschen frech ist, hat die Aufmerksamkeit auf seiner Seite.
Es gibt schlaue Köpfe, die genau wissen, wie sowas funktioniert. Zum Beispiel die mächtige PR-Agentur Farner, der man sogar attestiert, für die Bundesratswahl Elisabeth Baume-Schneiders zuungunsten der Baslerin Eva Herzog verantwortlich zu sein. Genau diese Agentur steckt nun auch hinter der neuen Werbekampagne der Basler Kantonspolizei, die hoffen, damit ihre Personalnot (90 unbesetzte Stellen, das entspricht 13 Prozent) zu lindern.
Bajour hat mit Verweis auf das Öffentlichkeitsgesetz von der Kantonspolizei erfahren, dass die Kampagne 200’000 Franken gekostet hat – das ist «für eine Stadt wie Basel im Rahmen», wie Politikanalyst Mark Balsiger zu Bajour sagt. Aber: Ganz billig sind die Werbepäpst*innen von Farner auch nicht.
Das ist der Grund, warum die Kampagne auch omnipräsent ist, nicht nur durch Plakate in der City oder als Aufdruck auf der mobilen Einsatzzentrale bei der Kaserne. Sondern auch in allen Sozialen Medien, als Werbung auf Spotify und sogar als In-Game-Ads in Videospielen.
Die Kampagne fällt auf, das kann man festhalten. Und sie provoziert auch. Das prominenteste Beispiel: «Auch wir machen Teamausflüge. Meistens dahin, wo Theater ist.» Dazu das Beispiel einer Reihe Polizist*innen in Vollmontur, stationiert vor dem Theater Basel – dort, wo bei Demonstrationen auch schon Demonstrierende und die Polizei gewaltsam aufeinandertreffen.
Die Leitung des Theaters Basel ist nicht zufrieden, wie das Theater in diesem Sujet in Szene gesetzt wird. Auf Anfrage von Bajour erklärt die Theaterleitung, dass die Kantonspolizei im Sommer für ein Recruitingmotiv vor dem Theater angefragt habe. «Das Theater ist wie die Polizei eine öffentliche Institution. Daher haben wir dem grundsätzlich zugestimmt.» Die Theaterleitung war aber zuerst überzeugt, dass die Freigabe fürs fertige Sujet nicht erteilt wurde.
Adrian Plachesi, Pressesprecher des Sicherheitsdepartements, sagt: «Ende August wurde dem Theater Basel von der Agentur das fertige Sujet inkl. Schriftzug zugeschickt zur Freigabe. Das Theater Basel gab in der Folge das Sujet frei und verzichtete auf ein Belegexemplar.» Der entsprechende Mailverkehr liege der Polizei vor. Bei nochmaligem Nachhaken von Bajour revidierte die Theaterleitung ihr vormaliges Statement. Das Sujet lag ihnen doch vor. Zufrieden ist man trotzdem nicht.
Inhaltlich könne die Theaterleitung verstehen, dass das «provokante Motiv» nun in der Öffentlichkeit, «genauso wie bei uns im Theater», diskutiert wird: «Wir selbst verstehen Theater und Theatermachen ganz klar als einen Ort der gewaltfreien Auseinandersetzung.»
Der symbolische Verweis auf die Gewalteskalationen bei Demonstrationen, auf strenges Eingreifen vonseiten der Polizei (wir denken an den Frauentag, den 1. Mai und jüngst an die Mass-voll-/Nazifrei-Demo), passen nicht zu dieser Philosophie. «Kunst ist der Ort des Friedens, dieser Ort darf nicht so missbraucht werden», schreibt das Aube Filmfest in einer kritischen Stellungnahme zu dem Plakat auf Facebook.
Wie viel über das Plakat diskutiert, zeigt unsere «Frage des Tages» zum Thema. Wir wollten wissen, ob unsere Community das Sujet mit seinem schwarzen Humor und seiner Selbstironie lustig oder unsensibel findet. Mehr als die Hälfte gefällt der Ton, wie die Abstimmung zeigt.
Auch der EVP-Grossrat und Polizist Christoph Hochuli findet die Kampagne gelungen. Er schreibt: «Damit der Personalunterbestand von über 90 Polizist/innen wieder ausgeglichen werden kann, braucht es eine gute Rekrutierungskampagne, auch wenn sie viel Geld kostet.» Es gibt aber auch weitere Stimmen, die kritisieren, dass die Polizei mit ihrer Kampagne das falsche Zielpublikum adressiere. So schreibt Felix Güthe: «Das ist nur lustig, wenn wir für die Polizei Leute suchen, die solche Katz-und-Mausspiele spielen wollen und Radau auf dem Teamausflug geniessen.» Und Till Kleisli ergänzt: «Diejenigen, die auf Schutz, Helfen, Deeskalation und Dialog stehen, schrecken diese Einsätze/Bilder eher ab.»
Ein weiterer Kommentator, der laut Pseudonym «e Schugger us Basel» ist, findet, dass eine Rekrutierungskampagne nur Sinn mache, wenn sie die guten Seiten des Jobs, aber insbesondere auch die unangenehmen aufzeige: «Bei der Rekrutierung zu ‹verschweigen›, dass wir auch mal in Vollmontur hinstehen, unangenehme Eingriffe in die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürgern aushalten müssen und vieles mehr, wäre falsch. Erkennen die Interessierten diese Seite nicht oder zu wenig, gehen sie bald wieder. Dies kostet bereits bei sehr wenigen locker das Budget dieser Kampagne!»
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Kritik wird auch an der teuren Werbekampagne geübt – und daran, dass das Geld nicht in andere Rekrutierungsmassnahmen floss. Basta-Grossrat Oliver Bolliger findet: «Damit der Polizei-Beruf wieder attraktiv wird, braucht es gute Arbeitsbedingungen, besseren Lohn, vor allem mehr freie Wochenende, vielseitige Arbeitsstellen mit Aufstiegschancen und eine Strategie, wie die Polizei in Zukunft von der breiten Bevölkerung positiver wahrgenommen werden soll.»
Der LDP-Grossrat Michael Hug findet hingegen, dass wenn wir uns, «wie von Seiten der LDP-Seite immer gefordert», frühzeitig um bessere Arbeitsbedingungen bei den Blaulichtorganisationen gekümmert hätten, nun nicht solche «Lustig-oder-nicht?»-Fragen aufkommen würden. Hug hat vergangenes Jahr, gestützt auf mehrere schriftliche Anfragen zum Thema, gemeinsam mit Tobias Christ von der GLP eine Motion eingereicht, die bessere Arbeitsbedingungen für Staatsangestellte, also auch Polizist*innen, forderte. Der Grosse Rat hat die Forderung überwiesen, der Regierungsrat wird eine entsprechende Gesamtstrategie ausarbeiten.
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