«Kooperationen mit der Jungen Tat gehen mir auf die Nerven»
Der SVP-Ständeratskandidat Pascal Messerli über zu viele Ausländer*innen und zu wenige Fachkräfte, und weshalb er die Distanz zu Extremist*innen und die Nähe zu Joël Thüring sucht.
Pascal Messerli ist in Riehen aufgewachsen und arbeitet heute als Anwalt. Seit knapp einem Jahr ist er Präsident der SVP Basel-Stadt. Messerli politisiert seit 2017 im Grossen Rat und ist Mitglied in der Umwelt-, Verkehrs- und Energiekommission (UVEK) und in der Bau- und Raumplanungskommission (BRK). Seine Partei schickt ihn als einzigen SVP-Vertreter aus Basel-Stadt ins Rennen für die Ständeratswahlen.
Herr Messerli, legen wir los. Ich bin Ihr Wahlkampfthema. Ich bin Ausländerin und lebe seit drei Jahren in der Schweiz. Bin ich aus Ihrer Sicht eine richtige oder eine falsche Ausländerin? Und gibt es von mir zu viele?
Es geht nicht darum, einzelne Menschen als richtig oder falsch zu klassifizieren – es geht darum, dass wir eine masslose Zuwanderung haben und gegen die 10-Millionen-Schweiz sind. Und darum, dass wir Kriminalität bekämpfen wollen. Jeder, der integriert ist, gilt für uns nicht als falsche Ausländerin.
Masslose Zuwanderung? Aus Sicht der Wirtschaft kommen viel zu wenige. Wo sollen die Arbeitskräfte sonst herkommen, wenn nicht aus dem Ausland? Sie handeln vor lauter Fremdenfeindlichkeit gegen die Interessen der Wirtschaft.
Die SVP hat nicht gesagt, es soll gar keine Zuwanderung stattfinden. Es soll eine massvolle Zuwanderung stattfinden, vielleicht in der Grössenordnung von 30’000 oder 40’000 im Jahr und nicht 80’000.
Wenn Ihnen Zuwanderung nicht zusagt, wie wärs mit einer familienfreundlicheren Politik durch die SVP? Finden Sie es im Moment attraktiv, in der Schweiz eine Familie zu gründen und arbeiten zu gehen?
Ich denke schon, dass wir attraktiv sind. Wir haben ein tolles Bildungsangebot, wir haben auch gewisse Angebote im Bereich Betreuung und Tagesstrukturen. Wenn es da Wünsche gibt, das auszuweiten, kann man dem schon mit dem entsprechenden Angebot nachkommen.
Auch mit Gratis-Kitas?
Nein, ich bin gegen Gratis-Kitas, davon profitieren ja auch die Gutverdienenden. Jeder soll für sich schauen, was für ihn das richtige ist.
Es lohnt sich für manche aber nicht, dass beide Eltern arbeiten, wenn die Kita-Kosten ein Drittel oder mehr des Einkommens auffressen.
Bei den Kita-Gebühren haben wir in Basel-Stadt ein System ähnlich zu den Prämienverbilligungen: Ab einem gewissen Einkommen bekommt man Subventionen für die Kita-Beiträge. Diese gehen viel weiter als die Krankenkassenprämien, selbst bei einem Jahreseinkommen von 120’000 Franken erhält man Subventionen. Hier wehre ich mich dagegen. Über die Erhöhung der Subventionen im Bereich der unteren Einkommen kann man aber ruhig reden.
Stichwort «Sauhaufen». Sie gelten als moderater Vertreter der SVP …
Die Rolle als moderater SVP-Politiker geben mir andere. Ich stehe nicht am Morgen auf und sage, heute bin ich besonders moderat oder heute bin ich ein Hardliner.
Was regt Sie denn im Moment mehr auf: Dass ein verurteilter Rechtsextremist die Wahlwerbung macht für die Junge SVP im Thurgau oder dass sich der SVP-Präsident Marco Chiesa mit Mitgliedern einer rechtsextremen Gruppe im Parlament fotografieren lässt?
Es geht mir wirklich auf die Nerven, dass wir teilweise mit der Jungen Tat kooperieren. Man kann nicht die ganze Zeit eine Law-and-Order-Partei sein und dann mit Leuten kooperieren, die ständig Straftaten begehen.
Bei Ihnen hätte es das nicht gegeben?
In Basel-Stadt hat die SVP null Toleranz gegenüber der Jungen Tat. Das habe ich auch ganz klar intern kommuniziert und das wurde auch zuvor im Vorstand einstimmig gutgeheissen.
Und das Foto von Chiesa ist für Sie unproblematisch?
Als Bundesparlamentarier kann man nicht bei jedem Menschen, der ein Foto machen will, zuerst eine Hintergrundanalyse machen.
