Der Rheintunnel im Überblick

Der geplante Ausbau der Autobahn A2 bewegt die Region Basel – das hier bekannte Stichwort: Rheintunnel. Fakten und Fragen dazu im Überblick.

Rheintunnel Illustration
Eine Röhre unterm Fluss durch. Am 24. November stimmt die Schweiz darüber ab, ob in Basel der Rheintunnel gebaut werden soll. (Bild: Collage: Bajour)

Um welche Abschnitte geht’s?

Am 24. November stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung über den «Ausbauschritt 2023» der Nationalstrassen ab. Konkret geht es um sechs verschiedene Autobahn-Abschnitte, die ausgebaut werden sollen. Neben dem Rheintunnel sind das Spurerweiterungen und neue Tunnelröhren bei Bern, St. Gallen, Schaffhausen und Genf. 

Was soll der Autobahnausbau? 

Der Bund will die Nationalstrassen ausbauen, um Engpässe zu beheben. Denn seit 1990 hat sich der Vekehr auf diesen Strassen gemäss Bundesamt für Strassen (ASTRA) mehr als verdoppelt. Die Folge: Stau – und Ausweichverkehr, der den Stau auf Strassen durch Wohngebiete umfährt. Allein zwischen 2016 und 2023 hat sich die Anzahl Staustunden in der Schweiz fast verdoppelt. Und auch die Prognosen zeigen nach oben: Das ASTRA rechnet bis 2050 bei einem «Weiter-wie-Bisher»-Szenario mit 22 Prozent mehr Verkehr auf den Autobahnen. Der Ausbau der Nationalstrassen soll deshalb mehr Kapazitäten schaffen, Staus verhindern und den Ausweichverkehr zurück auf die Autobahnen holen. So könnte die Sicherheit im Strassenverkehr und die Lebensqualität der Anwohner*innen verbessert werden.

Was ist der Rheintunnel?

Häufig wird von «dem Rheintunnel» gesprochen. Tatsächlich würden mit dem Projekt aber mehrere Tunnels entstehen, insgesamt ein rund 9.7 Kilometer langes System von verschiedenen Tunnelabschnitten. Als «Kernstück» bezeichnet der Bund zwei jeweils zweispurige Tunnels (Rheintunnel West und Ost), die mindestens 24 Meter unter der Wasseroberfläche des Rheins durchführen sollen – daher der Name. Die Tunnels sollen die Verzweigung Hagnau und den Schwarzwaldtunnel beim Badischen Bahnhof unterirdisch verbinden – so dass man von Muttenz bzw. von Deutschland oder Frankreich her kommend nicht mehr via Osttangente fahren müsste. Bei Muttenz entstünde auf der A2 ein neuer Abzweiger Richtung Birsfelden, wo ein Tunnelportal an der Waldeckstrasse gebaut würde. Beim Badischen Bahnhof in Basel wären die Tunnels dann an die Autobahnverbindungen nach Deutschland und Frankreich angeschlossen. Von Frankreich oder Deutschland her kommend würden die neu gebauten Tunnelabschnitte Wiese (hinter dem Stücki) und Klybeck (ab der Dreirosenbrücke) Richtung Augst unter der Erde nach Birsfelden führen.

Karte Rheintunnel
So würde der Rheintunnel verlaufen (rote Linie) (Bild: ASTRA/Auflageprojekt Rheintunnel)

Warum wird auf nationaler Ebene abgestimmt, ob in Basel der Rheintunnel gebaut werden soll oder nicht?

Der Bund ist verantwortlich für die Nationalstrassen in der Schweiz – und dazu gehört auch die A2 in der Region Basel. Der Bund legt geplante Ausbauschritte der Nationalstrassen jeweils dem Parlament vor. Dieses hat den Ausbau gutgeheissen. Weil eine Allianz von verschiedenen Organisationen unter der Federführung des Verkehrsclubs Schweiz (VCS) aber das Referendum gegen die Pläne ergriffen hat, gehört das letzte Wort jetzt der Stimmbevölkerung.

Wie schlimm ist der Stau auf der Osttangente?

