Uni-Besetzung: So kann man nicht reden

Die Besetzung der Uni Basel hielt bis Montagmorgen an, und eine Einigung zwischen Aktivist*innen und Uni-Leitung ist nicht in Sicht – im Gegenteil. Mit ihren Aktionen spielen die Besetzer*innen den Kritiker*innen in die Hände und Rektorin Schenker-Wicki urteilt aus der Ferne.

Kommentar Besetzung Uni Basel
(Bild: Valerie Wendenburg)

Die Aktivist*innen besetzten während drei Tagen das Institut für Soziologie. Wie sie via Telegram mitteilen, begann die Räumung gegen 6.20 Uhr am Montagmorgen. Die Besetzer*innen hätten übers Wochenende die Gelegenheit gehabt, das Gebäude am Petersgraben 27 ohne polizeiliches Eingreifen zu verlassen. Denn obgleich seit Freitag ein Räumungsbefehl vorliegt, liess die Kantonspolizei sie bis Montagfrüh gewähren.

Die Aktivist*innen dachten allerdings nicht daran. Sie haben sich am Samstag und Sonntag vorm und im Gebäude eingerichtet und zum Frühstück eingeladen, Versammlungen, Gesangs-Workshops oder Demo-Trainings abgehalten und gemeinsam weitere Banner gemalt. So auch einen, der nun prominent auf der Strasse vorm Gebäude zu sehen ist und den Slogan «From the river to the sea – Palestine will be free» zeigt. Darauf zu sehen ist eine Frau mit Palästinensertuch, die Leila Khaled ähnelt.

Vor dem Gebäude werden T-Shirts mit einem Aufdruck der Terroristin angeboten. Ausserdem haben die Aktivist*innen das Institut kurzerhand in «Bassel Al-Araj-Institut» umbenannt. Das Banner mit der neuen Bezeichnung nach dem palästinensischen Freiheitskämpfer hängt nun prominent vom Dach des Hauses.

Ein Urteil aus der Distanz, noch dazu von oben herab, erreicht die gemässigten Stimmen unter den Besetzer*innen nicht.

Gleichzeitig forderten die Besetzer*innen weiterhin einen Dialog mit Andrea Schenker-Wicki. Die Rektorin der Uni ist der Einladung am Freitagabend nicht gefolgt und hat sich stattdessen in einem BaZ-Interview klar von den Aktivist*innen, deren Aussagen und Forderungen distanziert und zu Protokoll gegeben, sie hätte die Plakate während der ersten Besetzung am liebsten «eigenhändig entfernt». Schenker-Wickis ablehnende Haltung in Bezug auf Äusserungen, die als antisemitisch gelten, ist verständlich und folgerichtig. Trotzdem hat die Rektorin eine Chance verpasst: sich mit den Besetzer*innen auszutauschen (zumindest mit denjenigen, die tatsächlich an der Uni Basel eingeschrieben sind). Hätten diese danach ihre Slogans nicht angepasst bzw. die Besetzung nicht aufgelöst, hätte das die Position der Rektorin nur gestärkt. Sie hätte sich auf Augenhöhe begeben und sagen können: Ein echter Dialog – der ja angeblich gewünscht ist – ist nicht möglich. Ein Urteil aus der Distanz, noch dazu von oben herab, erreicht die gemässigten Stimmen unter den Besetzer*innen nicht. Eine weitere Besetzung ist somit fast programmiert.

Die Aktivist*innen singen nach wie vor – auch wenn sie bisher friedlich agieren und selbst immer wieder betonen, nicht antisemitisch zu sein – «From the river to the sea». Sie schreiben und sprechen weiterhin von Intifada und einem Genozid. Dieses Verhalten führt zu Besorgnis und Verängstigung innerhalb der jüdischen Gemeinschaft in Basel, auch unter Studierenden. Und es bringt absolut gar nichts für die gestellten Forderungen.

Anstatt den Spielraum zu nutzen, den die Polizei ihnen übers Wochenende gewährt hat, lassen die Besetzer*innen es bewusst auf eine Konfrontation ankommen.

Während Boykottforderungen bezüglich der Zusammenarbeit mit israelischen Universitäten für die Uni indiskutabel sind, ist sie offen dafür, sich für den Schutz und die Unterstützung palästinensischer Studierender und Lehrender einzusetzen. Die Besetzer*innen sind darauf bisher nicht eingegangen. 

Seit Samstag rufen sie nun all jene, die sich für ein freies Palästina einsetzen, zur Unterstützung auf. Wer mitmachen will, soll zum Institut kommen, egal, ob Student*in oder nicht. Damit bestätigen Sie die Vermutung, dass einige Besetzer*innen keinen Bezug zur Uni Basel haben.

Je mehr Personen sich an der Besetzung beteiligen, desto aufwendiger ist die Räumung. Das wissen auch die Aktivist*innen. Anstatt den Spielraum zu nutzen, den die Polizei ihnen übers Wochenende gewährt hat, haben sie es bewusst auf eine Konfrontation ankommen lassen. Die Chance auf einen konstruktiven Dialog scheint endgültig verpufft.

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Dieser Kommentar wurde aktualisiert, als die Räumung am Montagmorgen um 6.20 Uhr begonnen hat.

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Nach dem Studium, freier Mitarbeit bei der Berliner Morgenpost und einem Radio-Volontariat hat es Valerie 2002 nach Basel gezogen. Sie schreibt seit fast 20 Jahren für das Jüdische Wochenmagazins tachles und hat zwischenzeitlich einen Abstecher in die Kommunikation zur Gemeinde Bottmingen und terre des hommes schweiz gemacht. Aus Liebe zum Journalismus ist sie voll in die Branche zurückgekehrt und seit September 2023 Redaktorin bei Bajour. Im Basel Briefing sorgt sie mit ihrem «Buchclübli mit Vali» dafür, dass der Community (und ihr selbst) der Lesestoff nicht ausgeht.

Kommentare

Salve
27. Mai 2024 um 08:54

Die kritischen und relevanten Fragen stellen

Schencker-Wicki macht das unmöglich, was in Lausanne möglich ist. Dazu schränkt sie mittels Polizei und Securitas grundlegende Rechte an der Uni ein. Warum und wie? Das könnten doch konkrete, kritische journalistische Fragen sein, auch für einen Kommentar. Stattdessen bekommen wir ein Sammelsurium serviert, das versucht both-sides abzudecken aber dann Versatzstücke aus dem Alltag der Besetzenden berichtet und Mutmassungen zu ihnen anstellt, die auch Rechte talking points wiederholen (nicht alles Studis!), während wir zu Schencker-Wicki und ihrer Motivation kaum etwas erfahren.