Und was ist mit Kultur?

Im Interview erzählen die Kandidierenden für das Regierungspräsidium, welche Kunst bei ihnen zu Hause hängt, wie sie Künstler*innen fördern wollen und auf welches Event sie sich nach Corona am meisten freuen.

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Was ist von den Wahlgewinner*innen im Kunstbereich zu erwarten? (Bild: Ian Williams/Unsplash)

Es war ein heisser Wahlkampf – und bald ist er zu Ende. Diesen Sonntag wählt Basel-Stadt eine neue Regierung. Doch ein Thema kam in den letzten Wochen ein bisschen zu kurz: Die Kultur. Das wollten Salome Bessenich und Katharina Good ändern.

Die beiden sitzen im Vorstand vom Dock Kunstraum, Archiv und Ausleihe für zeitgenössische bildende Kunst in Basel. Kurzerhand luden sie visuelle Künstler*innen ein, den Kandidierenden für das Regierungspräsidium Fragen zur Kultur stellen. Zur Wahl stehen Stephanie Eymann (LDP), Beat Jans (SP) und Esther Keller (GLP). Es ist der*die Regierungspräsident*in, welche in Basel die Kulturförderung verantwortet.

Die Künstler*innen lieferten also Fragen, die Politiker*innen antworteten und wir von Bajour beschlossen, den Text bei uns zu publizieren. Voilà.

1. Ihr persönlicher Bezug zur Kunst

  • Welche Kunst hängt bei Ihnen zu Hause? Was war die letzte Ausstellung, die Sie besuchten? Und kennen Sie auch persönlich Künstler*innen aus der Region?

Esther Keller: In meinem Zimmer hängt eine Lithografie von Mark Tobey und ein Bild meines Onkels, der Künstler ist. Am intensivsten besuche ich das Kunsthaus Baselland, wo ich im Vorstand bin. Persönlich kenne ich viele Künstler*innen aus der Region, unter anderem Julia Steiner, Comenius Röthlisberger und Julia Roth.

Beat Jans: In unserer Wohnung hängen vier Bilder des Kleinbasler Malers Peter Ziegler und meine letzte Ausstellung war ‘Silent Visions’ im Beyeler Museum. Aus meiner Zeit als Schlagzeuger in verschiedenen Pop-Bands kenne ich zahlreiche Musikerinnen und Musiker.

Stephanie Eymann: An meinen Wänden hängen viele tolle Werke von lokalen Künstlern, die ich fast alle auch persönlich kenne: Felix Stern, Thomas Thüring, Piot Tschopp, Fifo Stricker, Max Schneider und noch ein paar mehr.

2. Während und nach der Corona-Krise

Die Kulturschaffenden der freien Szene sind besonders von der Corona-Krise betroffen. Viele hielten sich neben der künstlerischen Tätigkeit finanziell mit Jobs über Wasser, die nun auch wegfallen. Künstle­rinnen und Künstler tragen zur Vielfalt und Lebendigkeit der Basler Kultur bei, die weit über die Grenzen vermarktet wird – leben aber selbst am Existenzmi­nimum, wie Statistiken von Suisseculture auf­zeigen.

  • Wie würden Sie sich für die finanzielle Absicherung der Kunstschaffenden einset­zen? Welche kurz­fristigen Massnahmen sehen Sie in Bezug auf Corona? Und länger­fristig, nach Corona: Weiter wie bisher oder Neu­anfang?

Eymann: Während Corona ist es wichtig, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzugehen: Im Kanton Basel-Stadt steht ein hoher Millionenbetrag für Massnahmen im Kulturbereich zur Verfügung. Dabei sind praktikable Lösungen wichtig, auch durch Gespräche der Abteilung Kultur mit Gesuchstellenden. Es braucht teilweise Individuallösungen – auch als Härtefälle ausserhalb des Hilferahmens. Es darf nicht sein, das Kulturschaffende als einzigen Ausweg die Sozialhilfe sehen.

Jans: Es ist die dringlichste kulturpolitische Aufgabe, alle Kulturschaffenden über die Krise zu retten und auch solchen zu helfen, die zwischen Stuhl und Bank fallen. Aber auch über Corona hinaus gibt es viel anzupacken, etwa hinsichtlich der sozialen Sicherheit der freien Kunst- und Kulturschaffenden. Ziel muss sein, dass die Kulturszene in Basel nach Corona stärker dasteht als vorher. Dass eine Sparte oder Institution finanziell gegen eine andere ausgespielt wird, darf nicht mehr passieren.

Keller: Die Auszahlung der Corona-Ausfallentschädigungen sollte niederschwellig erfolgen. Wo möglich und wenn es die Corona-Fallzahlen zulassen, soll Kultur in kleinem Rahmen und mit Berücksichtigung der Schutzkonzepte weiterhin möglich sein. Zudem sollten die Bedingungen für Fördergelder angepasst werden, so dass während der Corona-Zeit auch finanzielle Mittel für die Entwicklung von Ideen gesprochen werden können.

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Stephanie Eymann, Beat Jans und Esther Keller beantworten die Fragen der Künstler*innen. (Bild: Collage by Bajour)

3. Zur Trinkgeldinitiative

Sie alle drei unterstützen die Trinkgeldinitiative, über die in Basel am 29. November abge­stimmt wird. Sie fordert, dass jährlich mindestens 5 Prozent des ordentlichen Kulturbudgets in die aktive Basler Alternativkultur aller Sparten fliesst. Bei einem Ja zur Initiative wird es also an jemandem von Ihnen liegen, diese Initiative umzusetzen.

  • Welche sind Ihre wichtigsten Gründe, die Initiative zu unterstützen?