Wer regelmässig über die Osttangente fährt – oder da wohnt – weiss: Unchillig. Die Strecke ist eine der  meistbefahren der Schweiz und Gemäss ASTRA gab es im Jahr 2022 je nach Richtung und Abschnitt 600 bis 1000 Staustunden, also zwei bis drei Staustunden täglich. Verschiedene Pläne sind seit langem in Diskussion, um dieses Verkehrsnadelöhr zu entlasten.

Wie ist das Projekt zustande gekommen?

Ursprünglich sah der Bund zur Behebung der Stausituation auf der Osttangente eine Spurerweiterung vor. Diese Pläne scheiterten allerdings an breitem Widerstand aus der lokalen Bevölkerung und der Politik. Basel und der Bund suchten nach anderen Lösungen, 2013 war eine Tunnellösung zwischen Schwarzwaldtunnel und Gellertdreieck auf dem Tisch, genannt «Bypass-Ost-Tunnel», 2014 legte das ASTRA darauf aufbauend «Rheintunnel»-Pläne vor. Nach weiteren Abklärungen und Entwicklungen des Projekts sagte der Bundesrat 2020 Ja zum Projekt, über das jetzt im November abgestimmt wird. Das Parlament gab 2023 grünes Licht.

Wie argumentiert das Referendumskomitee?

«Wer Strassen säht, wird Stau ernten.» Dieser einprägsame Satz ist eines der Hauptargumente der Gegner*innen. Dass mehr Strassen zu mehr Verkehr führen, belegen auch diverse Studien. Kurzfristig würden die ausgebauten Autobahnen zwar Entlastung bringen – mittel- und langfristig entstehe dadurch aber mehr Verkehr. Die Verkehrsprobleme würden mit dem Ausbau deshalb verschärft statt gelöst. Ebenfalls zunehmen würden Lärm und Emissionen. Zudem braucht der Bau der Projekte Land: Insgesamt gehen 40’000 Quadratmeter (40 Hektare) Landwirtschafts- und Grünflächenfür den Autobahnausbau verloren. Eine Petition von 340 Verkehrsexpert*innen kritisiert, dass der Vorlage die gesamtverkehrliche Perspektive fehle.

Sara Murray Rheintunnel
Pro-Kommentar von Sara Murray

Mitte-BS-Co-Präsidentin Sara Murray wird am 24. November für den Ausbau der Nationalstrassen stimmen – weil sie findet, dass die Region Basel den Rheintunnel braucht. Ihr geht es dabei vor allem um die Entlastung der Quartiere.

Zum Pro-Kommentar

Wie viel kostet der Rheintunnel?

Insgesamt rechnet der Bund mit Kosten von 4,9 Milliarden Franken für all die genannten Autobahn-Projekte. Der grösste Teil dieser Kosten entsteht beim Rheintunnel: Er soll 2,6 Milliarden Franken kosten (mit diesem Geld könnten alle Einwohner*innen Basels und Birsfeldens 17 Jahre lang gratis ÖV fahren, rechnet das Anti-Rheintunnel-Kommitee «Jetzt wenden» vor). Bezahlt werden die Projekte aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF). Das Geld in diesem Fonds stammt von den Autofahrer*innen: aus Verkehrsabgaben wie der Automobilsteuer, der Autobahnvignette oder dem Mineralölsteuerzuschlag. 

Wie lange würde der Bau des Tunnels dauern?

Der Bund rechnet mit einer Bauzeit von etwa 10 Jahren. Frühestmöglicher Baubeginn wäre gemäss ASTRA 2029, die frühestmögliche Eröffnung ist für 2040 vorgesehen.

Was passiert mit den betroffenen Grünflächen? Vom Rheintunnel betroffen wären knapp 3,6 Hektar Wald im Bereich des Hardwalds. Dabei sind rund 1,95 Hektar «temporäre Rodungen», das heisst, nach der Bauzeit würde gemäss ASTRA «an Ort und Stelle» wieder aufgeforstet. Rund 1,65 Hektar müssten permanent gerodet werden, dafür würde andernorts Wald in sogenannten «Ersatzaufforstungen» gepflanzt. Zum Teil werden auch bestehende Waldflächen an die Ersatzaufforstung angerechnet oder Flächen dafür «zu Wald erklärt».

