Kleinbasler Kirche bekommt Security

Eine Kirche nach der anderen scheint im Kleinbasel Schutz durch Security zu benötigen. Wird langsam eine Verschiebung der Drogenszene durch die polizeiliche Schwerpunktaktion sichtbar? Nicht alle wollen diesen Eindruck bestätigen.

Joseph
In den angrenzenden Strassen der St.-Joseph-Kirche hinter der Dreirosenanlage patrouillieren neu Security.

Vandalismus, Diebstahl und Exkremente: Es sind unschöne Zustände in der Kirche St. Clara, wie sie Werner Pachinger, Vizepräsident des Pfarreirats der römisch-katholischen Pfarrei St. Clara, Ende Oktober im SRF-Regionaljournal beschrieben hat. Aber nicht nur am Claraplatz hat sich die Situation mit den Randständigen zugespitzt. Auch in der St.-Joseph-Kirche hinter der Dreirosenanlage, die zur selben Pfarrei gehört, ist die Situation gemäss Pachinger mittlerweile so schlimm, dass seit letzter Woche zwei Mitarbeitende der Pantex AG in den angrenzenden Strassen patrouillieren und auf die Regeln im öffentlichen Raum hinweisen. Regina Steinauer, Leiterin Abteilung Sucht im Gesundheitsdepartement, welches die Massnahme temporär für vier Wochen finanziert, bestätigt die Information. 

Pachinger hätte sich gewünscht, dass «das Sicherheitspersonal auf dem Kirchenhof St. Joseph sowie im Umfeld der Kirche Präsenz zeigt.» Doch der Kirchhof ist ein privates Areal, wenn auch bis 20 Uhr für die Allgemeinheit zugänglich. Und die regierungsrätlichen Massnahmen zur Verbesserung der Situation im unteren Kleinbasel, wo seit letztem Jahr eine intensivere Drogenszene die Bewohner*innen umtreibt, beziehen sich ausschliesslich auf den öffentlichen Raum; zu den Massnahmen gehört auch der Einsatz eines Sicherheitsdienstes. Für die Kirche St. Clara sind ähnliche Massnahmen in Evaluation, beschlossen ist aber noch nichts. Die Matthäuskirche hingegen kennt derartige Probleme im Haus bisher nicht: «Gott sei Dank», sagt der dort zuständige Thawm Mang, Leiter des Sonntagszimmers.

Kreide bei St.Joseph Kirche
Im Kirchhof St. Joseph malen Kinder des angrenzenden Kindergartens mit bunter Kreide auf den Boden. (Bild: Valerie Zaslawski)

Neben der Kirche St. Joseph grenzen an den Kirchhof auch ein Kindergarten, Wohnhäuser, Praxisräumlichkeiten sowie die Gassenküche, die in den Räumen der Stiftung Jugendpatronat St. Joseph eingemietet ist. Pachinger lobt die Gassenküche als für die Stadt wichtige Institution, sagt aber, dass durch das Angebot auch «unlautere Gestalten» angezogen würden. Zur aktuellen Situation meint der gross gewachsene Pachinger, der an diesem Novemberabend mit dunkler Jacke und Hut vor der St. Joseph Kirche steht: «Es ist ausgeartet.» Die Patrouille wird denn auch entsprechend der Öffnungszeiten der Gassenküche eingesetzt.

Pachinger
«Wir möchten wegen ein paar Nasen hier keinen Überwachungsstaat errichten.»
Werner Pachinger, Vizepräsident des Pfarreirats der römisch-katholischen Pfarrei St. Clara

Wie in der Kirche St.Clara komme es auch in der Kirche St. Joseph zu Diebstahl, sagt Pachinger, so würden beispielsweise die Kassen mit Spendengeldern leer geräumt oder Kerzen geklaut, und es komme zu Sachbeschädigung. Pachinger meint dazu: «So geht es nicht mehr weiter. Abends, wenn der Gottesdienst stattfindet, haben insbesondere ältere Frauen Angst, überhaupt hierher zu kommen.» Die Kirche hat bereits eine Kamera im Eingangsbereich installiert, entsprechende Sicherheitsabklärungen bezüglich Datenschutz wurden mit dem Kanton getroffen. Gleichzeitig legt Pachinger einen gewissen Pragmatismus an den Tag: «Wir möchten wegen ein paar Nasen hier keinen Überwachungsstaat errichten.» Er fordert indes, dass sich die Menschen, die die Kirche und ihren Hof betreten, anständig verhalten.

