Mehr als nur Symptombekämpfung?
Die Petition zur «ausufernden Drogenszene im Kleinbasel» wurde Thema im Grossen Rat. Die Regierung hat bereits einen Massnahmenplan angekündigt – aber kann sie den Ursachen für den Drogenhandel auf kantonaler Ebene überhaupt entgegenwirken?
«Wir nehmen einfach die Drogenszene und schieben sie woanders hin.» Dieser Vorschlag im Stile eines Spongebob-Memes hatte im September 2023 für Aufsehen gesorgt. Zu viele Dealer*innen seien es mittlerweile im Wohnquartier, zu aggressiv treten die Konsument*innen auf, beklagten einige Anwohner*innen auch bei Bajour. Eine Duldungszone für’s Dealen soll’s richten, damit sich die Szene verlagere, forderten sie in einer Petition.
Die Petition wurde von der Politik als Hilfeschrei aus dem Kleinbasel verstanden – und die Duldungszone nie ganz ernst genommen (schliesslich wurden auch noch andere, rechtlich umsetzbare Massnahmen gefordert wie mehr Polizeipräsenz und ein Wegweisungsrecht für die Polizist*innen).
Entsprechend konsterniert blieben auch viele Anwohner*innen, dass sich trotz der Petition nichts tue (wie sie im November noch einmal betonten). Die Debatte wurde medial zwar gross geführt, doch für das subjektive Sicherheitsgefühl gab es – von der auch für Dealer*innen und Konsument*innen ungemütlichen Kälte auf den Gassen abgesehen – keine Besserung. Beim 1. Bajour-Drogenstammtisch hiess es dann auch: Nicht die Drogenkonsument*innen sind das Problem, sondern die Dealer*innen.
In den letzten Wochen ist es ruhiger geworden, was die Drogenproblematik im Kleinbasel betrifft – zumindest medial. Liegt’s am Winter? Ist die Szene weniger sichtbar? Ein abendlicher Streifzug durchs untere Kleinbasel.
Nun, vier Monate später, ist die Petition «Massnahmen gegen die ausufernde Drogenszene im Kleinbasel» im Grossen Rat Thema. Die Petitionskommission hat sich mit den Petent*innen ausgetauscht, aber auch den Kontakt mit der Kantonspolizei gesucht. Ihr nun publizierter Bericht gibt einen detaillierteren Einblick in den Drogenplatz Basel.
Klybeckstrasse/Claraplatz: Hier sind laut Kantonspolizei zwischen 20 und 30 sogenannte «Kügelidealer» unterwegs, die hauptsächlich Kokain verkaufen – der veränderte Kokainkonsum und die Potenz des Stoffs wurde im letzten halben Jahr oft als eines der Hauptprobleme für die erhöhte Aggressivität der Konsument*innen in den Quartieren genannt.
Die Dealer*innen stammen gemäss Kantonspolizei alle aus Nigeria, viele hätten eine Aufenthaltsbewilligung für Italien und reisen als Tourist*innen in die Schweiz ein. Das Kokain verkaufen sie in Kügeli, die in Zellophan eingewickelt sind. So können sie es bei Polizeikontrollen herunterschlucken und ihnen kann oft kein Fehlverhalten nachgewiesen werden.
Dreirosenanlage: Laut der Kantonspolizei wird hier hauptsächlich Hasch gedealt, grösstenteils von Menschen aus den Maghrebstaaten. Viele von ihnen befinden sich demnach in Asylverfahren oder sind bereits abgeschoben worden. Die oft perspektivlosen jungen Männer werden von der Polizei auch mit Diebstählen und Raubüberfällen in den Quartieren in Verbindung gebracht. Die Gewaltvorfälle auf der Dreirosenanlage spielten sich quasi ausschliesslich unter Dealer*innen ab – diese Problematik konnte mit der Videoüberwachung auf der Dreirosenmatte jedoch reduziert werden.