In Basel, Muttenz und Birsfelden müssten Familiengärten aufgrund des Rheintunnels und/oder den dafür benötigten Baustellen weichen – zum Teil temporär (bis zu neun Jahre), etwa 150 Familiengärten würden dauerhaft wegfallen. Während Basel-Stadt den betroffenen Pächter*innen Ersatz bieten muss, ist der Kanton Basel-Landschaft nicht dazu verpflichtet. 

Auch die Dreirosenanlage in Basel wäre vom Tunnelbau betroffen: Sie würde während der Bauzeit für die Baustelle genutzt. Dafür soll es Ersatz geben, wie der Kanton und ASTRA nach einer Testplanung skizziert hatten. So will der Basler Regierungsrat «im Umkreis der Dreirosenbrücke Grün- und Freiraum schaffen», der auch nach Abschluss der Bauarbeiten bestehen bleiben soll. Die gesamte Rheinpromenade soll umgestaltet und zum Klybeck-Quartier hin geöffnet werden. Aus Sicht der Planer*innen ist die Umgestaltung ein Flächengewinn.

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Contra-Kommentar von Florence Brenzikofer

Der geplante Autobahnausbau ist ein «überteuertes Megaprojekt aus der Schublade von vorgestern», schreibt die Baselbieter Grünen-Nationalrätin Florence Brenzikofer. Mit einem Nein würden Ressourcen frei für die Entwicklung des Bahnnetzes – auch in der Region Basel.

Zum Contra-Kommentar

Was geschieht mit der Osttangente? Das ist derzeit noch unklar. Besonders die Basler SP fordert, dass die Osstangente nach der Fertigstellung des Rheintunnels rückgebaut wird – zumindest in Teilen. Der Regierungsrat hatte 2023 das ASTRA dazu gebracht, in einer Studie zu prüfen, was die Auswirkungen eines Rückbaus und einer Temporeduktion auf 60km/h wären. Letztere hatte der Regierungsrat in vergangenen Jahren bereits mehrfach beim ASTRA gefordert – vergeblich. 

Andere Lärmschutzmassnahmen wurden bereits 2020 vom Basler Parlament beschlossen. Seither wurden in verschiedenen Liegenschaften mit Beteiligung des Kantons Schallschutzfenster eingebaut. Lärmschutzwände wurden bisher allerdings keine errichtet, entsprechende Projekte laufen noch, wie Baudirektorin Esther Keller im September 2024 in der Beantwortung einer Interpellation erklärte.

Klar ist bereits heute, dass unabhängig vom Volksentscheid zum Rheintunnel auf der Osttangente etwas geschehen muss. Sie ist schon länger sanierungsbedürftig und im Rahmen eines «Erhaltungsprojekts» laufen diverse Massnahmen

Wird es dann weniger Verkehr in Basel haben?

Kurz gesagt: Nein. Der Bund rechnet bis 2050 schweizweit mit einer Zunahme des Strassen- und Schienenverkehrs – ob mit oder ohne Rheintunnel. Aus Sicht der Behörden und der Befürworter*innen bringt er mehr Kapazitäten, wo die Strassen heute überlastet sind, und eine Verlagerung des Verkehrs. Aus Sicht der Gegner*innen führt er zu einer Verkehrszunahme (siehe Frage zu den Argumenten des Referendumskomitees oben).

Was passiert, wenn die Abstimmung national angenommen wird, aber Basel sie ablehnt?

Eigentlich ist der Fall klar: Da der Bund verantwortlich für den Rheintunnel ist, zählt, was die Schweizer Stimmbevölkerung dazu sagt. Das hielt auch der zuständige SVP-Bundesrat Albert Rösti gegenüber Prime News fest: «Die schweizerische Bevölkerung ist entscheidungsbefugt. Bei einem Ja des Schweizer Volks würde der Tunnel gebaut.» Sollte am 24. November die Grüne Anina Ineichen in den Regierungsrat gewählt werden, würde das die Mehrheitsverhältnisse innerhalb des Gremiums verändern. Ebenfalls gegenüber Prime News stellt die Grüne-Kandidatin in Aussicht, dass sie sich als potenzielles Regierungsmitglied gegen den Bau des Rheintunnels einsetzen würde. «Auf die Barrikaden gehen würde ich als Mitglied einer Kollegialbehörde aber nicht», ergänzt sie. 

