Trump, der irre EU-Turbo
In Zeiten des Wirtschaftswahnsinns heisst es Freund*innen finden und Allianzen schmieden. Wo die Schweizer Wirtschaft Verlässlichkeit und faire Spielregeln findet, ist klar. Ein Wochenkommentar von Chefredaktorin Ina Bullwinkel.
Donald Trump dreht und wendet sich und die Regeln des internationalen Handels wie er will. Er spielt Flipper mit Zöllen, internationalen Beziehungen und gesichert geglaubten Gepflogenheiten. Immer wieder versenkt ihm die Logik eine Kugel, aber er schiesst immer wieder neue nach. Die internationalen Player bleiben beschäftigt und müssen Trumps hektisches Spiel mitspielen. Was bleibt ihnen anderes übrig, wenn die Börsen verrückt spielen und es um Milliarden und Trilliarden von Dollar, Franken und Euro geht. Sie sind abhängig von Trumps Kapriolen. Was im Januar nach Trumps Amtseinführung viele politische Beobachter*innen die Stirn runzeln liess, war die Unberechenbarkeit des neuen US-Präsidenten. Jemand, der die Meinung zu grossen politischen Themen derart schnell wechseln kann, ist kein verlässlicher Partner.
Verlässlich ist einzig seine Unbeständigkeit: So schnell wie Trump die Extra-Handelszölle eingeführt hatte, so schnell hat er einen Rückzieher gemacht. Trotzdem: Die Schweiz staunte, dass sie überhaupt in den Fokus des US-Präsidenten geraten ist: 31 Prozent Zölle hat Trump aufgeschlagen, weil die Schweiz mehr Waren in die USA exportiert als importiert. Inzwischen liegen die Extra-Zölle noch bei zehn Prozent, aber wer weiss, was dem erratischen Mann im Weissen Haus noch so einfällt.
Jemand, der die Meinung zu grossen politischen Themen derart schnell wechseln kann, ist kein verlässlicher Partner.
Der überraschten Schweizer Regierung fällt offenbar nicht viel ein, was sie Trump entgegensetzen kann. Anders als die EU (die nur mit 20-Prozent-Zöllen gestraft wurde), verzichtet sie auf Gegenzölle. Die EU kann das vorübergehend verkraften, um in einer starken Verhandlungsposition zu bleiben. Da Importzölle der heimischen Wirtschaft schaden, sind Gegenzölle für kleine Länder wie die Schweiz keine gute Wahl. Statt auf Eskalation zu setzen, will man die USA mit Gesprächen besänftigen, die Schweizer Strategie lautet: kuschen. Der Bundesrat hat eigens einen Sondergesandten für die USA ernannt, zur Beziehungspflege.
Besänftigen, damit Trump so weitermachen kann? Seine Bürger*innen leiden schon heute unter der hohen Inflation im Land – eines der vermeintlich grossen Wahl-Argumente für Trump. Es dürfte nicht besser werden. Viele (produzierende) Firmen sind auf günstige Importe aus China angewiesen und auch auf die vielen Migrant*innen als Arbeiter*innen. Und sollten Pharma-Zölle eingeführt werden, können sich die Amerikaner*innen auf steigende Medikamentenpreise einstellen, das kündigte z. B. Lonza an. Trump nennt es «Medizin für die Wirtschaft». Expert*innen nennen es Wahnsinn.
Der Zoll-Angriff der USA verbessert die Verhandlungsposition der EU bei den Bilateralen. Die Schweiz hat einiges zu geben, aber auch einiges zu verlieren.
Medikamente sind das wichtigste Exportgut der Schweiz. Und während sich Pharma-Chefs in den vergangenen Wochen immer wieder gelassen ob der Drohungen gaben, haben es Novartis, Roche und Co. kurz vor der Zolleinführung für nötig gehalten, Medikamente im grossen Stil in die USA zu fliegen. Das Argument, die Zölle seien für Roche und Co. verkraftbar wegen eigener Produktionsstätten in den USA, ist damit zumindest zum Teil entkräftet. Die grosse Unsicherheit in der Branche ist nicht von der Hand zu weisen. Wenn es nicht die Zölle sind, die Schwierigkeiten machen, dann wohl die Börsenkurse und die allgemeine wirtschaftliche Lage.
Der damalige Favorit der Schweizer Wirtschaft wird zum wirtschaftlichen Albtraum. Das ruft auch den Schweizerischen Arbeitgeberverband auf den Plan. In einer Medienmitteilung verweist der Verband gleich zweimal auf verlässliche Beziehungen mit der EU – «der wichtigsten Handelspartnerin der Schweiz». Das ist interessant, liegt mit den Bilateralen III doch gerade ein Paket auf dem Tisch, um die Beziehungen in stabile Bahnen zu lenken. Objektiv betrachtet verbessert der Zoll-Angriff der USA die Verhandlungsposition der EU bei den Bilateralen. Die Schweiz hat einiges zu geben, aber auch einiges zu verlieren und muss sich ihrer Position im weltpolitischen Game bewusst werden. Die Zeit der Rosinenpickerei ist für geraume Zeit vorbei.