Ade GAB!
Künftig gibt es im Grossen Rat eine linke Fraktion mehr: Basta und Grüne gehen ab der nächsten Legislatur getrennte Fraktionswege. Trennungsschmerz? Im Gegenteil.
Seit vergangener Woche ist die Trennung offiziell beschlossen: Auf die nächste Legislatur ist Schluss mit dem Grün-Alternativen Bündnis. Die gemeinsame Fraktion der Grünen Basel-Stadt und der Basta plus ihre gemeinsame Jungpartei Junges Grünes Bündnis (JGB) gibt es ab dem 1. Februar 2025 nicht mehr.
Diese Scheidung hat sich seit Längerem abgezeichnet. Bereits 2022 kündigten die Grünen an, für die Grossratswahlen 2024 mit einer eigenen Liste antreten zu wollen. Ein Schock für die Basta, die mit Unverständnis reagierte. In der Folge mussten sich auch die jungen Grossrät*innen aus dem JGB überlegen, mit welchem «Elternteil» sie weitermachen wollen. Am Ende fiel der Entscheid zugunsten der Grünen Partei, mit der Basta als «Gotti», sprich, JGB-Mitglieder steht offen, bei der Basta zu kandidieren, dann aber nicht als JGB- sondern als Basta-Kandidat*innen.
In Kürze wird diese Trennung auch im Parlament besiegelt, wie die beiden Parteien kürzlich mitteilten. Was ist es eigentlich, was hier zu Ende geht? Was bedeutet es, dass künftig drei statt zwei linke Fraktionen im Grossen Rat für rot-grüne Mehrheiten kämpfen? Was hat die Fraktion in ihrer über 20-jährigen Geschichte erreicht? Das wollten wir von Politiker*innen aus den beiden Parteien wissen.
Fast nur lobende Worte findet Jürg Stöcklin. Er war zweimal Parteipräsident der Grünen Basel-Stadt (1994-1995, 2007-2012) und sass insgesamt 20 Jahre im Grossen Rat. Von 2005 bis 2007 war er Fraktionspräsident des Grünen Bündnisses (das sich später in die heutige Bezeichnung «Grün-Alternatives Bündnis» umbenannte).
«Natürlich gab es immer mal wieder schwierige Diskussionen, das ist normal in der Politik.»Jürg Stöcklin, Grüne
Stöcklin erinnert sich zurück an die Anfänge der Zusammenarbeit im Parlament. 1996 entschlossen sich die beiden Parteien zu einer gemeinsamen Liste für die Wahlen. Wäre dieser Entscheid nicht so ausgefallen, «hätte die Basta den Schritt in den Grossen Rat aufgrund der damaligen Prozentklausel vermutlich nicht geschafft», sagt Stöcklin. Voraussetzung der Zusammenarbeit war auch ein Beitritt der Basta zu den Grünen Schweiz auf nationaler Ebene. Rückblickend eine «Erfolgsgeschichte», findet der alt Grossrat: «Dass Basel zwölf Jahre lang eine rot-grüne Regierungsmehrheit hatte, basierte darauf, dass die Basta und die Grünen damals ihre Kräfte bündelten.»
Von der Zweckgemeinschaft zur Partnerschaft
Und auch wenn Rot-Grün derzeit für eine Rückkehr zu dieser Mehrheit kämpfen muss – der Versuch mit Anina Ineichen wieder in den Regierungsrat einzuziehen ist am Sonntag gescheitert – sieht Stöcklin eine Fortschreibung dieser Erfolgsgeschichte in den jüngsten Entwicklungen im Grossen Rat: «Ein Nebeneffekt dieser Zusammenarbeit ist, dass beide Parteien heute mit einer eigenen Fraktion im Parlament auftreten können.»
Basta wie Grüne ziehen erfolgreiche Bilanzen aus den vergangenen Grossratswahlen, bei denen sie erstmals wieder mit getrennten Listen angetreten sind. Auch punkto Wählerstimmen sieht Stöcklin einen positiven Effekt: «Zusammengenommen gehen beide Parteien gestärkt aus den letzten Wahlen.»
Der heutige Fraktionspräsident Harald Friedl klingt bescheidener. Er ist seit 20 Jahren Mitglied der Grünen und seit acht Jahren im Grossen Rat, zudem war er von 2016 bis 2021 Parteipräsident (am Anfang noch im Co-Präsidium mit Elisabeth Ackermann). Auch er sagt, das Bündnis sei am Anfang «sicher eine Zweckgemeinschaft» gewesen, «aber von heute aus gesehen hatten wir eine gute und langjährige Zusammenarbeit. So haben wir es zusammen mit der SP geschafft, dass Basel in vielen Punkten ein vorbildlicher Kanton ist. Zum Beispiel beim Klima, aber auch bei sozialen Fragen».
