Ein Schlag auf die Finger
Als pro-palästinensische Aktivist*innen die Uni Basel besetzten, war kein Dialog möglich. Im Nachgang werden nun einige der Besetzer*innen verwarnt, Nicht-Studierende könnten sogar Hausverbot bekommen. Die Dozierenden, die sich an einer Vermittlerrolle versucht haben, sind enttäuscht über die Disziplinarmassnahmen.
Im Mai wurden verschiedene von der Uni genutzte Gebäude von pro-palästinensischen Aktivist*innen besetzt: Zuerst drei Tage lang das Bernoullianum (Räumung mit Kontrollen im Polizeikessel), dann kurzzeitig die alte Gewerbeschule und dann ein Wochenende lang das Institut für Soziologie (Räumung). Trotz Vermittlungsversuchen scheiterte jeweils der Dialog zwischen der Unileitung und den Aktivist*innen.
Schon damals stellte die Unileitung in den Raum, dass die Besetzungen Disziplinarmassnahmen für die Beteiligten nach sich ziehen könnten. Laut Studierenden-Ordnung wären Schritte bis hin zur Exmatrikulation und einem dauerhaften Ausschluss vom Studium möglich. An den Besetzungen beteiligte Mitarbeitende wurden in internen Mails auf arbeitsrechtliche Konsequenzen hingewiesen.
Im Mai kamen die pro-palästinensischen Studierenden-Proteste auch in Basel an. Gebäude der Universität Basel wurden mehrfach besetzt, wodurch in der Prüfungsphase der reguläre Betrieb gestört wurde. Die Besetzer*innen forderten die Unileitung auf, die Kooperation mit israelischen Institutionen auszusetzen, solange der Krieg in Gaza andauert. Dazu war die Unileitung nicht bereit und folglich kam es nach Vermittlungsversuchen zur Räumung. Die Gruppe Unibas4Palestine ist nun in den Semesterferien weniger aktiv.
Wie Bajour erfahren hat, hat die Unileitung nun entschlossen, wie sie auf die Beteiligung an den Besetzungen reagiert. Demnach werden Studierende schriftlich verwarnt (das ist die mildeste Disziplinarmassnahme gemäss Studierenden-Ordnung). Gegen Mitarbeitende wird die Verwarnung in einem persönlichen Gespräch ausgesprochen. Nicht-Studierende sollen aufgefordert werden, Stellung zu beziehen und es soll ein dreimonatiges Hausverbot an der Uni im Raum stehen.
Die Namen der Besetzer*innen hat die Unileitung von der Kantonspolizei erhalten, wie letztere auf Anfrage von Bajour bestätigt. Betroffen sind 21 Personen, die bei der Räumung der zweiten Besetzung am 27. Mai kontrolliert wurden. Im Polizeikessel nach der ersten Besetzung am 15. Mai hatte die Polizei 43 Personen kontrolliert. Deren Daten hatte die Universitätsleitung nicht bei der Polizei angefordert.
Vom Mediensprecher der Universität Basel Matthias Geering heisst es lediglich, dass es sich um ein laufendes, internes Verwaltungsverfahren handelt, deshalb könne die Uni-Leitung keine Auskünfte erteilen.
«Es könnte zu gerichtlichen Prozessen zwischen Studierenden und der Universität kommen.»Markus Wild, Philosophieprofessor und erfolgloser Vermittler
Philosophieprofessor Markus Wild ist nicht zufrieden, dass die Unileitung nun diesen Weg geht. Er hatte im Juni auf eigene Faust versucht, als Vermittler einen Dialog zu ermöglichen (Bajour berichtete) – der letztlich scheiterte. Wie Wild nun sagt, waren die angedrohten Sanktionen einer der Punkte, an der die Vermittlung scheiterte. «Die Universitätsleitung kann das natürlich tun, persönlich hätte ich mit Sanktionen zugewartet, um Verhandlungsspielraum zu haben, falls es zu weiteren Protesten im Herbst kommt.»