Ob es durch die repressiven Massnahmen des Kantons (Schwerpunktaktion unteres Kleinbasel) zu einer Verschiebung der Brennpunkte gekommen ist – weg von der Dreirosenanlage hin zu alternativen Plätzen – kann Pachinger nicht beurteilen. Klar ist aber: «Seit diesem Sommer hat sich die Situation verschärft.»

Auch eine Mitarbeitende des in den Kellerräumen des Jugendpatronats eingemieteten Catering-Unternehmens Peppone sagt auf Anfrage, dass es Probleme gibt. Doch Zeit, diese auszuführen, hat sie nicht. Die Arbeit ruft, müssen die Zwiebeln und Karotten doch rechtzeitig geschnitten werden.

Relativierender Augenschein 

Der Besuch vor Ort bestätigt die unaushaltbaren Zustände allerdings nicht. Im Gegenteil: Auf dem Kirchhof stehen Menschen dick eingepackt und friedlich Schlange. Sie warten darauf, dass die Gassenküche um 17.15 Uhr öffnet und sie für drei Franken ein warmes Menü (Salat und Dessert ist umsonst) an der Theke abholen können. Neben dem täglichen Abendbrot gibt es in dem hell erleuchteten Saal auch kostenloses Frühstück sowie sonntags einen gratis Brunch.

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«Die Menschen, die zu uns kommen, sind in der Regel friedlich.»
Maurice Vogt, Küchenchef der Gassenküche

Maurice Vogt, Küchenchef der Gassenküche, sagt zu Bajour: «Die Menschen, die zu uns kommen, sind in der Regel friedlich.» Es gebe eine Hausordnung, und wer sich nicht daran halte, bekomme Haus- und Hofverbot. Hin und wieder müsse das Team eingreifen, einen Konflikt beruhigen, auch geklaut werde ab und zu. Das Gassenküche-Team kann dabei auf die Ranger der Dreirosenanlage zurückgreifen oder natürlich die Polizei verständigen, wenn die Situation zu eskalieren droht. 

Saal
Ein leckeres Menü für drei Franken gibt es hier im Saal der Gassenküche. (Bild: Valerie Zaslawski)

Was das für Menschen sind, die hier für Trubel sorgen, ist gemäss Vogt schwer zu sagen: Ist es das Gassenküchen-Klientel, sind es die Dealer von der Dreirosenanlage oder nochmals andere? Von der Dreirosenanlage seien auf jeden Fall letztes Jahr mehr Gäste gekommen, sagt der stellvertretende Gassenküchen-Leiter. Diese habe man als solche erkannt, weil sie oft in kleinen Gruppen angestanden hätten. Anders als das klassische Gassenküche-Klientel: «Unsere Gäste kommen in der Regel eher alleine.» Diese Feststellung würde wiederum gegen eine Verschiebung der Szene sprechen.

So oder so glaubt Vogt nicht, dass sich die Situation durch den Einsatz von Security wesentlich verändern wird. Er sorgt sich aber um die Niederschwelligkeit des Angebots. Denn: «Eine Bewachung des Geländes dürfte auf einen Teil des Klientels abschreckend wirken.» Gleichzeitig versteht er, dass die Situation für Kirchengänger*innen schwierig ist. 

Ohnehin ist die Hochsaison der Gassenküche quasi vorbei, Anfang November hat das Soup and Chill im Gundeli seine Türen wieder täglich aufgemacht. Das Gassen-Klientel dürfte sich also etwas verteilen. Anders als die Kleinbasler Gassenküche arbeitet die Grossbasler Wärmestube für Menschen, die kein eigenes Wohnzimmer haben, mit Security an der Tür. Durch die tieferen Temperaturen im Winter bleiben bald aber sowieso viele Bedürftige Aussenplätzen fern, mit oder ohne Bewachung. 

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Nach einem ersten journalistischen Praktikum bei Onlinereports hat Valerie verschiedene Stationen bei der Neuen Zürcher Zeitung durchlaufen, zuletzt als Redaktorin im Bundeshaus in Bern. Es folgten drei Jahre der Selbständigkeit in Berlin, bevor es Valerie zurück nach Basel und direkt zu Bajour zog, wo sie nun im Politikressort tätig ist.

Kommentare

Kai
14. November 2024 um 18:18

Verdrängung

Wundert das jemand? Die Polizei respektive Frau Eymann hat überall in der Dreirosenanlage Kammeras aufstellen lassen. Kein wunder gehen die Menschen aus dem Weg. Egal ob Drogendealer, obdachlose, oder Mütter mit Kindern. Aber die Politik betont immer das die "Probleme" in der Dreirosenanlage im Griff ist. Effektiv ist sie nur verschoben.