Ein Nein bedeutet ihr Go!
Noch bevor die Stimmbevölkerung definitiv über das Ausländer*innenstimmrecht entschieden hat, formiert sich bereits ein Komitee, das eine neue Initiative zum Thema plant.
Sollte die Vorlage zum Stimm- und Wahlrecht für Ausländer*innen am Sonntag nicht angenommen werden, steht bereits eine neue Initiative in den Startlöchern, die Ausländer*innen das Stimm- und Wahlrecht ermöglichen will – allerdings mit einigen entscheidenden Einschränkungen und Hürden.
Der FDP-Politiker Jafar Ghaffarnejad hat diese neue Initiative ins Rollen gebracht. Die aktuelle Vorlage findet er nicht gut. «Welche Anreize würden dann noch bestehen, sich einbürgern zu lassen?», fragt er und betont, dass das Ziel sein sollte Perspektiven zu schaffen, die eine politische Teilhabe ermöglichen, die Einbürgerung aber nicht unattraktiv machen – denn, da geht er mit der aktuellen Vorlage einig: «Es besteht ein grosses Anliegen, sich an politischen Prozessen beteiligen zu können, ohne sich einbürgern zu lassen.»
Deshalb schlägt er ein System nach dem Prinzip: «Wahl- und Stimmrecht nach Antrag und Prüfung» vor. Menschen, die eine Niederlassungsbewilligung haben, sollten also nach fünf Jahren nicht einfach so die Möglichkeit bekommen, sich an Abstimmungen und Wahlen zu beteiligen, sondern dafür zunächst einen Antrag stellen und eine Prüfung bestehen müssen. «Es geht darum, dass man beweisen sollte, dass man integriert ist und genügend Sprachkenntnisse und konkretes Wissen über die Strukturen und Prozesse unserer Gesellschaft mitbringt, um eigenständige Entscheidungen treffen zu können», sagt Ghaffarnejad. «Mit einem C-Ausweis ist schliesslich nur sichergestellt, dass die entsprechende Person mindestens fünf Jahre in der Schweiz lebt und sich strafrechtlich nichts zuschulden hat kommen lassen, über die Integration sagt er nichts aus.»
Der Vorschlag sieht vor, dass Interessierte, nachdem sie den Antrag gestellt haben (möglich nach dem Erlangen der C-Bewilligung ), zwei Jahre Zeit haben für die Vorbereitung und frühestens dann eine Prüfung absolvieren können. De facto könnten dann Einwohner*innen mit C-Ausweis frühestens nach sieben Jahren kantonal mitbestimmen.
Die Prüfung solle derjenigen bei der Einbürgerung entsprechen, zumindest im Grundsatz, sodass sie eventuell auch bei einer späteren Einbürgerung nicht wiederholt werden müsste.
Die Initiative sei parteiübergreifend aufgestellt und habe Unterstützer*innen in beiden politischen Lagern, sagt der Freisinnige Ghaffarnejad. Wer genau ausser ihm hinter dem Vorhaben steht, soll aber vorerst nicht publik gemacht werden, schliesslich kämpft vor allem die linke Seite derzeit noch dafür, ihre eigene Vorlage durchzubringen.
«Uns ist bewusst, dass wir mit dieser Vorlage weder die Bürgerlichen noch die Linken ganz glücklich machen.»Jafar Ghaffarnejad
Dieser zweite (bzw. vierte, wenn man die bisherigen Abstimmungen zum Ausländer*innen-Stimmrecht einberechnet) Vorschlag, wäre ziemlich weit weg von dem, was SP-Grossrätin Edibe Gölgeli und Konsorten mit ihrer Motion forderten, die der aktuellen Vorlage zugrunde liegt. Er würde voraussichtlich eher zähneknirschende Zustimmung erhalten, das weiss auch Ghaffarnejad. «Uns ist bewusst, dass wir mit dieser Vorlage weder die Bürgerlichen noch die Linken ganz glücklich machen, es ist aber ein Vorschlag, der nicht parteipolitisch motiviert ist, sondern der Gesellschaft zugutekommt», sagt er. Im Fokus stünden hier auch Menschen zum Beispiel aus Österreich oder den Niederlanden, die keine zweite Staatsbürgerschaft annehmen können, aber daran interessiert sind, sich am politischen Prozess zu beteiligen.
Werde die aktuelle Vorlage am Sonntag abgelehnt, sei das ein Zeichen dafür, dass sie der Mehrheit der Stimmberechtigten zu weit geht, deshalb sei es Zeit für einen Kompromiss, der einerseits den Forderungen von linker Seite entgegenkommt und andererseits den Kritiker*innen die Sorge nimmt, dass plötzlich jede*r abstimmen kann, ohne irgendwo vorstellig geworden zu sein, so Ghaffarnejad.
Während der administrative Aufwand und die Dauer bis zum Erreichen eines politischen Mitspracherechts also der Einbürgerung nahekommen würden, wäre durch diesen Vorschlag das Wählen und Abstimmen für Einwohner*innen mit einer Nationalität eines Landes, das keine weitere Staatsbürgerschaft erlaubt, tatsächlich einfacher möglich. Über den finanziellen Aufwand, den dieser Prozess für interessierte Ausländer*innen bedeuten würde, möchte Ghaffarnejad noch konkrete Aussage machen: «Das Parlament und dessen Kommissionen sollen sich darüber beraten», aber der Höchstbeitrag, den eine Einbürgerung kostet, also 2500 Franken sollte nicht überschritten werden.