Was macht der Nahost-Konflikt mit Basel?
Eine Basler Musikerin mit palästinensischen Wurzeln und der Präsident der Liberalen Jüdischen Gemeinde Basel kommen ins Gespräch über den Konflikt zwischen Israel und Palästina. Der Versuch einer lokalen, konstruktiven Diskussion.
Vergangene Woche rief ich Peter Jossi an, den Präsidenten der Liberalen Jüdischen Gemeinde Basel. Ich wollte mit ihm über die aktuelle Situation sprechen: Im Nahen Osten eskaliert der Konflikt zwischen israelischem Militär und der Hamas. Die Zivilbevölkerung hat viele Tote zu beklagen. Als wir sprachen, war noch keine Waffenruhe vereinbart, Raketen flogen von beiden Seiten. In Basel gab es eine Pro-Palästina-Demo, bei der es zu einem Zwischenfall kam, als jemand mit israelischer Flagge auftauchte (an diesem Wochenende gab es erneut eine pro-palästinensische Demo mit Zwischenfall in Basel). Ich wollte von Peter Jossi wissen, wie sich die Situation für die jüdische Gemeinde in Basel anfühlt. Schnell sagte er: Die Lösungen für den Konflikt müssen aus der Zivilgesellschaft kommen. Es bräuchte einen konstruktiven Dialog. Also gut, dachten wir, das sollten wir versuchen.
Jasmin Albash, Basler Musikerin mit palästinensischen Wurzeln, und Peter Jossi erklärten sich bereit, zusammen über den Konflikt zu sprechen. Es ist der Versuch einer lokalen, konstruktiven Diskussion zum Nahost-Konflikt. Klar ist: Hier sprechen zwei Menschen über ihre persönliche Erfahrungen und Sichtweisen. Albash und Jossi begegneten sich im Foyer Public des Theater Basel – einem Ort, der allen offensteht und für sich in Anspruch nimmt, niemanden auszuschliessen.
Sie beide kennen sich noch nicht, würden Sie sich kurz vorstellen?
Peter Jossi: Ich bin einerseits Präsident der Liberalen Jüdischen Gemeinde Migwan. Das ist eine eher kleine Gemeinde in Basel, und in dieser Funktion bin ich auch in gewissen Gremien der liberal-jüdischen Dachorganisationen wie der Plattform der Liberalen Juden Schweiz, PLJS. Wir arbeiten sehr eng mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund SIG zusammen. Ich bin kein Israeli, aber habe natürlich einen Bezug zu diesem Land und viele Bekannte und Freunde dort, vor allem aus der Reformbewegung in Israel, die sich stark einsetzt für die Gleichberechtigung, zumindest der Israelis.
Jasmin Albash: Mein Name ist Jasmin Albash, ich bin die Tochter eines Palästinensers, der im Flüchtlingslager in Jordanien aufgewachsen ist und habe eine Schweizer Mutter. Leider spreche ich kein Arabisch und fand den Zugang zur arabischen Kultur eher spät in meinem Leben. Ich kann somit nicht als Sprachrohr der Palästinenser*innen hier sein, das wäre unangebracht. Ich habe aber Freunde in Palästina, eine Band dort, und dadurch viel Kontakt. Ich bin wegen meiner Freunde hier, weil es ihnen wichtig ist, dass erzählt wird, wie es ihnen geht und was vor Ort passiert.
Ich gehöre weder der jüdischen noch der palästinensischen Gemeinde in Basel an. Aber wenn ich höre, dass es vor einigen Jahren Anschläge auf jüdische Metzgereien gab, oder jetzt einen Zwischenfall bei einer pro-palästinensischen Demo, frage ich mich: Was ist in Basel los? Wie nehmen Sie das wahr?
Jossi: Wir von den jüdischen Dachverbänden führen seit Jahren mit den muslimischen Verbänden sehr enge Gespräche. Wenn es im Nahen Osten irgendwie heiss läuft, dann weiss man mittlerweile: Zwei Tage später wird es auch hier kritisch.
Wie gehen Sie damit um?
