Auf repressiver Linie
Einmal mehr ist es in Basel am 1. Mai zur Eskalation gekommen. Der Konsens ist gescheitert und die Polizei setzte bei der bewilligten Demo von Anfang an auf Repression. Nun braucht es dringend einen echten Dialog. Ein Kommentar.
Es gab sie, die Hoffnung auf einen friedlichen ersten Mai – und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. In diesem Fall starb sie am Montagmorgen um kurz nach 11 Uhr, als die beiden Bajour-Reporter*innen Michelle Isler und Ernst Field vermeldeten, dass sie von der Basler Polizei miteingekesselt worden sind. Die Polizei twitterte, der Demozug sei aufgrund von vermummten und mit Schutzmaterial ausgerüsteten Gruppierungen angehalten worden. Nicht nur die beiden Journalist*innen, auch Grossrät*innen sowie die demokratischen Jurist*innen in rosaroten Westen liefen an der Demospitze mit und wurden zwischenzeitlich festgehalten – ein Unia-Gewerkschaftsmitglied musste laut der Gewerkschaft aufgrund des Einsatzes von Tränengas sogar ins Spital gebracht werden. Die Polizei bestätigt, dass eine an der Demo teilnehmende Person ins Krankenhaus gebracht wurde.
Einmal mehr ist es also zur Eskalation gekommen - wieso? Und was braucht es nun?
Da ist einerseits das scharfe Geschütz, mit welcher die Polizeichefin Stephanie Eymann (LDP) am Tag der Arbeit aufgefahren ist. Die repressive Strategie hat bereits in den vergangenen zwei Jahren massgeblich zur verhärteten Lage beigetragen. Erst im März kommentierte Kollegin Andrea Fopp, dass Eymann nun das militante Geschenk habe. Immer wieder standen in jüngster Vergangenheit auf Provokation gebürstete Aktivist*innen den Polizist*innen gegenüber – und es knallte an den unbewilligten Demonstrationen mal mehr und mal weniger. Die heutige Demonstration war allerdings bewilligt, dennoch brachte die Polizei die Kundgebung bereits nach wenigen Metern zum Stehen.
Die Begründung der Polizei für den Stopp erstaunt, hat sie doch erst gerade bei der Nizza-Kundgebung Mitte April grölende Fussballfans ziehen lassen, von denen ebenfalls viele vermummt waren. Damals hatte sie offenbar keinen Bock auf Strassenschlachten. Heute hingegen schon? Am Montagabend kann Eymann zum Einsatz auf Anfrage nur so viel sagen: «Ich verstehe, dass immer, wenn die Kantonspolizei solche Einsätze durchführen muss, Fragen aus der Bevölkerung, der Politik und von Medienschaffenden gestellt werden. Ich werde selbstverständlich die an mich gestellten, übergeordneten Fragen beantworten. Ich muss jedoch um Verständnis bitten, dass ich mich zuerst von der Kantonspolizei über den Einsatz informieren lassen will, bevor ich Stellung nehme. Alles andere wäre unseriös.»
Mit der repressiven Linie und dem zweierlei Mass, das die Polizei heute angewendet hat, hat sie sich und der Sache keinen Gefallen getan. Das Bild verfestigt sich, dass maskierte Fussball-Fans kein Problem sind. Linke Demonstrant*innen hingegen schon. Eymann wird sich daran messen lassen müssen.
Ebenfalls hilft der verhärteten Situation nicht, dass sich die Linke in Sachen Demonstrationskultur uneinig ist beziehungsweise uneinig in Bezug auf die Deeskalationsstrategien, die es in dieser festgefahrenen Situation so dringend bräuchte. Dies zeigte der Demo-Kodex, der letzte Woche in sich zusammengefallen ist. Dessen Ziel wäre gewesen, dass gewalttätige Menschen der Demo fernbleiben, gemeint war vor allem der Schwarze Block.
Bis zu einem gewissen Grad liegt diese Uneinigkeit innerhalb der Linken - die sich an diesem 1. Mai mit den eingekesselten Demonstrant*innen allerdings dann doch sehr einig und solidarisch gezeigt hat – freilich in der Natur der Sache: So ist die BastA! bekanntermassen näher an den sozialen Bewegungen als die SP, diese wiederum ist für ihre institutionelle Politik bekannt. Genau deshalb würde der SP die Rolle der Vermittlerin so gut anstehen. Diese Rolle hat sie im Vorfeld des 1. Mai auch versucht, ernst zu nehmen. Der Tag der Arbeit ist ihr Fest.
Doch die Vermittler*innenrolle wurde ihr abgesprochen, die Distanzierung von den Krawallist*innen kam nicht gut an. Dass die SP in den vergangenen Monaten immer wieder durch Führungsschwäche und entsprechende Kommunikationspannen aufgefallen ist – neben dem gescheiterten Demokodex ist die Rücktrittsforderung an den Polizeikommandanten Martin Roth zu nennen, aber auch die 180-Grad-Wende beim Steuerpaket –, dürfte nicht geholfen haben. In der Partei wird der Unmut immer grösser, viele Mitglieder scheinen nicht mehr zu wissen, wofür die SP eigentlich steht.
Die Verhärtungen schaden den sozialen Bewegungen – ob dem 1. Mai oder dem bevorstehenden Frauenstreik vom 14. Juni. Das Schlimme daran: Weit und breit ist niemand in Sicht, der die Aggression zurückfährt. Weder in den sozialen Bewegungen, wo von den Extremist*innen wie dem Schwarzen Block offensichtlich niemand als Dialogpartner*in akzeptiert wird. Noch bei der Polizei, wo seit dem Wechsel im Polizei-Departement ein härterer Kurs gefahren wird -– solange es nicht um Fussball geht.
Um eine Eskalation bei der nächsten Demonstrationen zu verhindern, braucht es nun umso dringender einen Dialog – und dies gleich an mehreren Fronten. Dass der jüngste Demo-Kodex krachend gescheitert ist, bedeutet nämlich nicht, dass es in Zukunft keinen solchen mehr braucht. So sollte die Frage nicht lauten, ob, sondern wie ein solcher Kodex aussehen könnte, der nicht nur die «Anständigen» anspricht.
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