Die Initiative, die keine Harmonien fand
Die Musikvielfaltinitiative wurde deutlich abgelehnt. Sie kam trotz lautstarken Kampagnen nicht gegen die Gegner*innen an und verharrte innerhalb der eigenen Bubble. Am Ende siegten die Angst und die Kulturskeptiker*innen.
Ein einsames, monotones Klavierkonzert, bei dem in Dauerschleife nur ein einziger Ton gespielt wird, eine schwarze Achtelnote, die von einem weissen Blitz zerrissen wird. Es waren starke Bilder, die sowohl das Pro- als auch das Contra-Lager der Musikvielfaltinitiative im Abstimmungskampf verwendet haben. Dieser Kampf ist nun beendet. Die Schlussresultate zeichnen ein eindeutiges Bild: 35,64 Prozent Ja und 64,36 Prozent Nein-Stimmen.
Die Vorlage konnte nicht überzeugen, trotz der lauten und bunten Kampagnen, trotz der vielen Kulturschaffenden, die sich hinter die Initiative stellten und trotz dem Interpretationsspielraum, den die Initiant*innen offenliessen – oder vielleicht genau deshalb. Zeit, einen Blick zurückzuwerfen.
Es formierte sich kein gemeinsames Crescendo, sondern zwei lautstarke Trompetensoli, die kein gutes Haar aneinander liessen.
Der Plan war, eine Debatte loszutreten; über die prekären Arbeitsbedingungen in der Szene und die althergebrachten Förderstrukturen. Damit sich das Anliegen nicht unbeachtet im ewigen Gleichklang der immer wiederkehrenden Bitten nach mehr Kulturfördergelder einreiht, hat man beschlossen, ordentlich Reibung zu erzeugen. Wo es Reibung gibt, gibt es auch Energie und die braucht es schliesslich, wenn man die etablierten Strukturen ins Wanken bringen möchte.
Deshalb liess die Initiative offen, ob mehr Geld für die gesamte Musikszene oder eine Umverteilung zulasten der Institutionen, die freien Musikschaffenden aus ihrem Prekariat befreien soll. Die Institutionen – allen voran das Sinfonieorchester – bekamen Angst. Warum sollte nun dieser einzige Ort, der Musiker*innen eine Festanstellung bietet, infrage gestellt werden? Warum wollen die freischaffenden Musiker*innen ihren hart arbeitenden Kolleg*innen etwas wegnehmen?
Der Plan der Initiant*innen, Reibung zu erzeugen, war aufgegangen. Allerdings formierte sich aus der entstehenden Energie kein gemeinsames Crescendo, sondern es entstanden zwei lautstarke Trompetensoli, die kein gutes Haar aneinander liessen.
Bei der Musikvielfaltinitiative zeichnet sich ein deutliches Nein ab. Die Initiant*innen sind trotzdem froh, einen Stein ins Rollen gebracht zu haben und hoffen, dass die Mobilisierung dennoch Früchte trägt. Zwei Gespräche.
Das Nein-Lager prophezeite den Untergang der Musikstadt Basel und die Initiant*innen versuchten die steigende Angst der Klassikfreund*innen und der selbst nicht gerade finanzkräftigen Institutionen in Schach zu halten – letzteres allerdings eher halbherzig. Immer wieder wurde betont, dass man sich bei einer Annahme der Initiative für eine Aufstockung des Musikbudgets einsetzen würde, aber – und das liess das Vertrauen wieder schweden – nicht ohne zu betonen, dass eine Umverteilung der Gelder auch ohne Aufstockung möglich sein müsste. Schlussendlich hat sich gezeigt, dass die Angst, Bekanntes zu verlieren, hier gesiegt hat und das Vertrauen, bei einer Annahme der Initiative, eine Lösung zu finden, die der gesamten Szene hilft, nicht ausreichend verbreitet werden konnte.
In der Annahme, dass Regierung und Parlament die etablierten klassischen Orchester sicher nicht hängen lassen würden, wollte das Initiativkomitee die Institutionen vor den Karren spannen und mit vereinten Kräften für mehr Fördergelder kämpfen – aber die Provokation war zu gross. Die Institutionen spielten nicht mit.
Die Gegner*innen der Musikvielfaltinitiative freuen sich über das deutliche Nein und kritisieren die Strategie der Initiant*innen. Zwei Stimmen aus dem Contra-Lager.
Was neben all dem allerdings auch eine nicht allzu kleine Rolle spielt, ist die Tatsache, dass dieser Abstimmungskampf zwar lautstark vonstatten ging, allerdings in einer relativ kleinen Bubble verharrte. Als Bajour Anfang November die Frage des Tages stellte, welche Abstimmungsvorlage die Leser*innen am stärksten bewegt, erhielt die Musikvielfaltinitiative neben Rheintunnel und Einwohner*innenstimmrecht die wenigsten Stimmen. Auch wenn diese Umfrage nicht repräsentativ ist, zeigt sie, dass die Initiative kaum über die Kulturszene hinaus mobilisierte. Und wer sowieso nicht gerade kulturaffin ist, stimmt einer Aufstockung des Budgets – durch Steuergelder – nicht zu, egal ob es Rapperinnen oder klassischen Cellisten zugute käme.
Nach all der Reibung der letzten Monate waren am Wahlsonntag nach Verkündung der Resultate erstmals auch wieder versöhnende Stimmen zu hören. Wenn Johannes Sieber, GLP-Grossrat und Vertreter des Nein-Komitees sagt: «Wir können durchaus die Impulse aus dem Ja-Komitee mitnehmen – die waren ja zum Teil sehr positiv – und Gespräche weiterzuführen» und seine Komitee-Kollegin Annina von Falkenstein einwirft: «Ich bin überzeugt, dass dieser Abstimmungskampf auch am Präsidialdepartement nicht spurlos vorbeigegangen ist und dass die Begehren, die seitens IG-Musik geäussert wurden, dort zumindest teilweise aufgenommen werden», kann davon ausgegangen werden, dass die ganze entstandene Energie nicht ergebnislos verpufft. Wer weiss, vielleicht entsteht ja noch ein Unisono.