Die Videoüberwachung hat laut den Anwohner*innen jedoch dazu geführt, dass sich die Drogenszene in die Wohnquartiere verlagert habe – prominenterweise auf den Matthäuskirchplatz. Laut Bericht der Petitionskommission halten sich dort im Sommer nachts 20 bis 30 Menschen unter Drogeneinfluss auf.
Wenn die suchtkranken Menschen nach ihren Dealern rufen oder aufgrund des Entzugs schreien, stört das den Schlaf der Anwohner*innen. Im Bericht steht: «Ohne Gegenmassnahmen ist davon auszugehen, dass die Situation im kommenden Sommer gleich sein wird wie 2023.»
Die Gegenmassnahmen sind nun aber der springende Punkt. Auf konkrete Forderungen an die Regierung verzichtet die Petitionskommission. Dies mit der Begründung, dass die Regierung ja bereits in der Beantwortung der Interpellation von Mahir Kabakci (SP) zur Sicherheitssituation im Kleinbasel ankündigte, einen Massnahmenplan zu erarbeiten. Der Kommissionsbericht solle entsprechend mit all den themenverwandten Motionen in diesen Massnahmenplan einfliessen.
Fast schon tröstlich bis entschuldigend schliesst der Bericht mit dem Hinweis, dass die Problematik zwar erkannt und anerkannt, aber eben auch schwierig zu lösen sei. Die grösseren Stellschrauben – in der Asylgesetzgebung oder bezüglich der Legalisierung von Drogenkonsum – befinden sich auf nationaler Ebene.
Regelmässige Gesprächsrunden
Was jetzt genau im Kleinbasel helfen soll? Das soll die Wissenschaft herausfinden, findet Grünen-Grossrätin Fleur Weibel: «Oft fehlen uns Hintergrundinfos wie diese. Wir lesen von Gewalt und fühlen uns dann unsicher auf der Dreirosenmatte, aber was genau das Problem ist, kann schwierig ergründet werden», sagt sie.
Gleichermassen gebe es in vielen Institutionen im Kleinbasel bereits sehr viel Wissen aus der Sozialarbeit, die Aufschluss geben könnten, wo die Probleme ihren Ursprung haben. Fleur Weibel sagt: «Wir müssen einfach öfter in den Austausch kommen, wie beim Drogenstammtisch. Eigentlich müssten solche Gesprächsrunden in den Quartieren regelmässig stattfinden.»
Sie hat deshalb einen Anzug eingereicht, der genau eine solche Institutionalisierung fordert. Zudem soll mit wissenschaftlichen Methoden die Problematik im Kleinbasel detailliert und gesamthaft ergründet werden. Denn die Dynamiken an den verschiedenen Brennpunkten im Kleinbasel erfordern unterschiedliche Massnahmen.
Fleur Weibel stellt sich vor, dass Wissenschaftler*innen von der Uni oder der FHNW eine Auslegeordnung erstellen könnten, um die Situation im Kleinbasel zu evaluieren. «Wir brauchen mehr Sachlichkeit in der Diskussion», findet sie. Als erster weiterer Schritt findet am Donnerstag aber der nächste Drogenstammtisch vom Stadtteilsekretariat und Bajour statt.
Wir suchen das Gespräch, deshalb organisieren wir den zweiten Basler Drogenstammtisch gemeinsam mit dem Stadtteil-Sekretariat Kleinbasel. Bereits im Oktober haben wir das bewährte Konzept aus den 90ern aufleben lassen und die Quartierbewohner*innen gefragt, wo der Schuh drückt (zum Bericht). Kommenden Donnerstag werden wir der Frage nachgehen, wer die Dealer*innen sind und was wir gegen das Dealen unternehmen können.
Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung nicht nötig.
Wann? Donnerstag, 25. Januar 2024, 19 Uhr Wo? Rheinfelderhof, Hammerstrasse 61, 4058 Basel
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