Investor*innen investieren nicht mehr

Das Investorengespräch widmet sich dem Basler Wohnschutz. Dieser gefährde sogar unsere Renten, klagt die Baloise-Versicherung. Andere Player werden nicht so laut, aber bestätigen diskret: Investieren kann man besser woanders.

Renovation Basel Baloise
Die Gerüste stehen, aber gebaut wird nicht: Ein Projekt der Baloise.

«Ich werde Ihnen jetzt erklären, wie Ihre Altersvorsorge mit dem Basler Wohnschutz zusammenhängt.» Munzur Halis tritt hemdsärmelig auf, sein Präsentationsstil erinnert mehr an die Inspirationskultur von TED Talks als an eine dröge Veranstaltung wie das Basler Investorengespräch – hier lädt der Kanton jährlich Investor*innen ein, um über drängende Themen der Politik zu reden. 

Halis ist Portfoliomanager bei der Baloise – dem Versicherungskonzern aus Basel, der zuletzt mehrfach in Interviews in der Basler Zeitung betonte: Investieren in Basler Immobilien, das sei nicht mehr möglich, denn die Rendite lohne sich nicht mehr. Das ging so weit, dass Chief Investment Officer (CIO) Matthias Henny ankündigte, dass alle Renovationen in der Stadt seitens der Baloise sistiert werden.

Am Investorengespräch folgt Munzur Halis in seinem Input-Referat der selben Argumentationslinie wie Henny: «Als Beitragszahler vertrauen Sie uns Versicherungen und Pensionskassen Ihr Geld an. Wir legen das sinnvoll an, um Ihre Renten zu sichern: Wir kaufen Obligationen, Aktien, Immobilien. Das erhalten Sie als Renten oder Rentenkapital zurück. Damit das funktioniert, liebe Versicherte, brauchen wir zwei bis vier Prozent Rendite.»

Halis fährt fort, indem er aufzeigt, wie wenig Verzinsung mit den Regeln des Basler Wohnschutzes noch möglich ist: Rund 1 Prozent im Vergleich zu knapp 3 Prozent zuvor. Die Dramatik, mit der Halis über diese Regulierung klagt, bringt einige Investor*innen beim Anlass im Kunstmuseum zum Schmunzeln. «Ihre Vorsorge wird riskiert», sagt er.

Investorengespräch Basel Kunstmuseum
«1 Prozent Rendite? Das ist ja fast mit der Teuerung schon drin», lacht einer im Publikum.

Baloise-CIO Matthias Henny bläst ins gleiche Horn. Im BaZ-Interview sagt er, in den kommenden Jahren würden nicht nur sämtliche Wohnungen in Basel «verlottern», sondern auch die «ambitionierten Klimaziele des Kantons nicht erreicht». 

Dabei war «der Rückgang der Renditesanierungen genau das Ziel der Wohnschutz-Initiative», kommentiert Pascal Pfister, SP-Grossrat und Co-Präsident des Mieter*innenverbandes Basel in einem Schreiben auf seiner Website

Klagt die Baloise also nur auf hohem Niveau? Oder ist ein sinnvolles Wirtschaften für Investor*innen unter diesen Umständen tatsächlich nicht mehr möglich?

Beispiele zeigen die Krux in der Angelegenheit auf. 

Wohnschutzkommission: Gar nicht so einfach

Im Januar hatte der Mieter*innenverband die Medien eingeladen, um besonders brisante Fälle aufzuzeigen. Ein Vermieter wollte die Miete einer 2-Zimmer-Wohnung um 650 Franken erhöhen. Als Grund für den Aufschlag hat er den Einbau einer neuen Küche, ein renoviertes Bad, neue Böden und Malerarbeiten angegeben. Die Wohnschutzkommission hat daraufhin berechnet, dass der Eigentümer die Miete lediglich um 43 Franken erhöhen darf. Bei einem weiteren Beispiel wurde die Miete um 337 Franken erhöht, obwohl gemäss Wohnschutzkommission nur 66.75 Franken gerechtfertigt gewesen wären.

