Raum für Debatten schaffen
Nachdem im Mai mehrere Gebäude der Uni besetzt wurden, hat sie die Aktivist*innen verwarnt. Damit die Situation nicht wieder eskaliert, sind aber weitere Schritte nötig – auf beiden Seiten. Ein Kommentar.
Es ist zurzeit ruhig an der Uni Basel. Die im Mai von pro-palästinensischen Aktivist*innen besetzten Gebäude wirken während der vorlesungsfreien Zeit verlassen und es sind keine Spuren von Besetzung und Räumung zu erkennen. Hinter den Kulissen aber brodelt es nach wie vor. Die Gruppe «unibas4palestine» ist leiser geworden, hat sich vergangene Woche aber in den sozialen Netzwerken über die Sanktionen beklagt, die die Uni-Leitung gegenüber einigen der Besetzer*innen ausgesprochen hat. Mit einer Verwarnung wurde zwar eine vergleichsweise milde Sanktion verhängt, sie wird aber dennoch wie ein «Einschüchterungsversuch» wahrgenommen, der die Gruppe «zum Schweigen» bringen soll. Dies tut die Gruppe auf Social Media kund und kündigt an: «Wir wehren uns!»
«Der Krieg in Gaza und Israel droht zu eskalieren. Es gibt keinen Grund zur Beruhigung.»
Es könnte also sein, dass die aktuell friedliche Situation rund um die Uni nur die Ruhe vor dem Sturm ist. Dafür spricht vor allem, dass der Krieg in Gaza und Israel zu eskalieren droht. Ein Ende ist nicht in Sicht und die humanitäre Situation in Gaza ist nach wie vor katastrophal. Letzte Woche mahnte Unicef in einem Appell: «Kinder brauchen ein Ende der Gewalt.» Es gibt keinen Grund zur Beruhigung. Damit die Situation an der Uni Basel im September – wenn die Vorlesungen wieder beginnen – nicht erneut eskaliert, könnten beide Seiten einen Beitrag dazu leisten, sich anzunähern und ins Gespräch zu kommen. Anders kann der Konflikt an der Uni kaum gelöst werden.
Die Aktivist*innen, die Angehörige der Uni sind, wären gut beraten, losgelöst von der Gruppe «unibas4palestine» auf die Uni-Leitung oder ihre Professor*innen zuzugehen. Denn der Gruppe gehören vermutlich zahlreiche Personen an, die nicht Teil der Uni sind. Philosophieprofessor Markus Wild, der vor der Sommerpause einen Aktionsplan entwickelt hatte, um (erfolglos) einen Dialog herbeizuführen, sprach in diesem Zusammenhang von einem «Vertrauensvorschuss», den die Aktivist*innen gegenüber der Uni erbringen müssten. Ein direkter Austausch zwischen der ganzen Gruppe und der Universität ist nach allem, was vorgefallen ist, kaum realistisch. Zu radikal sind die Forderungen der Gruppe nach einem totalen Boykott israelischer Universitäten und zu aggressiv die direkten Angriffe auf die Rektorin der Uni, die auf Plakaten als Unterstützerin eines Genozids bezichtigt wurde.
Würden die Aktivist*innen, die Teil der Uni sind, ihre Anliegen ohne die externe, vielen zu extreme Gruppe an die Leitung der Uni herantragen, hätten sie wohl Chancen, gehört zu werden. Dieser Weg war auch eines der Ziele des Aktionsplans von Markus Wild und einer Dialoggruppe, der einige Professor*innen und Dozent*innen der Uni angehören. Bei ihnen würden die Studierenden kaum vor verschlossenen Türen stehen, wenn sie erneut das Gespräch suchten.
«Je länger der Konflikt andauert und desto mehr in der Öffentlichkeit polarisiert wird, desto wichtiger sind Debatten innerhalb eines geschütztes Rahmens wie der Universität.»
Die Uni hingegen wäre gut beraten, einen Raum für Debatten zu schaffen. Schon im Mai am Anlass über postkoloniale Theorien stand das Thema Nahost bedrückend im Raum, sollte aber explizit nicht diskutiert werden. Dies führte zu Unmut und Unverständnis. Eine öffentliche Debatte zum Krieg in Gaza blieb seither an der Uni Basel aus. Je länger der Konflikt andauert und desto mehr in der Öffentlichkeit polarisiert wird, desto wichtiger sind Debatten innerhalb eines geschütztes Rahmens wie der Universität. Ein Ort, an dem verschiedene Ansichten an Podien oder Workshops nicht nur dargelegt werden können, sondern auch sollen. An dem die pro-palästinensischen Aktivist*innen ebenso zu Wort kommen können wie Angehörige der Jüdischen Studien, die sich von den Aktionen der Besetzer*innen bedroht fühlten. Wenn die Uni Basel ihre Studierenden nicht vereint und ihnen keinen Ort gibt, an dem sie über die aktuelle Situation in Nahost sprechen und Fragen stellen können, wird der Protest kaum leiser werden. Denn die ausgesprochenen Verwarnungen werden die Betroffenen kaum zum Schweigen bringen.
Auch wenn die Situation verfahren scheint, so gibt es nach wie vor Punkte, auf die sich beide Seiten einigen könnten. Boykottforderungen hinsichtlich der Zusammenarbeit mit israelischen Universitäten sind für die Uni Basel zurecht nicht diskutabel, sie hat sich aber dazu bereit erklärt, sich für den Schutz und die Unterstützung palästinensischer Student*innen und Wissenschaftler*innen einzusetzen. Dieser Weg ist noch immer gangbar, wenn beide Seiten – Studierende und Unileitung – einen Schritt aufeinander zugehen. Darauf, was die Gruppe «unibas4palestine» macht, wird man nur beschränkt Einfluss nehmen können. Es wäre jedoch ein Gewinn, würde es endlich einen echten Dialog, bei dem hitzige Diskussionen erlaubt sein müssen, an der Uni geben.