Wohin mit meinem kranken Kind?

Die Kindernotfallstation läuft auf Hochtouren, die Klinik Arlesheim schliesst den Bereich für Kinder- und Jugendmedizin, doch die Gesundheitsdirektion Baselland gibt Entwarnung.

Kinderarzt
Gibt es genügend Kinderärzt*innen in der Region?

Ende Jahr hat die Klinik Arlesheim 1400 Briefe verschickt. Darin informierte die Klinikleitung die Eltern ihrer jungen Patient*innen darüber, dass der Bereich Kinder- und Jugendmedizin geschlossen wird. Vor einigen Jahren, vor der Fusion mit der Lukas Klinik, hiess das Spital noch Ita Wegman Klinik und hatte eine eigene Geburtsklinik. Mit der Schliessung des Bereichs für Kinder- und Jugendmedizin wurde nun der Grundgedanke der anthroposophischen Medizin «Von der Wiege bis zur Bahre» beerdigt. 

Aber, auch wenn die Klinik Arlesheim stark mit der medizinischen Prägung von Rudolf Steiner und Ita Wegman verknüpft ist, war die Ergänzung durch Alternativ- und Komplementärmedizin längst nicht für alle Eltern der ausschlaggebende Grund, diese Klinik für ihre Kinder zu wählen. Mit den sechs angestellten Kinderärzt*innen war die Klinik auch aus praktischen und geographischen Gründen eine geschätzte Anlaufstelle für viele Familien in der Region. 

«Ambulante Medizin in einem stationären Setting zu erbringen ist anspruchsvoll und wirtschaftlich nicht kostendeckend.»
Medienmitteilung der Klinik Arlesheim

Dementsprechend gross fiel die Enttäuschung bei den betroffenen Eltern aus, als die Entscheidung publiziert wurde. In einer Facebook-Gruppe machen sie ihrem Unmut Luft. Eine Mutter hat noch Hoffnung und ruft dazu auf, der Klinikleitung zu schreiben und so die Schliessung doch noch aufzuhalten. 

Entscheidung definitiv

Man habe Verständnis für die Enttäuschung und Angst der Eltern, teilt die verantwortliche Mediensprecherin Sabine Schönenberger mit: «Wir möchten betonen, dass die Entscheidung, die Kinder- und Jugendmedizin zu schliessen, nicht leichtfertig gefällt wurde. Wir sehen die Notwendigkeit einer Versorgung von Kindern und Jugendlichen.» 

Doch der Beschluss klingt definitiv. Der Bereich werde aus finanziellen Gründen geschlossen, heisst es in der Medienmitteilung: «Ambulante Medizin in einem stationären Setting zu erbringen ist anspruchsvoll und wirtschaftlich nicht kostendeckend.» Schönenberger erläutert diese Aussage. Spitalambulatorien seien allgemein nicht wirtschaftlich, weil die ambulanten Tarife, welche 2004 eingeführt wurden, auf die Führung von Einzelpraxen ausgelegt seien.

Hinzu kämen die komplexen Herausforderungen, vor denen Spitäler aktuell stehen. Schönenberger nennt die Tarifentwicklungen, Kostensteigerungen, den Fachkräftemangel und die zunehmenden Regulierungen. 

Kampagne soll Notfallstation entlasten

Die Information über die Schliessung des Bereichs für Kinder- und Jugendmedizin kam in einer Zeit, in der der Druck auf die Kinderärzt*innen in der Region ohnehin schon hoch war. Die Notfallstation des Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB) wurde überrannt, die Wartezeiten wurden immer länger. Mitte Dezember setzte das UKBB sogar Security-Personal ein, um die verärgerten Eltern zu beruhigen. 

Dabei sind dort längst nicht alle Kinder, die im Wartezimmer auf eine Behandlung warten, schwer erkrankt. Die Patient*innen werden in Triagekategorien von 1 (Lebensgefahr, unmittelbarer Behandlungsbedarf) bis 5 (mässige Dringlichkeit) eingeteilt. Die allermeisten kommen wegen Husten, Fieber oder Ohrenschmerzen und entsprechen daher der Kategorie 5. 