Nun könnte man meinen, die Wohnschutzkommission setze sich immer dafür ein, dass die Mieter*innen zu ihrem Recht kommt. Dass sie manchmal auch gegen das Interesse von Mietenden handelt, zeigt ein anderer Fall: Bei der Modernisierung einer Wohnung sollte auch die Küche renoviert werden. Darüber waren sich Mieter*innen- und Vermieter*innenschaft einig. Auch über die Erhöhung des Mietzinses um 120 Franken herrschte Einigkeit – bis sich die Wohnschutzkommission einschaltete, das berichtete Prime News. Statt um 120 Franken, dürfe der Mietzins um nicht mehr als 12 Franken erhöht werden, verfügte sie. Ein höherer Aufschlag sei mit dem «überwiegenden öffentlichen Interesse der Wohnbevölkerung» nicht vereinbar.

2024-02-09 Frage des Tages Wohnschutz-2
Frage des Tages

Der Wohnschutz bleibt eines der grössten Sorgenkinder in Basel. Zwar zeigen sich die Wohnschützer*innen des Mieter*innenverbandes in einer Zwischenbilanz zufrieden, weil es weniger Renditesanierungen gebe. Doch die Stimmen werden lauter, die davor warnen, dass das Gesetz Sanierungen verhindern würde. Handwerker*innen beklagten
, dass die Aufträge ausbleiben. Erst im Januar überwies der Grosse Rat ein Vorstosspaket, das zentrale Anpassungen am Wohnschutzgesetz ermöglichen soll.

Im Februar 2024 haben wir über den Wohnschutz diskutiert.

Zur Debatte

Im Gegensatz zur Baloise, äussern sich andere Versicherungen mit Immobilien in Basel-Stadt deutlich verhaltener. Das zeigt sich auch beim Investorengespräch. Ausser der Baloise traut sich dann auch niemand weiteres öffentlich, über die gesunkenen Renditeerwartungen zu klagen. In der Branche sei man sonst diskret, heisst es an einer Stelle.

Tatjana Schachenmann, Mediensprecherin der Swiss Life Group, macht sich keine allzu grossen Sorgen. Sie berichtet, dass die Wohnungen von Swiss Life gut in Schuss seien und die «Thematik der Sanierungen in Basel derzeit nicht im Vordergrund steht». Grundsätzlich seien in Basel Sanierungsprojekte vorgesehen, wenn es nötig ist. Von einem Renovationsstopp ist hier keine Rede.

Klar ist, auch wenn die Klagen der übrigen Investor*innen leiser sind, wirklich zufrieden sind sie auch nicht. Die Swiss Life-Sprecherin Schachenmann ist sehr dafür, Anreize zu setzen und Hindernisse zu reduzieren – «und nicht das Gegenteil». Denn das sei das beste Rezept, um den Wohnungsbestand zu vergrössern und der aktuellen Wohnungsknappheit entgegenzuwirken. 

Und auch die Pensionskasse Basel-Stadt (PKBS) ist für «Lockerungen und administrative Vereinfachungen» im Zusammenhang mit dem Wohnschutz. Die PKBS besitzt Immobilien in der ganzen Schweiz. Besonders um die Innovationen ausserhalb von Basel ist sie zurzeit wohl besonders froh. Denn: «In Basel-Stadt stehen auch wir vor der Herausforderung, dass sich Sanierungen im Vergleich zur restlichen Schweiz aus wirtschaftlicher Sicht weniger auszahlen werden», sagt Susanne Jeger, Vorsitzende der Geschäftsleitung.

«Der Wohnungsbau kommt wegen des Wohnschutzes nicht vollständig zum Erliegen – aber er wird gebremst»

von Marco Salvi, Ökonom

Heisst das, dass bald gar nicht mehr investiert wird in Basel, wie die Bürgerlichen schon im Wahlkampf zur Wohnschutzinitiative prognostizierten? «Der Wohnungsbau kommt wegen des Wohnschutzes nicht vollständig zum Erliegen – aber er wird gebremst», sagt dazu Ökonom Marco Salvi vom Thinktank Avenir Suisse. Er verweist auf Genf, wo es bereits seit 40 Jahren ein ähnliches Wohnschutzmodell gibt: «Dort sieht man, dass die Qualität des Bestands und die Strukturen der Wohnungen zunehmend veraltet sind. Die Mietpreise sind in Genf langfristig, aufgrund der resultierenden Angebotsknappheit, trotzdem gestiegen.»

