Wer will sich das antun?

SRF-Direktorin Nathalie Wappler hat den undankbarsten Job der Schweiz gemacht. Sie ist keineswegs gescheitert, sondern hat viel angestossen. Ihre Stelle wurde vom SVP-Medienminister im Verbund mit den Grossverlagen so unattraktiv gemacht, dass es schwer sein wird, eine*n Nachfolger*in zu finden, meint Ina Bullwinkel.

Das Logo des Schweizer Radios und Fernsehens SRF beim Fernsehstudio Leutschenbach, aufgenommen am Mittwoch, 5. Februar 2025 in Zuerich. (KEYSTONE/Michael Buholzer)
Wer auch immer auf Nathalie Wappler folgt, wird ebenso stark kritisiert werden. (Bild: © KEYSTONE / MICHAEL BUHOLZER)

Die SRF-Direktorin Nathalie Wappler ist vor sieben Jahren angetreten mit dem Auftrag, zu sparen und um das Schweizer Radio und Fernsehen gleichzeitig endlich ins digitale Zeitalter zu führen. Ihr war sicherlich von Anfang an bewusst, dass dies kein Job ist, für den es Lob oder Anerkennung gibt – weder extern noch intern. Trotzdem hat sie die Aufgabe, bei der man nur verlieren kann, angenommen. Reorganisieren, digitalisieren, Sendungen streichen, Leute entlassen. Damit kann sich niemand Freund*innen machen. Immer wird an der falschen Stelle gespart, immerauf das Unverzichtbare verzichtet. Alle wissen es besser.

Bestimmt war nicht jeder Schritt richtig und manche Kritik auch angebracht. Doch die Wucht, mit der Wappler und das SRF im ewigen Stakkato schlecht geredet werden, ist immens und geradezu gesellschaftsfeindlich. Der Medienjournalismus in der Schweiz hat sich während der Ära Wapplers teilweise in ein reines SRF-Bashing der Grossverlage verwandelt.

Immerhin: Wappler hat im digitalen Bereich so viel geleistet, dass sich die grossen Verlage inzwischen offenbar vor dem Online-Angebot des SRF fürchten. Warum sonst sollten sie sich auf den für alle Seiten faulen Kompromiss einlassen, dass das SRF seine Online-Aktivitäten zurückfährt, während sie im Gegenzug helfen, die Service-Public- Halbierungsinitiative der SVP zu bekämpfen.

Reorganisieren, digitalisieren, Sendungen streichen, Leute entlassen. Damit kann sich niemand Freund*innen machen.

Wappler hat von ihrem Vorgänger Ruedi Matter eine schwierige Erbschaft übernommen: den dysfunktionalen Newsroom, die nicht vollzogenen Fusion zwischen Radio- und Fernsehabteilung, das falsche Digitalisierungsverständnis, das in ausufernde Kosten mündete, etwa für die Selbstfahrkameras der Tagesschau und SRF zum Gespött der Branche machte.

Wappler schlug beim Antritt ein riesiger Reformstau und scheinbar unvereinbare Kulturen (Radio/TV, Bern-Zürich-Basel) entgegen. Während besonders CH Media jeden Fehler und jede Indiskretion bei SRF in den Boden stampfte, war sich Wappler nicht zu schade, den Kopf hinzuhalten. In Sendungen wie «Hallo SRF» stellte sie sich dem harten Urteil des Publikums und zeigte auch auf Podien mit Gleichmut, wie sie dieses ewige Störfeuer als Teil ihrer Arbeit verstand, das sie aber nicht von dem Kurs abbringen sollte, den sie und ihre Mannschaft als richtig und dem Auftrag dienend empfand. 

Nötig geworden waren die harten finanziellen Einschnitte, weil Werbeeinnahmen wegbrechen und vor allem der SVP-Bundesrat Rösti die Gebühren per Dekret pro Haushalt gesenkt hat. Damit liegt er ziemlich sicher ausserhalb der Bevölkerungsmehrheit, die sich einen starken Service Public wünscht. Doch bis das Volk überhaupt darüber abstimmen konnte, ob das SRF tatsächlich geschröpft werden soll, hat der Medienminister es bereits massiv beschnitten. Angeblich, um der SVP-Initiative den Wind aus den Segeln zu nehmen. Mit dieser Finte erreicht Rösti, dass SRF bis 2029 rund 270 Millionen Franken einsparen muss.

Bis das Volk überhaupt darüber abstimmen konnte, ob das SRF tatsächlich geschröpft werden soll, hat der Medienminister es bereits massiv beschnitten.

Wer aktuell noch dem Wissenschaftsmagazin oder G&G nachtrauert, darf sich auf noch viel gröbere Abstriche beim Programm einstellen. 270 Millionen bedeuten rund 1000 Vollzeitstellen, die ersatzlos wegfallen. Da werden ganze Redaktionen ausradiert, Wissen und Erfahrung verloren gehen und viele Journalist*innen die Branche für immer verlassen. Und das passiert nicht wegen Wappler. Das passiert wegen eines rechtskonservativen Bundesrats, der die Gunst der Stunde nutzt, um im Verbund mit den Grossverleger*innen der Schweizer Bevölkerung weniger journalistische Informationen zukommen zu lassen.

Mehrere Studien belegen, dass starke öffentlich-rechtliche Medien zu einer gesunden Demokratie beitragen. Wenig überraschend gehen populistische Angriffe auf demokratische Strukturen auch immer Hand in Hand damit, seriöse Medien zu delegitimieren und ihre Glaubwürdigkeit infragezustellen, um sie nachhaltig zu schwächen. Dass sich der Schweizer Medienminister Rösti vor der US-Wahl als Trump-Bewunderer geoutet hat, passt in dieses Bild.

Das SRF hat sich durch den Dauerbeschuss von SVP und den Grossverleger*innen viel zu sehr in die Defensive drängen lassen und lässt nach aussen inzwischen jeden Mut vermissen.

Aber zurück zum SRF und zu Nathalie Wappler, die nicht nur jahrelang und ständig für ihre Arbeit, sondern jetzt auch noch dafür kritisiert wird, wann sie geht – nämlich vermutlich mitten im Abstimmungskampf der Halbierungsinitiative. Der inzwischen 80-jährige Journalist Roger Schawinski, der immer noch beleidigt ist, dass seine Sendung abgesetzt wurde, bekommt öffentlich die Bühne, um ihren Rücktritt im März als «dümmstmöglichen Zeitpunkt» zu kommentieren. Es ist ein Wunder, dass Wappler angesichts dieser sie ständig begleitenden Stiche überhaupt so lange ausgehalten hat. Und wer den ersten Stein im Kreis der Besserwisser-Kommentator*innen schmeisst, sollte sich fragen, ob er oder sie diesen undankbaren Job je annehmen würde. 

Etwas, das man Wappler ankreiden muss: Das SRF hat sich durch den Dauerbeschuss von SVP und den Grossverleger*innen viel zu sehr in die Defensive drängen lassen und lässt nach aussen inzwischen jeden Mut vermissen. Die Zuschauer*innen und die Bevölkerung wünschen sich eine starke SRG. Das zeigen alle Umfrageergebnisse deutlich. Die SRG muss trotz der x-ten Sparrunde endlich aus einer Position der Stärke agieren und neue Impulse setzen, um die Unterstützung derjenigen, die nach wie vor hinter der Sendeanstalt stehen, zu aktivieren und nicht zu verlieren. Sonst geht der Plan der erbitterten Service-Public-Gegner*innen auf.

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