«Die Bevölkerung will, dass sich etwas ändert, aber mit realistischen Zielen»

Grossrat Tobias Christ hat die moderaten Gegenvorschläge zu den am Sonntag abgelehnten Stadtklima-Initiativen nochmals aus der Schublade geholt. Ändern dürfte sich am eingeschlagenen Weg aber kaum etwas.

Tobi
GLP-Grossrat Tobias Christ: «Es braucht die Motionen, um ein stärkeres Argument zu haben, weshalb die Regierung den aktuellen Kurs durchziehen muss.»

Tobias Christ, überrascht Sie die deutliche Ablehnung der Stadtklima-Initiativen?

Ja, diese Deutlichkeit überrascht mich schon ein bisschen, ich hatte das Resultat knapper erwartet. Es erleichtert mich aber auch und macht uns die politische Argumentation in Zukunft einfacher: Die Bevölkerung will, dass sich etwas ändert, aber mit realistischen Zielen.

Was hat aus Ihrer Sicht den Ausschlag gegeben für das doppelte Nein? 

Das Stimmvolk weiss: Auch wenn es Nein stimmt, wird etwas passieren. Wir werden trotzdem mehr Grün und mehr Langsamverkehr in unserer Stadt haben und können jetzt mit den bereits beschlossenen Massnahmen weitermachen. Die Regierung ist auf dem richtigen Weg und das Stimmvolk unterstützt das.

Die GLP holt jetzt die UVEK-Mehrheits-Gegenvorschläge wieder aus der Schublade, sie stehen im Dezember auf der Traktandenliste im Grossen Rat. Vor der Abstimmung war keiner der insgesamt sechs Gegenvorschläge mehrheitsfähig. Warum sollte das dieses Mal klappen?

Ich glaube, dass es richtig ist, dass wir jetzt mit diesen Gegenvorschlägen als Motionen kommen. Die Bevölkerung will machbare Vorschläge, da bin ich überzeugt und die Regierung will das auch. Ich bin gespannt, was die anderen Parteien nach dieser Abstimmung dazu sagen. Vor allem bin ich gespannt, ob die SP die Gegenvorschläge unterstützen wird. 

Wir werden trotzdem mehr Grün und mehr Langsamverkehr in unserer Stadt haben und können jetzt einfach mit den bereits beschlossenen Massnahmen weitermachen.
GLP-Grossrat und Motionär Tobias Christ

Die linken Parteien hatten bei der Beratung der Gegenvorschläge im Juni argumentiert, sie seien «nur ein Tropfen auf den heissen Beton».

Ja, diese Haltung respektiere ich auch, das stimmt schon ein bisschen. Auch mit unseren Motionen wird sich nichts radikal am jetzigen Kurs ändern. Aber die Initianten hatten unrealistische Vorstellungen, so viel mehr Grün und Langsamverkehr ist einfach nicht möglich, das haben die Regierung, Experten und Beamten im Vorfeld gesagt. 

Die Linken könnten bei ihrer Einschätzung bleiben und Ihre Motion ablehnen, weil sie zu wenig weit geht.

Ehrlich gesagt wäre das eine ziemliche Trotzreaktion. Ja, man könnte vielleicht noch etwas weiter gehen, aber aktuell sollten wir bei dem bleiben, was schon diskutiert worden ist, statt nochmals ein neues Fass aufzumachen. Ich glaube, sie werden die Motionen akzeptieren – wenn auch zähneknirschend. 

Was heisst es denn konkret, wenn die Gegenvorschläge im Dezember durchs Parlament kommen? Wenn sich nicht wirklich etwas ändert, könnten Sie es dann nicht gleich lassen?

Nein, es braucht die Motionen, um ein stärkeres Argument zu haben, weshalb die Regierung den aktuellen Kurs durchziehen muss. Und so ein Anliegen im Grossen Rat zu verankern, ist hilfreich, um zu zeigen, dass trotz der Ablehnung der Initiativen ein Wille für Veränderungen im Stadtraum da ist. Wenn die Motionen nicht überwiesen werden, müssten wir dann natürlich schauen, was das heisst. Aber wie gesagt, ich glaube, wir haben gute Chancen.

Die zentralere Frage ist jetzt: Wo sind wir bereit, Abstriche zu machen?
Tobias Christ

Man könnte auch sagen: Sie nehmen die Stimmbevölkerung nicht ernst, die heute Nein zu den Initiativen gesagt hat. 