«Wir haben es zusammen mit der SP geschafft, dass Basel in vielen Punkten ein vorbildlicher Kanton ist.»Harald Friedl, Grüne
Das bestätigt auch Tonja Zürcher von der Basta. «Sehr präsent ist mir noch die Hafenentwicklung, wo wir dank der Initiative der Juso einen guten Gegenvorschlag erreichen konnten. Und im ökologischen Bereich haben wir mit Basel 2030 und dann 2037 viel erreicht für die Klimapolitik und Vorschläge für die Umsetzung erarbeitet.»
Friede, Freude, Pustekuchen
Harmonisch war es aber nicht immer. Das zeigen nicht nur Medienberichte über Konfliktsituationen in den letzten Jahren (die Schweiz am Sonntag hatte 2014 hier einige der Konfliktlinien herausgearbeitet, z.B. bei der Abstimmung zum Claraturm), sondern auch Gespräche mit Fraktionsvertreter*innen, bei denen früher oder später Sätze fallen wie «Es war ein Auf und Ab» oder «Wir hatten gute und anstrengendere Zeiten».
Für Stöcklin liegt das auf der Hand: «Natürlich gab es immer mal wieder schwierige Diskussionen, das ist normal in der Politik.» Und dann führt er einen Terminus technicus ein, den auch andere Gesprächspartner*innen verwenden, um zu umschreiben, was bei schwierigen Diskussionen passiert: «Reibungsverlust». Anstrengende Diskussionen kosten Zeit und Energie, die anderswo gebraucht werden könnten. «Früher war es nötig, dies in Kauf zu nehmen, um eine Fraktion bilden zu können», sagt Stöcklin. «Heute ist eine gemeinsame Fraktion keine Notwendigkeit mehr für eine Zusammenarbeit.»
«Ich hatte Momente, in denen ich am liebsten schreiend rausgelaufen wäre.»Heidi Mück, Basta
Nicht hinter dem Busch mit Erinnerungen an die schwierigeren Phasen bleibt Basta-Grossrätin Heidi Mück. «Ich hatte Momente, in denen ich am liebsten schreiend rausgelaufen wäre», sagt sie und erinnert sich zum Beispiel an Diskussionen zu den Familiengärten 2022, als SVP und Basta das Referendum gegen die Revision des Familiengartengesetzes ergriffen.
«Oft waren wir im Zwist bei Fragen, wie grüne Politik aussehen soll und inwiefern soziale Aspekte dazugehören.» So auch bei den Freizeitgärten. Die Basta sah insbesondere die Gärten der alteingesessenen Pächter*innen von der Revision bedroht und «die Grünen teilten unsere Sorge nicht. Da verstand ich die Welt nicht mehr», erinnert Mück sich.
Thomas Grossenbacher, der von 2005 bis 2021 Grünen-Grossrat war (und jetzt erster Nachrückender ist), sieht das etwas anders: «Ich erinnere mich, dass Radikalität ein Thema war.» An sich keine Überraschung, trägt die Linkspartei Basta doch stolz den Slogan «radikal menschlich». «Die Basta hat wiederholt kompromisslos argumentiert», erinnert sich Grossenbacher an seine Grossratszeit. «Das hat uns alle sehr herausgefordert.» Dann schiebt er nach: «Einen Kompromiss gefunden haben wir dann doch meistens.»
Sowieso findet er: Die thematischen und inhaltlichen Differenzen seien weniger ins Gewicht gefallen. Die eigentlichen Schwierigkeiten seien eher zwischenmenschlicher Natur gewesen. Einzelpersonen möchte er keine nennen, aber er sagt: «Personell ist es manchmal mühsam geworden. Und dann haben es diese Personen geschafft, uns vor Tatsachen zu stellen, zum Beispiel beim Wohnschutz.»
«Die Basta hat wiederholt kompromisslos argumentiert. Das hat uns alle sehr herausgefordert.»Thomas Grossenbacher, Grüne
Mehr dazu sagen will er nicht. In der Öffentlichkeit ist der ehemalige Basta-Grossrat Beat Leuthardt der lauteste Kämpfer für den Wohnschutz. Er erinnert sich an «keinerlei wirklichen Zoff in Bezug auf Diskussionen über Miet-, Wohn- und Kündigungsschutz». Er erklärt aber auch: «Es gab schon eine Phase in den 2010er-Jahren, in der einzelne Vertreter der Grünen Partei gewisse Wohnschutzaspekte nicht so wohlwollend begleitet haben, wie sie es heute tun. Oder vielleicht muss ich es so sagen: Die Basta wollte eher beim Wohnschutz den Klimaschutz mitdenken und die Grünen eher umgekehrt.» Bezüglich Wohnschutz habe er sich in der Fraktion nicht im Vordergrund gesehen.