Jossi: Es ist gar kein grosser Schock mehr. Der Geschäftsleiter des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds ist mit dem Geschäftsleiter der Föderation islamischer Dachorganisationen (FIDS) zusammen aufgetreten. Wir setzen auf Deeskalation.
Albash: Was konkret machst du denn, wenn eine Eskalation passiert?
Jossi: 2014, als der letzte ähnliche Konflikt wie jetzt war, gab es eine gemeinsame Medienmitteilung der jüdischen und muslimischen Dachverbände mit der Botschaft: Man nimmt das wahr, man hat vielleicht nicht genau die gleiche Einschätzung, aber es gibt die Solidarität, dass man sich nicht aufhetzen lässt und gemeinsam dafür einsetzt, dass der Konflikt sich hier nicht manifestiert.
«Es ist immer potenziell gefährlich. Das ist vielleicht eine jüdische Erfahrung.»Peter Jossi, Präsident Liberale Jüdische Gemeinde Basel
Am 15. Mai fand in Basel eine Solidaritätsdemonstration mit Palästina statt. Die IGB empfahl ihren Gemeindemitgliedern deshalb, das Gebiet um den Barfi weiträumig zu meiden. Sie haben das in Ihrer Gemeinde nicht gemacht. Wie haben Sie die Stimmung wahrgenommen?
Jossi: Das war letztlich eine kleine Demo. Und es gibt ein Demonstrationsrecht. Aber ich würde auch sagen: dort sollte man nicht hingehen und irgendwelche Diskussionen anheizen.
Jemand hielt an der Demo eine israelische Flagge hoch und wurde von Demonstrant*innen bedrängt. Es konnte der Eindruck entstehen, dass die Situation doch sehr angespannt ist.
Jossi: Ja, es ist immer potenziell gefährlich. Das ist vielleicht eine jüdische Erfahrung. Gerade wenn man eine Verantwortung für eine Gemeinde hat wie ich, ist man auf solche Situationen gefasst und trifft jeweils die notwendigen Massnahmen. Das ist einfach so.
Wie nehmen Sie die Situation hier in Basel wahr, Jasmin Albash?
Albash: Ich kann nicht viel sagen, weil ich im Mutterschutz bin und nicht an der Demo war. Ich sehe aber bei Social Media die Bilder von Freunden aus Zürich oder Basel, die dort waren und bin mit meinen palästinensischen Freundinnen im Austausch. Und vor Ort in Palästina ist die Stimmung natürlich total angespannt. Sie haben Angst.
Jasmin Albash, Sie sagen, Ihre Freunde waren auf der Demo. Ist Ihre Herkunft hier im Alltag ansonsten ein Thema?
Albash: Als ich ein Album geschrieben habe über die Auseinandersetzung mit meinen palästinensischen Wurzeln, wurde sie das. Ich habe das lange nicht gelebt und wahrgenommen, war auch nie in Palästina bis vor drei Jahren. Klar habe ich von meinem Vater einiges mitbekommen, empfand den Konflikt aber so undurchschaubar und so schwierig zu lösen. Es ist ein jahrelanges Trauma, welches auf beiden Seiten stattfindet und immer wieder neu Geschichte schreibt. Dinge passieren, die unverzeihlich sind und es ist schwer, darüber hinauszuwachsen.
Hatten Sie je negative Erfahrungen dadurch, dass Ihre Herkunft sichtbarer geworden ist?
Albash: Nein, keine. Ich denke, weil ich nicht auf der politischen Ebene spreche, sondern immer von mir persönlich ausgehe. Alles andere masse ich mir nicht an. Und ich bewege mich in der Kultur-Bubble, da sind die Leute immer sehr offen für Diversität.
Jossi: Ich glaube, dass eine positive Veränderung im Konflikt über sehr lange Zeit nicht aus der Politik kommen wird, sondern aus der vielfältigen Zivilgesellschaft, beispielsweise von den Kulturschaffenden. Du arbeitest ja auch mit israelischen Kunstschaffenden zusammen, wie ist das dann für dich?