Um den Druck von der UKBB-Notfallstation und den ebenfalls ausgelasteten Kinderarztpraxen zu nehmen, haben die Gesundheitsdepartemente von Basel-Stadt und Baselland die Kampagne «Mein Kind ist krank – was tun?» lanciert. 

Kampagne

Die Kampagne «Mein Kind ist krank – was tun?» ist multimedial aufgesetzt, besteht aus einem Flyer, einer Website und verschiedenen Audio-Dateien in 16 Sprachen und soll Eltern unterstützen, je nach Krankheitssituation die richtige Anlaufstelle zu finden. Wer unsicher ist, ob das eigene Kind überhaupt untersucht werden muss, kann sich beispielsweise an die Elternberatung wenden. Wenn ein Kind in Lebensgefahr ist, muss direkt die Ambulanz gerufen werden. Für weniger eindeutige Fälle gibt es die Medizinische Notfallzentrale. Telefonisch stehen dort rund um die Uhr diplomierte Pfegefachpersonen zur Verfügung, die beraten und passende Hilfe vermitteln.

Ob die Kampagne bereits wirkt, ist schwer zu beurteilen. «Aktuell ist der Notfall nicht so stark besucht wie im vergangenen Jahr, als der Ansturm besonders hoch war. Ob das auf die Kampagne der Gesundheitsdepartemente zurückzuführen ist, können wir so pauschal nicht beantworten. Dafür fliessen zu viele Faktoren mit ein», sagt der Mediensprecher der UKBB, Martin Bruni. 

Auch die Gesundheitsdepartemente der beiden Kantone geben an, für ein eindeutiges Fazit sei die Kampagne noch zu jung. Die Sprecherin des Gesundheitsdepartements Basel-Stadt, Anne Tschudin, kündigt aber an: «Wir werden im Frühling mit allen nötigen Partnern wieder einen ‹runden Tisch› durchführen und uns über die Erfahrungen und nötige Optimierungen austauschen.»

Irritation wegen Pensionierung

Gemäss den Aussagen von Raffaela Bernold, Leiterin Kommunikation bei der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion (VGD), müsste der Andrang auf die Kinderarztpraxen eigentlich mässig sein und die Eltern, die wegen der Schliessung in der Klinik Arlesheim nach neuen Kinderärztinnen und -ärzten suchen, müssen sich auch keine Sorgen machen. Sie sagt: «Das Angebot an ambulant tätigen Kinder- und Jugendmedizinern ist nach Berechnungen des Bundesamtes für Gesundheit im Bezirk Arlesheim und der angrenzenden Stadt Basel überdurchschnittlich.»

«Das Angebot an ambulant tätigen Kinder- und Jugendmedizinern ist überdurchschnittlich.»
Raffaela Bernold, Leiterin Kommunikation (VGD)

Wer allerdings auf die Ergänzung durch Alternativ- und Komplementärmedizin setzt, muss abwarten, wohin es die bisherigen Ärztinnen und Ärzte verschlägt. Einer von ihnen, Stephan Sprute, hat bereits eine Lösung gefunden. Er hat Anfang Jahr die Praxis an der Heuwaage von Ilona Pavel übernommen. Die Ärztin wurde pensioniert. Mit der Übergabe der Praxis hat sie bei einigen Eltern Verwirrung ausgelöst. Wie es in der Facebookgruppe für Basler Mütter zu lesen ist, wussten einige lange nichts davon, dass Pavel ihre Tätigkeit niederlegt, obwohl ihre Kinder bei ihr in Behandlung waren. Für weitere Auskünfte war die neue Leitung in der Praxis nicht zu erreichen* (Update). 

__________

*Update vom 15.02.2024: In einer älteren Version des Artikels hiess es, die «Praxis an der Heuwaage» sei nicht erreichbar gewesen. Da diese Formulierung nicht ganz eindeutig war, haben wir sie präzisiert. Für die Missverständlichkeit bitten wir um Entschuldigung.

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