Auf eine der grösseren Proben wurde die Zusammenarbeit gestellt, als die Grüne Elisabeth Ackermann bei den Regierungsratswahlen 2020 nicht mehr antrat. Um den grünen Sitz zu behalten, wäre Grossenbacher zusammen mit Thomas Wüthrich in die Kandidaten-Hosen gestiegen. Doch die Basta brachte Heidi Mück vor. Man – die Basta und die SP – wollte eine Frauenkandidatur. Das Ergebnis ist bekannt: Mück scheiterte und die GLP zog mit Esther Keller in die Regierung ein.
Politik unter anderen Vorzeichen
Trotz den Ups und Downs bilanziert Grossenbacher heute: «Auch wenn es immer wieder schwierig war, hat die Zusammenarbeit in der Fraktion insgesamt gestimmt und war auch befruchtend.» Und auch Mück klingt versöhnlich, wenn sie sagt: «In all den Jahren gab es auch Momente, in denen ich alle in der Fraktion sehr gern hatte und die Zusammenarbeit sehr gut funktionierte.» Allgemein nimmt Mück wahr, dass die Fraktion harmonischer geworden ist und erzählt aus dem Nähkästchen: «Früher zu Zeiten der alten Leaderfiguren leisteten sich zum Beispiel Jürg Stöcklin, Guy Morin und Rolf Häring epische Diskussionen an den Sitzungen, bei denen wir alle die Augen verdrehten.» Mit dem Generationenwechsel innerhalb der Parteien habe sich das verändert.
Dass sich die Fraktion jetzt auflöst, bedauert Mück nicht. Im Gegenteil: «Ich bin neugierig und in einer Aufbruchstimmung. Eine eigene Fraktion heisst für mich persönlich auch Politik mal unter anderen Vorzeichen.» In den Gesprächen betonen Basta- und Grüne-Vertreter*innen, dass die beiden Parteien nun pointierter auftreten könnten.
«Wir würden gerne ausprobieren, ob wir Leute von der Parteibasis oder von Bewegungen ausserhalb des Grossen Rats in die parlamentarische Arbeit miteinbeziehen können.»Tonja Zürcher, Basta
Etwas breiter aufgestellt könnte sie sein, die Basler Linke, findet der aktuelle Fraktionspräsident Harald Friedl. «Bei wichtigen Themen hatten wir von Basta und Grünen bisher einen Fraktionssprecher.» Künftig habe jede Partei eine*n eigene*n. Heisst: Beide Parteien kommen mehr zu Wort. Denkbar ist aber auch, dass sich bei gewissen Themen die Diskussionen intensivieren – denn nun müssen die Linken im Parlament unter drei statt zwei Fraktionen ihre Positionen ausmachen. Ganz so nah wie mit einer gemeinsamen Fraktion werden sich die beiden Parteien nicht mehr sein. «Mag sein», sagt Grossenbacher. «Aber Politik bleibt Verhandeln und Kompromisse. Wenn die Bereitschaft der Beteiligten da ist, führt das zum Erfolg.»
Mehr Fraktionen heisst auch mehr bilaterale Gespräche, vielleicht neue Treffen oder Absprachen vor Kommissionssitzungen. Diese Art von Zusammenarbeit kenne man ja schon mit der SP, sagt Tonja Zürcher. Sie sei gespannt auf die Eigenständigkeit der Basta-Fraktion. «Wir würden gerne ausprobieren, ob wir Leute von der Parteibasis oder von Bewegungen ausserhalb des Grossen Rats in die parlamentarische Arbeit miteinbeziehen können. Das machen wir in der Partei bereits, aber wir haben künftig die Gelegenheit, das auch in der Fraktion zu machen.» Sie könne noch nicht abschätzen, wie das genau funktionieren wird.
Fest steht: Die Basta ist in Aufbruchstimmung. Die Grünen sind happy. Und trotz einer gemeinsam gewachsenen und gepflegten Beziehung und einem Mehraufwand für die einzelnen Mitglieder, die sich jetzt die Arbeit auf weniger Schultern aufteilen müssen, wird wohl niemand der gemeinsamen Fraktion hinterhertrauern.