Albash: Aktuell nicht. Ich habe aber mit zwei Israelis Gesang studiert in Kopenhagen und auch israelische Freunde von meinen palästinensischen Freunden kennengelernt. Und ich stimme dir zu: Gestern gab es zum Beispiel einen Streik in Haifa von arabischen Kulturschaffenden, wo sie von Nachbarschaft zu Nachbarschaft gegangen sind und Workshops durchgeführt haben, oder musizierten. Meine Freundin meinte, das hat extrem viel Kraft gegeben, zu sagen: Wir antworten nicht mit Gewalt, sondern mit Kunst. Ich denke, das ist sehr schön, aber es reicht nicht.
«Dinge passieren, die unverzeihlich sind und es ist schwer, darüber hinauszuwachsen.»Jasmin Albash, Musikerin
Herr Jossi, was meinen Sie damit, die Veränderung kann nur aus der Zivilgesellschaft kommen?
Jossi: Ich habe mir vorab noch einmal die israelische Unabhängigkeitserklärung durchgelesen. Die Gründerväter und -mütter hatten dort klar das Commitment gemacht: Das wird ein Land, in dem alle unabhängig von Religion und ethnischer Zugehörigkeit gleichberechtigt sind. Und das trotz bereits laufender militärischer Angriffe gegen den 1948, gestützt auf den UNO-Teilungsplan, neu gegründeten Staat Israel. Im Staat Israel wurde dies zumindest im nahöstlichen Vergleich grundsätzlich gut umgesetzt. Für den Gesamtkontext Israel-Palästina sind wir davon bekanntlich heute nach wie vor weit entfernt. Aber wie auch immer das dann politisch organisiert wird, die konstruktiven Impulse dafür kommen derzeit vor allem aus der Zivilgesellschaft.
Wie denn?
Jossi: Von internationalen Netzwerken wie dem auch in der Schweiz stark verankerten New Israel Fund unterstützte NGO wie Tag Meir verteidigen die Rechte, welche bereits die Unabhängigkeitserklärung vorsieht. Und das ist keine jüdische, muslimische oder arabische Geschichte, sondern das hat damit zu tun, was du für eine Werthaltung hast. Der Generalstreik, der gerade läuft, ist ein klassisches zivilgesellschaftliches Mittel. Bemerkenswert ist: Das Gesundheitspersonal macht nicht mit und setzt damit ein starkes Symbol der gesamtgesellschaftlichen Solidarität.
Also eher im Kleinen?
Jossi: Ja, so klein ist es dann nicht, oder?
Albash: Ich finde das auch schön, aber das reicht im Moment hinten und vorne nicht. Aktuell werden Menschen in ihren Häusern umgebracht – jetzt! – da müsste doch viel mehr passieren. Ich frage mich, wieso nicht ganz Tel Aviv auf die Strasse geht und «Stopp» sagt?! Und nicht nur die Palästinenser-Supporter auf der ganzen Welt. Das ist so ein heikles Thema, ich kann das Zögern verstehen und natürlich befinden sich alle gerade im Ausnahmezustand. Aber das einzig Zivile, was gerade passiert, ist Gewalt.
Jossi: Ja, das ist nicht falsch. Aber man muss schon sehen: Es ist ein Kriegslage, auch in Tel Aviv. Es gilt ein Versammlungsverbot für mehr als zehn Leute. Also sind Demonstrationen nur sehr eingeschränkt möglich. Und dann gibt es eine Tel-Aviv-Bubble. Dort ziehen sich viele Leute zurück und engagieren sich nicht mehr politisch. Und es ist nicht nur für die nicht-jüdische oder arabische Bevölkerung gefährlich, sich öffentlich zu äussern. Es gibt eine rechtsextreme Bewegung und die ist nicht zu unterschätzen. Nicht als Rechtfertigung, aber jetzt im Moment kann man keine grossen Friedensdemos erwarten.
Albash: Nein, klar.
Jossi: Ansonsten gibt es die Friedensdemos ja durchaus regelmässig.