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Kommentare

d162d4f4-15b4-4db3-a2fa-3851c8e39ec2
Axel Schubert
Dipl.-Ing. Arch, Stadtplaner / Dozent Nachhaltigkeit

Klima: auch bei bajour nur grosses Schweigen

Wie klug ist ein Weiter-So und ein Mehr von genau dem, was uns mit in die Krise geführt hat? Bajour spart den Kontext der Erderhitzung komplett aus. Das ist, was Sozialwissenschaft mit "Meta-Silence" beschreibt. Komplett unverständlich, wie entkontextualisiert der Beitrag ist. Gerade weil die Gegner*innen dies thematisieren, die PR-Agenturen des ASTRA, Regierung, ProKomitee etc. aber meiden, wie der Teufel das Weihwasser. Sich so klar auf eine Seite zu schlagen, enttäuscht und irritiert mich als noch-bajour-Unterstützer extrem. Denn es ginge darum, Heimat zu schützen, Schöpfung zu bewahren, solidarisch mit jenen zu sein, die unter den Folgen der Erderhitzung leiden, v.a. unsere Kinder und Kindeskinder und darum, ihre Freiheitsvoraussetzungen zu sichern. Zudem ist der Rheintunnel klimapolitisch schöngerechnet. Und ganz viel spricht gegen ihn, was oben nicht dargestellt: Manifest gegen den Rheintunnel, mit Erläuterungen: https://klimaverantwortungjetzt.ch/manifest-gegen-den-rheintunnel/

Beat Mettler
12. November 2024 um 10:35

Ein "Weiter-wie-Bisher" in der einseitig ausbauorientierten Verkehrspolitik wäre kontraproduktiv.

Der Nutzen ist zweifelhaft: kaum Entlastungswirkung in Anbetracht des prognostizierten Verkehrswachstums. Ausbauten an "nur" einer Stelle werden unwiderruflich weiträumige Auswirkungen haben. So rechnet man damit, dass der LKW- Nord-Sued-Transit massiv ansteigen wird. Weiter gilt der 8-Spurausbau Hagnau-Augst für weitere 1,2 Mia als gesetzt. Ein weiterer Ausbau der N 18 zwischen Aesch und Delemont wird geplant. Weiter werden sämtliche flankierende Massnahmen auf untergeordnetem Straßennetz am Kanton Basel-Stadt hängen bleiben, welcher sich gleichzeitig mit dem Widerspruch zu seinen Reduktionszielen für den motorisierten Individualverkehr konfrontiert sieht. ... und dies just zu einem Zeitpunkt, da wir unsere beschränkten Ressourcen auf anstehende Parforce-Leistung für eine Wende hin zu Elektrifizierung, neuen Konzepten wie Mobility Pricing und Shared Mobility konzentrieren sollten. Die Schweiz könnte da mit ihren guten Infrastrukur-Voraussetzungen eine Pionierrolle übernehmen.

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Axel Schubert
Dipl.-Ing. Arch, Stadtplaner / Dozent Nachhaltigkeit

ASTRA: keine Entlastung auf untergeordnetem Netz

- ASTRA: Der Rheintunnel belastet (!) das untergeordnete Netz (Kosten-Wirksamkeits-Analyse; Indikator VQ6) - Gemäss Umweltverträglichkeitsbericht Rheintunnel (Abb.72) gibt es KEINE wahrnehmbare Lärmveränderung auf der Osttangente (Breite/Gellertdreieck). - und das, obwohl der Mehrverkehr, der sich über die Zeit einstellt, vom ASTRA erst gar nicht modelliert wurde, es wurde nur fix aufs Jahr 2040 geschaut. (eNISTRA) - graue Emissionen des Baus sind nicht abgebildet, die Klimaschadensfolgekosten um ca. Faktor 10 zu tief eingestellt, die Wichtung des Themas Klima vom ASTRA viel zu tief gesetzt (ohne, dass hierüber jemals eine politisch Debatte erfolgte) - Sollen Breite und Birsfelden noch mind. 16 Jahre warten? Wirklich? Die Quartiere haben heute schon Massnahmen verdient, zB temporäre Durchfahrtssperren für Nichtanlieger*innen. Klare Kritik auch von Fachleuten: BSA Schweiz, BSLA-Nordwestschweiz, Verkehrsprofessor*innen etc. U.a. wegen all dem: ein ganz klares NEIN am 24.11.