Einheitskasse oder progressive Prämien?
Die Politik versagt beim Lösen der steigenden Prämienkosten und der Reform des Gesundheitssystems, findet unsere Community. In der Frage des Tages werden verschiedene Lösungsansätze diskutiert.
Sozialwissenschaftler Marko Ković bringt es auf den Punkt, wenn er vom jährlichen «Prämienschock» als Schweizer Ritual spricht. Auf X schreibt er: «Jedes Jahr wird an einem Tag offiziell verkündet, dass die Krankenkassen-Prämien stark steigen. Ein paar Tage gibt es besorgte Artikel und Talk-Show-Runden dazu. Danach passiert nichts. Im nächsten Jahr wiederholt sich das Ganze genau gleich.»
Seit rund 30 Jahren steigen die Krankenkassenprämien fast kontinuierlich, wie Tamedia aufzeigt: Seit 1996 ist die mittlere Monatsprämie von 128 auf nun 379 Franken gestiegen. Basel-Stadt ist davon besonders betroffen – auch wenn die Erhöhung um 1,5 Prozent in diesem Jahr die schweizweit niedrigste ist. Es sind immerhin die dritthöchsten Prämien des Landes.
Bisherige Versuche, das System zu reformieren und der Kostenentwicklung entgegenzuwirken, scheiterten. Im Sommer wollten Mitte und SP mit zwei Vorschlägen auf nationaler Ebene die Prämienlast stoppen beziehungsweise deckeln. Beide Vorlagen wurden an der Urne abgelehnt. Doch die Stadtbasler Bevölkerung hatte die Prämien-Entlastungs-Initiative der SP angenommen, die eine Deckelung der Krankenkassen-Prämien auf höchstens 10 Prozent des Einkommens forderte.
Was denkst du? Diskutier mit bei der Frage des Tages
«Wenn der Bund hier aufgrund der politischen Mehrheiten nur langsam Lösungen anbietet – muss Basel-Stadt als Vorreiterin vorangehen», schreibt deshalb SP-Nationalrätin Sarah Wyss bei unserer Frage des Tages. Denn linken Grossrät*innen haben eine Motion eingereicht, die eine Umsetzung der Prämien-Entlastungs-Initiative auf Kantonsebene fordert. Dafür wirbt auch SP-Kantonalpräsidentin Lisa Mathys. Die Politik sei aber auch danach gefordert, eine bessere Entwicklung hinzubekommen, so Mathys.
Wie könnte ein besseres Krankenkassen-System aussehen?
Leserin Nadine plädiert für eine klare Einteilung, welche Behandlungen im Spital vorgenommen werden müssen und was auch von der Spitex geleistet werden könnte. Sie bringt zudem eine kantonsübergreifende Einheitskasse ins Spiel. Das sei keine Lösung für die hohen Kosten, kommentiert Leser Thomas. «Die paar Milliönchen an Administrationskosten für das aktuelle System mit verschiedenen Versicherungen verteuern die Prämien minimalst – das wird keinerlei Prämienverbilligung bewirken.» Er befürchtet zudem schlechten Service und mehr Bürokratie bei einer Einheitskasse.
Die Kostentreiber sind für Thomas vielmehr mitunter überteuerte Medikamente. Der Beobachter zeigt auf, wie Geheimrabatte dazu führen, dass die Schweiz die teuersten Medikamente Europas hat. Thomas appelliert an Sarah Wyss, sich daher in Bern dafür einzusetzen, den «Filz der Pharma- und Versicherungslobby zu durchbrechen». Er verweist weiter auf die teure Spital-Infrastruktur und das derzeitige «Anreizsystem» im Gesundheitswesen: «Hier wird operiert bis zum Geht nicht mehr, es werden Medikamente verschrieben zum Abwinken und die Grundversicherung zahlt viel zu viel Leistung, die nicht nötig wäre.»
«Es darf nicht vom Geldbeutel abhängen, ob man gesund und am Leben bleiben darf.»Antje Solveigh
Auch andere Kommentator*innen sehen im Anreizsystem ein ursächliches Problem. Mathis Reichel schreibt zum Beispiel: «Wir wollen ja alle 120 werden. Wir wollen für jedes Boböli zur Notfallstation. Das Spital für die Herzoperation darf nicht weiter als 5 Minuten von meinem Zuhause entfernt sein.» All das sei nicht gratis. Und Norbert schlägt vor, dass jede*r die Franchise auf 2500 Franken ansetzen sollte, um sich zu überlegen, ob der Ärzt*innenbesuch notwendig ist.
Für Antje Solveigh hingegen darf nicht «vom Geldbeutel abhängen, ob man gesund und am Leben bleiben darf». Sie sieht bereits heute das Problem: Wer wenig Geld zur Verfügung hat, schliesst eine Krankenversicherung mit hohem Selbstbehalt ab, damit die monatliche Prämie etwas kleiner wird. Und wer einen hohen Selbstbehalt und wenig Geld habe, der meide schon alleine die Kosten von Vorsorgeuntersuchungen.
Der «einzig gangbare Weg» ist für Solveigh der Vorschlag des Ökonomen Marc Stöckli: Eine einkommensabhängige Gestaltung der Prämien, wie es die deutschen Krankenkassen kennen. Dieses solidarischere System, schreibt er, «sorgt für mehr Gerechtigkeit und kann so ausgestaltet werden, dass es diejenigen mit niedrigem Einkommen entlastet».
Eine Operation kostet für alle gleich viel
Gegen diesen Vorschlag wendet Thomas ein, dass dieser vor allem den Mittelstand belasten würde. «Die Operation eines Beinbruchs kostet bei einem Millionär genau gleich viel wie bei einer gering verdienenden Person. Wieso soll die Millionärin mehr dafür zahlen?», fragt Thomas. Er findet zudem, dass eine Umverteilung nicht über das Gesundheitssystem, sondern über progressive Steuern stattfinden sollte. Stöckli ergänzt, dass ein einkommensabhängiges Gesundheitssystem nicht zwingend über Prämien, sondern auch durch Steuerabzüge oder Vergütungen umgesetzt werden könnten.