«Der Kanton vergoldet die Massenkündigung»
Vor einem Jahr erhielten Mieter*innen an der Inselstrasse 62-66 die Massenkündigung. Nun will der Kanton in den leeren Wohnungen temporär Geflüchtete unterbringen. Basta-Grossrätin Heidi Mück hat Fragen.
Massenkündigungen in Mietblocks, in die anschliessend Geflüchtete einziehen – das Muster polarisiert jedes Mal, wenn ein neuer solcher Fall bekannt wird. Die zugespitzte Meldung, dass «Mietern für Asylheim gekündigt» worden sei, war im vergangenen Jahr beste Wahlkampf-Steilvorlage für die SVP. Ennet der Grenze wurde über einen ähnlich gelagerten Fall in Lörrach in ganz Deutschland diskutiert.
Wenn jetzt also in Kleinhüningen ebenfalls Geflüchtete in einem Gebäude wohnen sollen, in dem vor einem Jahr allen Mieter*innen gekündigt wurde, dann ist klar, dass die zugehörige Infoveranstaltung im Quartier für Regierungsrat Kaspar Sutter (SP) kein Zuckerschlecken werden würde (Bajour berichtete).
Die Kündigung an der Inselstrasse 62 bis 66 wurde von der Immobilienfirma Varioserv damals in der bz mit einer Komplettsanierung begründet. Die Mieter*innen könnten nicht dort wohnen bleiben, weil bei den Bauarbeiten Asbest freigesetzt werden würde. Eigentlich hat Varioserv das Wohnpreisniveau in dem Gebäude – das selbst bei qualitativ gleichen Wohnungen um bis zu 400 Franken schwankt – harmonisieren wollen, wie Chef Thomas Götz jüngst der BaZ sagte.
Doch das Wohnschutzgesetz verhinderte diesen Plan: Die Mieten könnten nicht so stark nach oben angepasst werden. Also wird das Gebäude bis Ende Januar 2027 an den Kanton vermietet, um darin Wohnraum für 150 Geflüchtete zu schaffen, die ihre Asylverfahren und die mehrmonatige kantonale Erstaufnahmephase hinter sich haben.
«Die Unterkunft brauchen wir», hält Basta-Grossrätin Heidi Mück fest, die als Kleinhüningerin auch an der Info-Veranstaltung war. Wie viele der Anwesenden stört sie nicht die Geflüchteten-Unterkunft, sondern dass der Kanton «mit der Zwischennutzung quasi die Massenkündigung vergoldet». Daher hat sie eine Interpellation zum Thema im Grossen Rat eingereicht.
In erster Linie geht es ihr um eine Frage, die Sutter an der Informationsveranstaltung offen gelassen hat: Wie viel Miete zahlt der Kanton? Denn in der BaZ hatte Götz von Varioserv noch gesagt, dass die Mieten für den Kanton zum Teil über den Mieten lägen, die vor der Massenkündigungen in den Wohnungen gegolten hätten. Für den Mieter*innenverband wäre dies ein Umgehen des Wohnschutzgesetzes, weshalb er auch eine Strafanzeige prüft.
Marktüblicher Mietzins?
Wie hoch die Miete nun ist, will Götz auf Anfrage von Bajour nicht sagen. Er ordnet sie aber im «unteren Bereich marktüblicher Mietzinsen» ein. Von einem «marktüblichen Mietzins» ist auch bei der Medienstelle des Wirtschaft-, Sozial- und Umweltdepartements die Rede.
Beat Leuthardt vom Mieter*innenverband sagt auf Anfrage, dass er von einer Zweizimmerwohnung im Wohnblock weiss, die vor der Massenkündigung 1080 Franken netto gekostet habe. Ihm wurden allerdings auch von Nettopreisen bis zu 1300 Franken berichtet. Laut Leuthardt würden einige ehemaligen Mieter*innen nun beim selben Vermieter in einem sanierten Gebäude rund 600 bis 700 Franken mehr bezahlen.
Für Mück würde das bedeuten, dass die Regierung dieses Vorgehen im Grunde legitimiert. «Ich frage auch nach, ob der Kanton Varioserv angefragt oder ein Angebot erhalten hat. Moralisch wäre es für mich durchaus bedenklicher, wenn der Kanton nach einer Massenkündigung aktiv auf den Hausbesitzer zugeht und ihn um eine Zwischennutzung bittet.»
Weiter will Mück mit ihrer Interpellation herausfinden, ob die Wohnungen wirklich im Zustand einer «dringend benötigten Sanierung» seien. Immerhin können jetzt zweieinhalb Jahre Geflüchtete darin leben. Das Asbest würde ja erst im Falle einer Totalsanierung ein Problem werden. Bis Anfang 2027 sind die Wohnungen an den Kanton vermietet, die Kündigung fand aber bereits 2023 statt.Für Heidi Mück stellt sich daher die Frage, warum nicht einfach die Mieter*innen im Gebäude bleiben konnten. Götz von Varioserv begründete dies mit Verzögerungen, die «weder Schuld noch Wunsch der Hauseigentümer» seien. «Wir hätten sehr gerne und sehr speditiv saniert.»
Mück will vom Regierungsrat zudem wissen, ob Varioserv, wenn sich der Kündigungsgrund als nichtig herausstellt, sanktioniert werden könnte und ob der Kanton die ehemaligen Mieter*innen bei Schadensersatzklagen für unrechtmässige Kündigungen unterstützen würde. Letztlich würde auch die Option bestehen, dass der Kanton das Gebäude via Immobilien Basel-Stadt oder die Stiftung Wohnraum Basel selbst erwirbt.
Wie viele Anwohner*innen stellt sich Mück auch die Frage, was der recht kurzfristige Einzug von bis zu 150 Geflüchteten – etappenweise sollen sie ab Mitte Juni einziehen – für das Quartier bedeuten würde. «Da sind sicher auch einige Familien mit Kindern dabei», vermutet sie. Die Klassen im Inselschulhaus seien jetzt bereits recht voll und die Schulleiterin auch erst vor kurzem über die Geflüchtetenwohnungen informiert worden.
«Wir wissen nicht, ob das Schulhaus auf zusätzliche Kinder vorbereitet ist und ob sie auch auf andere Schulhäuser verteilt werden würden», so Mück. Deshalb will sie auch diese Fragen klären und fragen, ob weitere Ressourcen hierfür vorgesehen sind.
Es sind jene infrastrukturellen Fragen, die sich auch Philipp Schopfer, Präsident des Dorfvereins Pro Kleinhüningen, stellt. Der SVP-Politiker ist auch wegen eines möglichen Kriminalitätsanstiegs besorgt. Der Verein will nun beobachten, wie sich die Lage entwickelt, und dann abwägen, ob man sich gegen das Gebäude als Asylstandort wehrt. Schliesslich habe man sich auch schon bei der Unterkunft an der Bonergasse erfolgreich wehren können.