Albash: Genau, aber ich denke, es könnte auch mehr über Social Media passieren, wenn die Angst nicht wäre. Das gibt es zum Teil ja auch: Fotos von jüdischen Israelis. Ich habe einen Post gesehen, wo einer schreibt: Meine Grossmutter hat nicht Auschwitz überlebt, damit ihre Enkel jetzt Kinder in Gaza bomben können.
«Ich fände es wichtig, eure Stimme deutlicher zu hören.»Jasmin Albash zu Peter Jossi
Jasmin Albash, was genau hören Sie von Ihren Freundinnen vor Ort?
Albash: Meine beiden Freundinnen sind meine Bandkolleginnen und leben in Haifa. Sie sind Christinnen und haben einen israelischen Pass. Trotzdem sind momentan auch sie gemeint, wenn rechte Gruppen «Death to the arabs» schreien. Das hat eine neue Dimension. Viele gehen auf die Strasse, ohne zu demonstrieren, aber um zu filmen. Denn es ist wichtig die Geschehnisse auf der Strasse zu dokumentieren und mit der Welt zu teilen. Nur so kommt die Wahrheit ans Licht. Künstler*innen werden verhaftet, teils misshandelt, obwohl sie gegen keine Gesetze verstossen, sondern nur das Geschehen dokumentieren. Das würde einem Israeli nicht passieren. Das könnten meine Freundinnen sein, einfach, weil sie anwesend sind.
Wie ist es für Sie, das aus der Ferne mitzubekommen?
Albash: Es ist super schwer. Ich war in den letzten paar Jahren viermal in Palästina und Israel. Einmal waren wir in der Westbank, da kam ein israelischer Settler auf uns 20 Menschen aus dem europäischen Musik-Business mit dem Auto zugerast. Wir mussten alle zur Seite springen und das zweimal. Er ist mit voller Absicht in uns reingerast. Diesen Hass zu spüren und zu wissen, dass es nun noch viel schlimmer geworden ist, macht Angst. Bei meinen Reisen habe ich so viel Schönes der Menschen auf beiden Seiten gesehen, habe ein Freiheitsgefühl gespürt. Es beschäftigt mich, dass es für meine Freundinnen jetzt so gefährlich ist.
Herr Jossi, Sie haben auch Freund*innen vor Ort. Was bekommen Sie von ihnen derzeit mit?
Jossi: Frieden macht den Leuten offenbar Angst.
Frieden macht Angst?
Jossi: Ich meine das nicht zynisch, aber die Situation ist zynisch. Die aktuellen politischen Verantwortlichen kennen eigentlich die Voraussetzungen der Zwei-Staaten-Lösung – der vor rund einer Generation im so genannten Oslo-Prozess und von der Schweiz offiziell unterstützten «Genfer Initiative». Sowohl auf israelischer wie auf palästinensischer Seite fehlt heute der echte Friedenswille. Aktuell haben wir letztlich beidseitig eine politisch führungslose Situation – völlig unvergleichbar mit Zeiten, in denen mit Jitzchak Rabin und Shimon Peres noch Vertreter der Gründergeneration mit konkreten Ideen und Zielen am Ruder waren. Was du gesagt hast über die Situationen in Israel, das macht allen Angst. Es gibt Strassenkämpfe, wie es sie vielleicht vor der Staatsgründung gab.
Albash: Ja, es ist ein grosses Problem, dass die Polizei eben nicht die Palästinenser*innen schützt, rechtsradikale Israelis, die «Death to arabs» rufen, werden nicht festgenommen.
Jossi: Dass die Polizei eingreift, ist meist notwendig, löst aber keine Probleme. Teilweise verschärft dies den Konflikt noch zusätzlich.
Albash: Ja, das ist, was ohnmächtig macht. Die Palästinenser*innen können niemanden anrufen, der ihnen hilft. Sie können sich nur selber verteidigen oder zu Hause bleiben. Und vielleicht werden sie sogar dort attackiert oder getötet.
Wie ist es im Alltag für Ihre Bekannten, Herr Jossi?
Jossi: Meine Kontakte aus der israelischen Reformbewegung sind Leute, die sich seit Jahren bemühen, das Verhältnis zu den Palästinensern stabil zu halten. Sie stehen von der israelischen extremen Rechten unter Dauerkritik. Gerade jetzt zeigt sich, wie wichtig beispielsweise jüdisch-arabischen Projekte und Kooperationen für die Gesellschaft sind.