Finden Sie die SVP distanziert sich zu wenig von Rechtsextremist*innen?
Ich habe nicht die Kompetenz über die SVP Schweiz, das muss die SVP Schweiz für sich regeln. Ich habe meinen Weg in Basel gefunden, dass bei uns zu der Jungen Tat eine Nulltoleranz herrscht und das würde ich auch in allen Gesprächen und internen Diskussionen so vertreten.
«Man kann nicht die ganze Zeit eine Law-and-Order-Partei sein und dann mit Leuten kooperieren, die ständig Straftaten begehen.»Pascal Messerli
In Luzern und Solothurn ist die SVP Listenverbindungen mit Massvoll eingegangen, an deren Spitze Nicolas Rimoldi steht. Jemand, der sich nicht unbedingt distanziert von rechtsextremen Symbolen. Am Ende müssen Sie sich dafür auch hier in Basel-Stadt rechtfertigen. Denken Sie nicht manchmal, «Ich schmeiss den Bettel hin»?
Nein, ich habe sehr grosse Freude an der kantonalen Politik in Basel, und mein Leben geht auch weiter, wenn ich nicht Ständerat werde. Für uns ist es nicht infrage gekommen, mit Massvoll eine Listenverbindung zu machen, auch, weil ich die Leute nicht kenne. Und ja, Rimoldi ist nicht gerade einer, der den politischen Stil pflegt, den wir hier in Basel-Stadt wollen.
In Basel-Stadt führt die Strahlkraft der nationalen SVP dazu, dass der bürgerliche Schulterschluss nicht funktioniert. Ärgert Sie das?
Für mich sind diese Listenverbindungen ein reines taktisches Mittel, eine reine arithmetische Frage …
Es geht nicht nur um die Listenverbindungen, sondern auch um problematische Äusserungen, von eher extremen Leuten wie Andreas Glarner.
Ja, die anderen Bürgerlichen schieben es dann auf das. Raoul Furlano von der LDP will den zweiten Sitz. Den würden sie nicht bekommen, wenn sie mit uns eine Listenverbindung hätten – weil die SVP dann innerhalb der Listenverbindung zu stark wäre und selbst einen Sitz holen könnte. Das gleiche gilt für die anderen Parteien: Baschi Dürr möchte Nationalrat werden, Balz Herter möchte Nationalrat werden. Sie werden beide sicher nicht gewählt, wenn sie mit uns eine Listenverbindung eingehen würden. Die einzige Chance, die sie noch haben, ist, mit der GLP eine Listenverbindung einzugehen, um gegen Rot/Grün den zweiten Sitz zu beanspruchen und in einem zweiten Schritt stärker zu sein als die GLP.
Apropos extremere Leute. Joël Thüring aus ihrer Fraktion ist schon häufiger für Aussagen unter der Gürtellinie in die Kritik geraten. Würden Sie ihm manchmal gern den Twitter-Account wegnehmen?
Es ist nicht alles extremistisch, was Bajour als extremistisch empfindet. Ich stehe felsenfest hinter Joël Thüring. Er macht hervorragende Arbeit, seit vielen Jahren im Grossen Rat.
Kürzlich fiel er mit einer fremdenfeindlichen Aussage an einer Pressekonferenz auf und entschuldigte sich erst, als eine Tonaufnahme vorgelegt wurde.
Er hatte beim Ablesen die Themen Kriminaltourismus und generelle Asylpolitik miteinander vermischt, weil er in den Zeilen verrutscht ist. Wir distanzieren uns von jeder Form von Rassismus und Diskriminierung.
Was möchten Sie als moderater SVPler noch angehen?
Die Infrastrukturprojekte für die Region Basel müssen vorangetrieben werden. Namentlich das Herzstück, aber auch der Rheintunnel oder auch der Zubringer Bachgraben. Wir wachsen ja ins Unermessliche und wir müssen auch diese infrastrukturellen Aufgaben bewältigen. Wir müssen in Bern besser lobbyieren: Zürich ist uns im Bereich S-Bahn wahrscheinlich um 30 Jahre voraus.
S-Bahn? In Ihrem Smartvote steht, Sie würden weniger in den öffentlichen Verkehr investieren wollen. Wie passt das zusammen?
Es gibt durchaus Bereiche, die man durch Synergien verbessern kann. Für unsere Region müssen wir schauen, dass wir ausbauen können.
Es ist höchst fraglich, ob die Autopartei SVP auf nationaler Ebene solch teuren ÖV-Projekten zustimmen würde.
Deshalb wäre es ja auch prima, wenn ich als Vertreter von einer Stadt in der grössten Bundeshausfraktion Mitglied werde. So könnte ich mit Diplomatie diesen Stadt-Land-Graben etwas schliessen und erklären, dass ländliche Anliegen durchaus auch städtische Anliegen sein können. Albert Rösti, den Vorsitzenden des Verkehrsdepartements, kenne ich seit Jahren – dieser direkte Draht könnte auch wichtig sein, um etwas zu bewirken.