Keller: In den vergangenen Jahren haben sich die Kulturausgaben anteilsmässig immer mehr in Richtung Hochkultur verschoben. Diese Entwicklung soll nicht weiter anhalten, da die Alternativkultur ein wichtiger Bereich des Kulturschaffens in der Region ist. Sie bildet mit der sogenannten Hochkultur eine Symbiose, bei der sich die beiden Seiten gegenseitig stärken und befruchten.

Jans: Die Forderung nach einem Zwanzigstel des Kulturbudget ist gerechtfertigt. Diese junge Szene leistet enorm viel für Basels Kulturleben und fördert die Verbundenheit junger Menschen mit unserem Kanton. Die genaue Definition des Bereichs wird noch zu reden geben, aber ich bin sicher, dass wir einen brauchbaren Vorschlag zuhanden des Grossen Rates werden machen können. Die Umsetzung sollten wir über eine Aufstockung des Kulturbudgets erreichen. Das kann unser Staatshaushalt gut verkraften

Eymann: Die heutigen rund 2,5 Prozent werden dem Beitrag dieser Kulturschaffenden am städtischen Kulturleben nicht gerecht. Dieser Missstand kann durch die Garantie eines minimalen Anteils von 5 Prozent am grossen Kulturbudget behoben werden. Ich finde es gut, dass die Initiative die Wichtigkeit des Nebeneinanders zwischen Hochkultur und Alternativkultur betont, so wird unsere reichhaltige Kulturlandschaft auch kommenden Generationen vermittelt.

4. Kulturpolitische Ziele und Schwerpunkte

  • Welche Schwerpunkte möchten Sie für die freie Kunst- und Kulturszene setzen?

Jans: Wir sollten nicht nur Bestehendes erhalten und ausbauen, sondern auch wieder Neues anpacken. Wichtig ist mir der Zugang zu kulturellen Bildungsangeboten, der unabhängig sein muss vom Einkommen der Eltern. Aktionen und Spezialangebote sollen Schulen, Familien, Menschen mit tiefem Einkommen den Kulturgenuss und eine aktive Teilnahme am Kulturleben ermöglichen.

Eymann: Es ist nicht Sache der Politik, in irgendeinem Kulturbereich Schwerpunkte zu setzen. Die Kunst setzt die Schwerpunkte, die Politik hat die Rolle des Förderns und des Ermöglichens. Dazu braucht es einen intensiven Dialog mit den Kulturschaffenden, den ich gerne suchen werde.

Keller: Wenn ich mit Kulturschaffenden spreche, höre ich immer wieder, dass es beim Fördersystem Handlungsbedarf gibt. Die heutige starre Unterteilung in Sparten ist problematisch. Wer interdisziplinär arbeitet, wird abgestraft, weil sie oder er in keinen Fördertopf passt. Das Gegenteil sollte jedoch der Fall sein. Wir brauchen also ein angepasstes Fördermodell, das auch spartenübergreifende oder experimentelle Projekte berücksichtigt.

  • Das Kulturleitbild 2020-2025 hält die Ziele der künftigen Kulturpolitik fest und wurde unter Einbezug der Kulturszenen erarbeitet. Wollen Sie sich dafür einsetzen, dass die Kulturschaffenden auch in die Umsetzung einbezogen werden?

Eymann: Es muss immer möglich sein – nicht nur während der Erarbeitung wichtiger Regeln im Kulturbereich – Ideen einzubringen. Hier muss das PD 24/7/365 ein offenes Ohr anbieten.

Jans: Kulturpolitik soll nicht von oben nach unten gemacht werden, sondern unter Einbezug und im Austausch mit den Kulturschaffenden. Ich werde durchgehend im Dialog mit den Kulturschaffenden Politik machen. Das heisst aber nicht, dass ich mich scheuen würde, Entscheidungen zu treffen – auch harte.

Keller: Ja, der Einbezug der Kulturschaffenden muss bei der Umsetzung weitergeführt werden. Zürich hat Kulturschaffende bei der Erarbeitung eines neuen Fördermodells einbezogen, das kann ein Vorbild für Basel sein.

Auch Bajour spricht noch zu wenig über Kultur.

5. Ausblick

Als Regierungspräsidentin oder Regierungspräsident werden Sie ein dichtes Pensum und viele Termine haben. Nehmen wir an, Anlässe dürfen irgendwann wieder uneinge­schränkt statt­finden:

  • Was werden Sie sich Kulturelles gönnen, worauf freuen Sie sich schon jetzt wieder?

Eymann: Ich will bald wieder einmal alle Museen besuchen. Auch ein Pop-Konzert steht dann irgendwann auf dem Programm und die Eröffnung des Stadtcasinos hat mich «gluschtig» gemacht auf mehr.

Jans: Ich freue mich sehr auf das nächste Konzert von James Gruntz und auch «Die Metamorphosen» im Theater Basel will ich auf keinen Fall verpassen.

Keller: Ich freue mich sehr, wenn wieder in grosser Zahl Menschen zusammenkommen und gemeinsam Kultur geniessen können. Dieses starke Gefühl des Kollektivs, des gemeinsamen, physischen Erlebens, ist einfach unersetzlich. Darauf freue ich mich sehr, sei es bei Vernissagen, im Theater- und Musikhäusern oder bei Freiluft-Veranstaltungen.

Übrigens: Good und Bessenich sind nicht die ersten Kunst-Aficionadas, die ein bisschen Kultur in den Wahlkampf bringen wollten. Auch der Kulturpublizist Dan Wiener nahm die Sache selbst in die Hand und lud Eymann, Keller und Jans zum Podium. Bajour hat die Geschichte gestreamt, du kannst das Video hier nachschauen.

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