Zeit für Basler ESC-Glitzer
Der Eurovision Song Contest kommt nach Basel. Das ruft neben den vielen Jubler*innen auch einige Mauler*innen auf den Plan. Dabei ist der ESC eine Chance, dass sich in Basel endlich etwas bewegt, wo jahrelang Stillstand herrschte, und sich die Stadt von ihrer agilen und konstruktiven Seite zeigt, kommentiert Chefredaktorin Ina Bullwinkel.
Erinnerst du dich noch an Baku oder Malmö? Falls du noch nie dort warst, aber regelmässig den Eurovision Song Contest (ESC) verfolgst, lassen diese Städtenamen zumindest ein leises Glöckchen bei dir klingen. Bald wird dieses Glöckchen auch bei Menschen klingen, die zuvor noch nie von Basel gehört hatten.
Am 17. Mai kommt der ESC in die Stadt im Dreiländereck, das sind nur noch knapp acht Monate. Basel muss also – zusammen mit der SRG – schnell etwas auf die Beine stellen.
Und natürlich gibt es diejenigen, die maulen. Die Anti-ESC-Menschen, denen etwa Nemos Auftritt mit Non-binary-Flagge zu politisch war und die sowieso eine ideologische oder politische Veranstaltung im ESC erkennen wollen. Sei es das Feiern gleichgeschlechtlicher Liebe oder der angeblich innewohnende Satanismus. Das EDU-Referendum gegen den ESC wird – so Gott will – durch demokratische Kräfte abgewehrt.
Es ist erfreulich, dass sich dank des ESC endlich etwas bewegt und gezeigt wird: Es ist sehr wohl möglich.
Beim Songcontest geht es, wie der Name sagt, ja eh eigentlich um die Songs und um die Leistung der Liedschreiber*innen. Wobei die Show aus Kostümen, Licht und Feuer mindestens genauso wichtig ist und mitunter die Musik in den Hintergrund rückt. Und beim Abstimmen kommt der Patriotismus nicht unerheblich zum Tragen. Eigentlich müsste die SVP an so viel Flaggenschwenkerei ihre helle Freude haben. Ähnelte der Wahlauftakt vergangenen Oktober in seiner Pomphaftigkeit doch schon fast einem ESC. Die Flaggen müssen einfach die richtigen Farben haben. Immerhin ist es ein Schweizer, der als Erfinder des ESC gilt.
Im Magen anderer Kritiker*innen rumoren aber etwa auch die Mehrbelastung der Angestellten im Gastgewerbe oder auch der Polizei. Im selben Jahr wie der ESC kommt die Fussballeuropameisterschaft der Frauen nach Basel, weshalb die Polizist*innen ohnehin schon eine Feriensperre im Sommer aufgebrummt bekamen.
Frust gibt es auch, weil die Basler Bevölkerung schon jahrelang darauf wartet, dass in der Joggelihalle oder auch im -stadion wieder grosse, internationale Acts auftreten. Kaum kündigt sich der ESC an, gibt es auf einmal schnelle Lösungen, scheint es. Das ist ärgerlich mit Blick auf etliche verpasste Konzerte. Aber andersherum ist es erfreulich, dass sich dank des ESC endlich etwas bewegt und gezeigt wird: Es ist sehr wohl möglich.
Für Regierungsratspräsident Conradin Cramer dürfte sich der volksnahe Jubeltanz und das Engagement für den ESC bereits ausgezahlt haben.
Es springt also hoffentlich etwas für die Basler*innen heraus – etwas das bleibt, wenn die (ausländischen) Fans und Teilnehmer*innendelegationen wieder abgezogen sind, und der Glitzer von den Strassen gespült ist.
Auch das bereits erwähnte Glöckchen wird eine Rolle spielen für Basels Ruf in Europa. Die Menschen, die hier den ESC erlebt haben, werden zu Hause von Basel erzählen. Mund-zu-Mund-Propaganda. Wenn es ihnen gefallen hat, ist das die authentischste Werbung, die diese Stadt bekommen kann. Wenn Basel so eine Chance auslassen würde, wäre uns wirklich nicht mehr zu helfen.
Apropos Chancen und beste Werbung. Für Regierungsratspräsident Conradin Cramer dürfte sich der volksnahe Jubeltanz und das Engagement für den Anlass bereits ausgezahlt haben. Nach gut 100 Tagen im Amt kann er der Stimmbevölkerung etwas Greifbares vorweisen – auch wenn er natürlich nicht allein für den Erfolg der Basler Bewerbung verantwortlich zeichnet. Eine Prognose darf man wagen: Ihn stösst im Oktober niemand vom Präsidiums-Thron. Das ESC-Grinsen abzuschrauben, wird ihn einige Monate kosten und dann steht der Liederwettbewerb eh schon bald vor der Tür und er kann die Schrauben grad wieder anziehen.