Dahin, wo das Geld fliesst
Die Art Basel expandiert nach Katar, weil dort reiche Kund*innen warten. Die MCH Group blendet die verheerenden Menschenrechtsverletzungen einfach aus. Kunst-Washing für ein autoritäres Regime kommt einer moralischen Bankrotterklärung gleich, kommentiert Chefredaktorin Ina Bullwinkel.
Die Art expandiert. Nachdem es die Basler Kunstmesse bereits in Paris, Miami und Hongkong gibt, öffnet nächstes Jahr ein neuer Ableger in Katar. Zur kurzen Erinnerung: Katar ist das Land am Persischen Golf, in dem 2022 die Fussball-WM der Herren stattfand. Überschattet wurde der Sportevent von ausgebeuteten Wanderarbeitern, die keinen oder zu wenig Lohn bekamen oder auf Stadion-Baustellen ums Leben kamen. Katar ist ausserdem kein demokratischer Staat, die Meinungsfreiheit ist eingeschränkt, die Kunstfreiheit entsprechend auch, Homosexualität steht unter Strafe, die Rechte von Frauen sind begrenzt. Katars Gesetze orientieren sich an der Scharia.
Die Arbeitsbedingungen sind grauenhaft, Arbeiter*innen haben kaum Rechte. Es wird davon ausgegangen, dass mehr als 85 Prozent von Katars Bevölkerung Ausländer*innen sind, viele von ihnen sogenannte Niedriglohnmigrant*innen. Von moderner Sklaverei zu reden, etwa bei den Dienstmädchen, die 100-Stunden-Wochen arbeiten und häufig Gewalt erleben, ist nicht übertrieben.
Mission: Geld einsammeln
Weil sie radikalislamische Gruppen und unter anderem die Terrororganisation Hamas unterstützt, wurde die Regierung des Wüstenstaats in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder kritisiert. Warum also Geschäfte machen mit diesem Unrechtsstaat, warum dort eine WM oder Kunstmesse stattfinden lassen? Weil Katar arm an Menschenrechten, aber reich an Erdgasreserven ist. Die katarische Firma Qatargas ist der weltgrösste Flüssiggasproduzent. Ausserdem ist Katar der Zentralflughafen, der die reichen Oberschichten der Golfstaaten, Südostasiens und auch Indiens verbindet. Diesen Markt will die MCH Group mit der «Art Basel Qatar» erschliessen. Wo Geld ist, lässt sich gut Kunst verkaufen. Woher dieses Geld kommt: egal. Die MCH Group, die mit der Expansion vor allem Geld einsammeln will, hat finanziell turbulente Jahre hinter sich.
Mit Geld kann man alles kaufen. Auch eine Kunstmesse, die so modern und shiny daher kommt, dass die internationalen Gäste die mit Füssen getretenen Menschenrechte leicht verdrängen können.
Andrea Zappia, der Verwaltungsratspräsident und CEO der MCH Group, verteidigt gegenüber der BaZ den Gang nach Katar, die Veranstaltungen dort würden gemäss dem MCH-Verhaltenskodex durchgeführt. Er zeigt sich sogar überzeugt, dass das Kulturprogramm in Katar vielen Menschen vor Ort aus der Armut hilft. Ob das auch für die Hunderttausenden Wanderarbeiter*innen gilt? Höchstwahrscheinlich nicht. Eine Flugstunde von Katar entfernt, kann man übrigens seit 2017 den Prunkbau des Abu Dhabi Louvre bestaunen. Man befindet sich in guter Nachbarschaft.
Nun kann man das Expansionsvorhaben des Basler Messe-Unternehmens mit einem Schulterzucken quittieren, nach dem Motto «Die gehen halt da hin, wo das Geld ist». Was wirtschaftlich nachvollziehbar ist, gleicht trotzdem einer moralischen Bankrotterklärung. Mit Geld kann man sich alles kaufen. Auch eine Kunstmesse, deren renommierter Titel und Auftritt so modern und shiny daher kommen, dass die internationalen Gäste die mit Füssen getretenen Menschenrechte leicht verdrängen können. Mit dem Wohlstand des Westens hat sich zum Teil eine unerträgliche moralische Bequemlichkeit eingestellt.
Der Ruf steht auf dem Spiel. Der Kanton kann nicht so tun, als hätte die Art in Katar nichts mit Basel zu tun.
So wird bald Kunst in Doha ausgestellt, die mitunter von Menschen geschaffen wurde, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer politischen Ansichten nicht frei in Katar leben könnten. Kunstfreiheit ist untrennbar von Meinungsäusserungsfreiheit. Es ist also klar, was Katar mit der Messe bezweckt: Art-Washing – mit Kunst die blutig-autoritäre Weste reinwaschen.
Und der Kanton Basel-Stadt wird zum Komplizen, hält er doch 37.5 Prozent der Aktien der MCH Group. Mit diesem Anteil hat er zwar kein unternehmerisches Mitspracherecht, aber er trägt eine Mitverantwortung. Auch weil das Unternehmen über die Jahre massiv von Steuergeldern profitiert hat. Das Kunstmagazin Monopol bezeichnet den Deal mit Katar als «riskante Wette auf die Wüste» und konstatiert, dass Stadt und Kanton das Heft des Handelns längst an den Investor abgegeben haben. Hier steht ein Ruf auf dem Spiel. Der Kanton kann nicht so tun, als hätte die Art in Katar nichts mit Basel zu tun.