Röstis Wahlbarometer
Wenn der SVP-Bundesrat Albert Rösti sich den Demokratie-Verräter Donald Trump als nächsten US-Präsidenten wünscht, sagt das viel über seine politischen Werte und Prioritäten. Bei der Entscheidung, ob er Trump oder Kamala Harris bevorzugt, hätte sich Rösti deshalb wohl besser enthalten, kommentiert Chefredaktorin Ina Bullwinkel.
Diese Woche hat SVP-Bundesrat Albert Rösti sich bei einer Stippvisite am Freien Gymnasium Basel dazu hinreissen lassen, sich als Donald-Trump-Supporter zu outen. Auf die Frage eines Schülers, ob er bei den US-Präsidentschaftswahlen Kamala Harris oder Trump bevorzugen würde, sagte Rösti, er tendiere eher zu Trump. Er tue sich zwar schwer damit, weil ihm manches nicht gefalle, was Trump so von sich gibt, aber er traue ihm zum Beispiel zu, für Frieden zwischen Russland und der Ukraine zu sorgen.
Es ist schon bemerkenswert, dass sich ein Bundesrat zu internationalen Wahlen äussert und einen Favoriten benennt. Bundesrät*innen üben sich hier in der Regel mit Neutralität und Zurückhaltung.
Ebenso bemerkenswert ist, dass sich Rösti für Trump entscheidet. Ein Populist, der – nachdem er demokratisch abgewählt wurde – das Wahlergebnis anzweifelte und bis heute von einer «gestohlenen» Wahl spricht und aktiv oder passiv zum gewaltsamen Versuch aufgerufen hat, um seine Macht zu erhalten. Mehr konkret vorgelebte Demokratie-Verachtung geht eigentlich kaum. Der Sturm aufs Kapitol in Washington ist keine Lappalie.
Für Röstis inneres Wahlbarometer ist es offenbar kein Problem, dass Trump der erste ehemalige Präsident in der US-Geschichte ist, der in einem Strafprozess verurteilt wurde.
Trump will trotz Anstachelung offiziell keine Verantwortung dafür übernehmen. Im Gegenteil: Sollte er gewählt werden, will er die wegen Landfriedensbruchs verurteilten Aufrührer*innen vom 6. Januar 2021 begnadigen. Den politischen Kontrahent*innen hingegen droht er inzwischen ganz offen mit Vergeltung. Offenbar für Röstis inneres Wahlbarometer ebenso kein Problem wie die Tatsache, dass Trump der erste ehemalige Präsident in der US-Geschichte ist, der in einem Strafprozess verurteilt wurde, oder dass der Vielfach-Bankrotteur frei jeder präsidialer Eloquenz seine Konkurrentin als dumm oder drogenabhängig beschimpft.
Was ist das für eine Botschaft eines Regierungsvertreters aus dem Land, das sich mit seiner direkten Demokratie gerne brüstet?
Trump ist heute gefährlicher als 2016. Er hat bereits einen genauen politischen Plan und ein mächtiges Netzwerk im Rücken.
Stichwort Demokratie. Man darf vermuten, dass sie Trump nicht sonderlich am Herzen liegt. Das macht er deutlich, wenn er Wahlen anzweifelt, sich selbst immer mehr Entscheidungsmacht geben will und die kritischen Vertreter*innen der vierten Gewalt pauschal als «Fake News Media» betitelt. Trump ist heute gefährlicher als 2016. Er hat bereits einen genauen politischen Plan und ein mächtiges Netzwerk im Rücken. Er weiss jetzt, wie die Macht schmeckt und was er alles anstellen kann, wenn er erst wieder im Oval Office sitzt.
Er wird nur Angestellte und Berater*innen um sich scharen, die ihn bedingungslos unterstützen. Wie viel er von seinen Ankündigungen wahr machen würde, lässt sich nur werweissen. Aber wenn man Trump so ernst nimmt, dass man ihn als Friedensbringer in der Ukraine einstuft, darf man auch seine Pläne für baren Dollar nehmen, die grösste Massen-Deportation von Migrant*innen ohne Papiere durchzusetzen, Steuern für Unternehmen und Superreiche zu senken oder die Krankenversicherung zu schwächen. Auch sein Schwadronieren vom «Feind im Inneren», den er notfalls mit der Nationalgarde oder dem Militär bekämpfen will, spricht eine krude, autoritäre, undemokratische und doch deutliche Sprache.
Auch mit Harris muss nicht alles besser werden. Doch Donald Trump hat so viel auf dem Kerbholz, dass sich ein Demokrat Rösti lieber enthalten hätte.
Es gibt auch Pläne, die Basel und die Schweizer Wirtschaft ganz direkt betreffen: Importzölle. Die möchte Trump in Höhe von 20 Prozent auf alle Waren erheben. Eine Analyse der Konjunkturforschungsstelle der ETH legt dar, dass die Zölle spürbare Konsequenzen hätten. Und zwar mehr als für andere europäische Länder, weil die Schweiz besonders viel in die USA exportiert. Auch die für Basel wichtige Pharmabranche wäre betroffen. Die Forscher rechnen mit «langfristigen Wohlstandsverlusten» für die Schweiz und beziffern die Pro-Kopf-Verluste auf mindestens 200 Franken pro Kopf und für jedes Jahr, in welchem die Zölle gelten.
Wenn unser Bundesrat Rösti für Trump votiert, können es kaum wirtschaftliche Gründe sein, die ihn auf Trumps Wahl hoffen lassen. Aber welche sind es dann? Politische Gemeinsamkeiten? Die gleichen Feinde im Inneren? Oder die Abneigung gegen die Demokratin Kamala Harris? Auch mit Harris muss nicht alles besser werden. Doch Donald Trump hat so viel auf dem Kerbholz, dass sich ein Demokrat Rösti lieber enthalten hätte.