Er verweist darauf, dass in Freiburg im Breisgau die Leitung bereits vor den Protesten auf die Studierenden zugegangen sei und in Neuchâtel ein Deal vereinbart wurde: Die Uni verzichtete auf Disziplinarmassnahmen, die Studierenden beendeten die Besetzung.
Viele Fragen zu Disziplinarmassnahmen
Mit einer Fortführung der Proteste im Herbst sei wegen des andauernden Krieges in Gaza zu rechnen, so Wild. Für ihn wirke es so, als wolle die Universitätsleitung die Studierenden abschrecken, um neue Proteste im Herbst zu verhindern. «Das hat aber bereits im letzten Semester nicht funktioniert, denn es war absehbar, dass die damals gezogenen sogenannten ‹roten Linien› überschritten werden.»
Für Markus Wild sind viele Fragen noch offen: Womit werden die Disziplinarmassnahmen begründet? Mit Handlungen oder Äusserungen? Letzteres sollte zum Schutz der Meinungsfreiheit nicht sanktioniert werden, so Wild. Je nachdem, wie die Diszplinarmassnahmen begründet sind, haben die Betroffenen rechtliche Mittel in der Hand: «Es könnte zu gerichtlichen Prozessen zwischen Studierenden und der Universität kommen.»
«Für Studierende ist das, als mildest mögliche Sanktion, weit weg von der Exmatrikulation.»David Jenny, FDP-Grossrat und erfolgloser Interpellant für eine Besetzungs-Resolution
Der Jurist David Jenny hat als FDP-Grossrat (erfolglos) versucht, das Parlament zu einer Resolution zu bewegen, damit Besetzungen künftig nicht mehr geduldet werden. Die nun im Raum stehenden Massnahmen findet er verhältnismässig: «Es ist keine Kollektivstrafe, sondern die Fälle werden individuell, unter Beachtung des rechtlichen Gehörs, behandelt, gemäss der Studierenden-Ordnung einerseits und der Personal-Ordnung andererseits. Der Rechtsweg kann unter beiden Ordnungen beschritten werden.»
Die Verwarnungen hält er für eine «sehr milde Form» der Sanktion. «Für Studierende ist das, als mildest mögliche Sanktion, weit weg von der Exmatrikulation.» Es sei zu hoffen, dass die Warnung nicht als Billigung der Besetzung aufgenommen werde, sagt Jenny, sondern eine entsprechend abschreckende Wirkung zeige. «Bei den Mitarbeitenden, deren Handlung nicht als ‹jugendlicher Leichtsinn› abgetan werden kann, ist die Verwarnung ebenfalls eine milde Sanktion. Dass offensichtlich gegenüber Uni-Angehörigen auf Strafanträge wegen Hausfriedensbruch verzichtet wird, ist, wenn dafür Verwarnungen ausgesprochen werden, ein Entscheid, der das Ermessen der Universitätsleitung nicht sprengt.»
«Der Unmut und das Entsetzen über die Vorgänge in Gaza und Israel/Palästina wird damit nicht zum Schweigen gebracht, im Gegenteil.»Giorgio Miescher, Ex-Lehrbeauftragter Uni Basel
Giorgio Miescher sieht das anders. Bis Ende Januar war er Lehrbeauftragter am Zentrum für Afrikastudien. Er ist überzeugt, dass Sanktionen nicht der richtige Weg seien, «Friedlichen Protest und Kritik zu beantworten», wie er Bajour sagt. «Der Unmut und das Entsetzen über die Vorgänge in Gaza und Israel/Palästina wird damit nicht zum Schweigen gebracht, im Gegenteil.»
Miescher erhofft sich, dass im kommenden Semester eine ergebnisoffene Diskussion «ohne Vorbedingungen und rote Linien» stattfinden wird. «Solche Diskussionen auf wissenschaftlicher Basis werden hoffentlich dazu beitragen, dass auch in Basel mehr Themen denk- und diskutierbar werden.»