Salvi versteht, dass die Baloise nun deutlich aufzeigt, was die Konsequenzen des Wohnschutzgesetzes sind: «Wenn die Rendite für Umbauvorhaben nicht stimmt, werden Alternativen, wie beispielsweise Staatsanleihen, interessanter.» Die Rendite holen sich Pensionskassen also eh anderswo, egal ob sie in ihre Basler Wohnungen investieren oder nicht.

«Klar könnten wir uns zurücklehnen und einfach woanders investieren», wirft Munzur Halis von der Baloise ein. «Aber wir wollen nicht, dass unsere Mieter sagen: Ich wohne in einer Bruchbude von der Baloise. Deshalb halten wir unsere Wohnungen weiterhin in Schuss.» Was das genau bedeutet, führt Halis nicht weiter aus. Er sagt: «Wir identifizieren uns eben mit Basel und deswegen äussern wir die Kritik am Wohnschutz auch laut, weil wir eine emotionale Verbindung zu der Stadt haben.»

Munzur Halis Baloise Rhystadt
Munzur Halis von der Baloise will seine Stadt nicht verlottern lassen.

Ist das PR-Sprech von einem Versicherungskonzern? Oder stecken grössere politische Interessen dahinter?

Denn die Baloise ist mit 120 Millionen Franken Miteigentümerin der Rhystadt AG, die bekanntlich «Klybeck plus» entwickeln will. Wie lukrativ dieses Projekt ist, steht und fällt mit der linken Initiative «Basel baut Zukunft» – diese verlangt bei sogenannten Transformationsarealen wie eben «Klybeck plus» einen 50-Prozent-Anteil an gemeinnützigem Wohnraum. Diese Idee gefällt der Baloise überhaupt nicht, wie sie vor zwei Jahren in einem BaZ-Interview deutlich machte.

Ist das Vorpreschen der Versicherung in der Wohnschutzdebatte Powerplay, um zu signalisieren: «Wir könnten auch uns auch wieder von ‹Klybeck plus› zurückziehen, wenn uns die Renditeaussichten nicht passen»? Das würde direkt an die Politik gehen: Die Bau- und Raumplanungskommission hat noch bis Ende Juni Zeit, um einen Gegenvorschlag zur Volksinitiative vorzulegen. Die Basler Regierung hatte als Kompromiss vergangenen Sommer 33 statt 50 Prozent gemeinnützigen Wohnraum vorgeschlagen

«Sie müssen den Mieter*innen das Vertrauen wieder geben, dass sie sich in zehn Jahren ihre Wohnung noch leisten können.»

von Lukas Engelberger, Regierungsvizepräsident

Munzur Halis, der neben seiner Funktion als Portfoliomanager bei der Baloise auch Verwaltungsrat bei der Rhystadt AG ist, sagt dazu: «Wir sind gespannt, was der Gegenvorschlag zu ‹Basel baut Zukunft› bringt. Dass wir auf einen geringeren Anteil Kostenmiete hoffen, ist bekannt. Aber das muss man getrennt betrachten und hat nichts mit unserer Kritik am Basler Wohnschutz zu tun.»

Der Kanton ist jedenfalls bereit, die Sorgen der Investor*innen anzuhören und gegebenenfalls beim Wohnschutz Korrekturen vorzunehmen, wie die beim Investorengespräch anwesenden Regierungsvertreter*innen darlegten. In wenigen Wochen will die Regierung schonmal auf die fünf bürgerlichen Motionen zur Lockerung des Wohnschutzes) antworten, die der Grosse Rat im Januar überwiesen hat.

Am Ende des Investorengesprächs richtet sich Regierungsvizepräsident Lukas Engelberger (Mitte) mit einer Bitte an die Investor*innen: «Der Grund, warum das Stimmvolk damals für einen stärkeren Wohnschutz gestimmt hat, war Verunsicherung: Kann ich mir meine Wohnung in fünf bis zehn Jahren noch leisten? Dieses Vertrauen müssen Sie den Mieter*innen wieder geben.»

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