Albert Rösti ist auch Energie- und Umweltminister. Was ist Ihr Plan für die Energieversorgung in der Schweiz? Und kommen Sie jetzt nicht mit AKWs.
Wir haben angefangen, über Denkverbote zu sprechen, namentlich bei der Kernkraft. Da wollte man ja 2012 am besten sofort aussteigen. Jetzt sagt aber auch eine ETH-Studie, dass es ohne Atomkraft überhaupt nicht mehr geht.
Die Wissenschaftler*innen der von Ihnen erwähnten Studie haben explizit erklärt, dass die Aussage nicht ist, dass es ohne Kernkraft nicht geht. Aber der Atomausstieg entspricht dem Volkswillen. Und selbst Ihr Energieminister hält die Diskussion für kontraproduktiv.
Weltweit werden überall mehr AKWs gebaut als abgebaut – sogar die Sozialdemokraten in Finnland machen das mittlerweile.
«Mein Leben geht auch weiter, wenn ich nicht Ständerat werde.»Pascal Messerli
Ein weiteres Thema, das derzeit virulent ist, sind die steigenden Krankenkassenprämien. Es betrifft alle Menschen in der Schweiz, manche mehr, manche weniger. Was wollen Sie dagegen tun?
Ich bin gegen eine gänzliche Abschaffung des Obligatoriums, wie es die Zürcher SVP-Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli fordert. Aber man muss diesen Leistungskatalog überdenken. Möglicherweise führen wir eine Generikapflicht ein und streichen gewisse Leistungen. Man muss auch das Hausarztmodell mehr fördern und mal schauen, dass wir mehr Hausärzte haben – in Riehen, wo ich aufgewachsen bin, folgen auf die älteren Ärzte keine neuen, weil der Beruf zu wenig attraktiv ist. So gehen kostengünstige Behandlungen verloren und Leute gehen zu schnell in den Notfall. Das sind Kostentreiber. Da müssen wir Lösungen finden, gerade für den Mittelstand.
Was ist mit Prämienverbilligungen?
Im Kanton Basel-Stadt haben wir dieses Modell. Ich wehre mich nicht dagegen, wir haben das mitgetragen bei den Steuerreformen. Es gibt aber auch Menschen, die von den Prämienverbilligungen nicht profitieren, weil sie knapp über dem Referenzeinkommen sind – dort wollen wir Steuersenkungen vorantreiben, weil man die Krankenkassenprämien voll von den Steuern abziehen kann.
Davon profitieren gerade die weniger Verdienenden kaum, weil die Steuern vom Gehalt prozentual gar nicht so viel ausmachen. Wäre das der richtige Ansatz, um den unteren Mittelstand zu entlasten?
Ich denke schon, dass steuerliche Entlastungen sinnvoll sein können. Das haben wir auch immer wieder bei den Steuervorlagen gesehen. Selbstverständlich werden auch Leute mit besserem Einkommen entlastet, aber auch hier möchten wir ja steuerlich attraktiv sein.
Die Einheitskasse wäre für Sie keine Option?
Es hat ja auch schon diese Volksabstimmung gegeben vor vielen Jahren: Da war das Nein klar. Allein schon die Umstrukturierung von den ganzen Kassen zu einer Einheitskasse kostet bereits mehrere Milliarden.
Wie senkt man dann die Kosten?
Wir müssen mit der überregionalen Spitalplanung Synergien schaffen. Man muss vielleicht auch das eine oder andere Spital schliessen und nicht überall die gleichen Leistungen anbieten. Bei den höheren Einkommen braucht es vielleicht gar kein Obligatorium. Jemand, der über 150’000 verdient, wird ja nicht ruiniert, wenn er mal 10’000 bezahlen muss.
Ein Spital in Basel schliessen? Das wird politisch schwer durchsetzbar.
Wir haben hier ein grosses Angebot, das ist ja auch gut, das schafft Wohlstand und die Menschen wollen nicht darauf verzichten. Mit einer überregionalen Spitalplanung könnte man das Überangebot senken, ohne dass es für die Bevölkerung einen grossen Leistungsabbau gibt. Aber man muss auch darüber nachdenken, welches Spital noch zeitgemäss ist und im Sinne der Gesamtplanung und dem Ziel der Kostenreduktion auch mal eine unpopuläre Entscheidung treffen. Hier in der Region sind wir kurzräumig, da ist es nicht so schlimm, wenn das nächste Spital nicht in 10 sondern in 20 Minuten erreichbar ist. Notfalleinrichtungen natürlich ausgenommen.
Danke für das Gespräch, Herr Messerli.
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