Ja, man nimmt vielleicht diejenigen weniger ernst, die heute radikal Nein gesagt haben, weil sie wollen, dass alles so bleibt, wie es ist. Ich glaube aber wirklich, dass das nur eine kleine Minderheit ist. Wir setzen uns ein für ein konstruktives Miteinander und natürlich wäre es uns viel lieber gewesen, die Stimmbevölkerung hätte über einen mehrheitsfähigen Vorschlag an der Urne abstimmen können. Aber nur, weil das verhindert wurde, lassen wir uns nicht von konstruktiver Politik abbringen. Mit den Motionen zeigen wir auf: So geht es weiter, auch mit dem bereits bestehenden Stadtklimakonzept. 

Vom Stadtklimakonzept bekommt die Bevölkerung aktuell vor allem Sofortmassnahmen wie Topfbäume und Sonnenschirme mit. Würde man das Geld anstatt in solche Massnahmen nicht lieber in eine grossflächige Analyse stecken, wo man Bäume pflanzen kann?

Auf jeden Fall braucht es so eine Analyse, aber das ist für mich gar kein politisches Thema. Das muss die Verwaltung machen und das macht sie auch. Sie muss überall das Maximum rausholen, anders ist Netto-Null 2037 gar nicht möglich. Die zentralere Frage ist jetzt aber: Wo sind wir bereit, Abstriche zu machen? Wo muss die Feuerwehr hinfahren können? Welche Kapazitäten braucht es im motorisierten Individualverkehr? Wenn man mehr Grünflächen will, was muss dann weichen?

Das beantworten aber auch Ihre Motionen nicht.

Nein, der Gegenvorschlag gibt allenfalls einen Rahmen dafür vor. Ich bin offen, auch an diesem Rahmen etwas zu ändern, aber das sind Diskussionen, die wir jetzt führen müssen. Und da wünsche mir auch, dass insbesondere diejenigen, die die Abstimmung heute verloren haben, dies jetzt diskutieren. Was wir nicht wollen, sind abstrakte Ziele, die man nicht erreichen kann. Das hat sich heute gezeigt. Jetzt ist der Weg frei, um diese Fragen zu diskutieren.

Herzen
Bajour macht den Unterschied.

Werde Member und unterstütze unabhängigen Lokaljournalismus.

Das könnte dich auch interessieren

Wochenkommentar Leila Moon

Ina Bullwinkel am 13. Dezember 2024

Verlierer*innen, wo du hinschaust

Was bleibt übrig von der knapp einmonatigen Diskussion um die Vergabe des Kulturförderpreises an Leila Moon? Eine Jury, die sich und die Künstlerin angreifbar gemacht hat. Ein Amt für Kultur, das sich wieder einmal rechtfertigen musste. Und eine Künstlerin, an der nun ein Image haftet, das nur schwer zu revidieren ist. Ein Kommentar von Chefredaktorin Ina Bullwinkel.

Weiterlesen
Pekerman2

Valerie Zaslawski am 10. Dezember 2024

«Wir werden sehen, ob Syrien wirklich ein Land für alle sein wird»

GLP-Grossrat Bülent Pekerman sagt im Interview mit Bajour, die Freude über den Sturz von Assad in der kurdischen Community sei gross. Er äussert aber auch Bedenken: «Die Türkei wird nun versuchen, den Kurden in Syrien das Leben schwer zu machen.»

Weiterlesen
Elisabeth Schneider-Schneiter Ukraine

David Rutschmann am 06. Dezember 2024

«Uns allen geht es um die humanitäre Tradition»

Die Baselbieterin Elisabeth Schneider-Schneiter war eine der Ausscherer*innen aus der Mitte, die im Nationalrat die Verschärfung des Schutzstatus S möglich machten. Sie findet es richtig, den Sonderschutz auf die akuten Kriegsgebiete zu beschränken – und hofft, dass man damit die Zuwanderungspolemik der SVP bekämpfen kann.

Weiterlesen
Valerie Kommentar-1

Valerie Zaslawski am 02. Dezember 2024

Alle Parteien raus! Sie haben da nichts zu suchen

Das Stadtteilsekretariat Kleinbasel steht in der Kritik, zu links zu sein. Nachdem die bürgerlichen Parteien ihm bereits den Rücken gekehrt haben, sollten auch die linken ihre Rolle überdenken. Parteien haben andere Gremien, um mitzuwirken, kommentiert Valerie Zaslawski.

Weiterlesen
Michelle Isler

Das ist Michelle (sie/ihr):

Nach einem Masterstudium in Geisteswissenschaften und verschiedenen Wissenschafts- und Kommunikations-Jobs ist Michelle bei Bajour im Journalismus angekommen: Zuerst als Praktikantin, dann als erste Bajour-Trainee (whoop whoop!) und heute als Junior-Redaktorin schreibt sie Porträts mit viel Gespür für ihr Gegenüber und Reportagen – vorzugsweise von Demos und aus den Quartieren. Michelle hat das Basler Gewerbe im Blick und vergräbt sich auch gern mal in grössere Recherchen. 


Kommentare