«Man bekommt den Eindruck, dass es für viele okay ist, dass wir diesen Konflikt haben.»Peter Jossi
An Sie beide die Frage: Was können Sie von Basel aus tun in Bezug auf den Konflikt?
Albash: Ich kann die Worte meiner palästinensischen Freunde weitertragen. Sie möchten, dass ich sage, was bei ihnen los ist. Ansonsten kann ich mit meiner Musik eine Plattform schaffen und Menschen ermutigen, sich auszutauschen. Ähnlich wie du und deine Gemeinde, das finde ich schön und extrem wichtig.
Jossi: Durch meine Gemeinde- und Verbandsfunktionen mache ich gezielte Deeskalationskommunikation. Wir stehen auch im Kontakt mit unserer Schwesterorganisation, dem Israel Movement of Progressive Judaism (IMPJ). Der IMPJ-Präsident Rabbiner Gilad Kariv ist neuerdings in der Knesset, dem israelischen Parlament. Das allein löst natürlich gar nichts, aber immerhin. Meine Loyalität zu Israel, liegt speziell zu diesen Kräften, die versuchen, den Staat im Sinne der Unabhängigkeitserklärung zu leben. Da ist noch sehr viel Luft nach oben, gleichzeitig verfügt Israel über starke rechtstaatlich-demokratische Strukturen, beispielsweise über starke und unabhängige Gerichte.
Albash: Mir geht eines im Kopf herum: Farbe bekennen. Ich finde das extrem wichtig und ich würde mir auch von euch mehr Statements wünschen. Dass ihr sagt, was ihr wirklich denkt über den Konflikt und dass ihr die Gewalt verurteilt. Ich fände es wichtig, eure Stimme deutlicher zu hören.
Jossi: Das haben wir durchaus in einer Medienmitteilung der Dachverbände zum Ausdruck gebracht. Darin haben wir die zivilen Opfer angesprochen und uns für sofortige Deeskalation eingesetzt. Das ist wichtig, aber es ist auch beschränkt, was man machen kann.
Albash: Das habe ich nicht mitbekommen. Aber für mich bedeutet es viel, wenn ich so etwas lese. Auch als Symbol. Im Kleinen können wir viel machen. Als Künstlerin habe ich natürlich nicht die Verantwortung wie du für eine Gemeinde. Trotzdem ist es wichtig zu sagen, was man denkt.
Wenn der Nahost-Konflikt sich entflammt, so wie jetzt, stellen sich auch Schweizer*innen, die keinen direkten Bezug haben, sich dezidiert auf die eine oder andere Seite. Wie schätzen Sie das ein?
Jossi: Es gibt zwei Ebenen. Einerseits hört man von Israelis, die sich fragen, warum sich die ganze Welt für sie interessiert, wenn es anderswo auch Krieg gibt. Andererseits ist es auch logisch, weil es ein Land ist, das religiös und kulturell und migrationstechnisch mitten drin ist. Die Leute haben eben einen Bezug dazu – historisch.
Aber?
Jossi: Aber dieses Interesse hat nicht das Commitment ausgelöst, dass man vor Ort stabile Lösungen sucht. Das weckt den Eindruck, dass es für viele okay ist, dass wir diesen Konflikt haben. Er gibt Menschen weit weg jedes Mal wieder einen Anlass, ihre Meinung zu äussern. Weisst du, wie ich meine?
Albash: Ja. Für mich ist es dann ein Problem, wenn die Meinung gefestigt ist. Aber ich finde, die Meinung muss immer flexibel bleiben, denn wir lernen immer weiter dazu. Und vielleicht merken wir: Ah, scheisse, die Meinung, die ich da hatte, ist nicht mehr gut. Das ist mir wichtig. Es ist schön, mit Menschen zu sprechen, die ihren Horizont erweitern können, das bringt uns alle weiter. Aber die sind eher in der Minderheit.
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Das Gespräch führte Ina Bullwinkel