Weniger Papierkram, mehr Gewerbe?
Was braucht es, damit der Kanton attraktiver für kleinere und mittlere Unternehmen wird? LDP-Grossrat Philip Karger macht einen Vorschlag: weniger Bürokratie. Politiker*innen von links bis rechts unterstützen seinen Anzug.
Immer wieder hört man: Kleine und mittlere Unternehmen, kurz KMU, haben es im Kanton Basel-Stadt nicht leicht. Zu wenig Platz, zu hoher wirtschaftlicher Druck, sie ziehen in den «Speckgürtel», nach Münchenstein oder Birsfelden. Der KMU-Berater und LDP-Grossrat Philipp Karger beobachtet das mit Sorge. Schon im November hat er beim Regierungsrat eine schriftliche Anfrage deponiert, in der er nach einer KMU-Strategie des Kantons fragt. Nun hat er zusammen mit diversen Grossrät*innen von Links bis Rechts einen Anzug lanciert, der eine Analyse und konkrete Verbesserungen fordert. Im Fokus steht die Bürokratie.
Denn, wie Karger am Telefon sagt, sind «im Arbeitsalltag vieler KMU die bürokratischen Abläufe der kantonalen Verwaltung eine grosse Hürde». Gezeigt habe sich das im Gespräch mit verschiedenen Mitgliedern des Vereins «Pro-KMU.net» (früher: «Gruppe23»), in dessen Auftrag er den Anzug lanciert hat. Der Verein besteht aus etwa 70 Mitgliedern und macht sich für eine «prosperierende KMU-Wirtschaft» stark.
«Gerade kleinere Unternehmen müssen heute für Behördenkontakt sehr viel Zeit einberechnen, anstatt dass sie diese Zeit ins Tagesgeschäft investieren können», sagt Karger. Während KMU es sich heute gewohnt sind, alles elektronisch zu erledigen, scheint die Verwaltung verstaubt. Zumindest erhält man diesen Eindruck, wenn man dem LDP-Politiker zuhört.
Und auch der Gewerbeverband Basel-Stadt teilt die Einschätzung, dass bürokratische Prozesse im Kanton vergleichsweise aufwändig und langwierig seien. «Ganz generell besteht in Basel immer wieder die Tendenz, dass man es besonders gut machen will», sagt Gewerbeverbandsdirektor Reto Baumgartner auf Anfrage. Man spreche dann vom «Basel Finish».
Zu nennen sei hier etwa das Thema Lohngleichheitskontrollen bei Unternehmen, die an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen. «Landesweit gilt die entsprechende Pflicht für Unternehmen, die 100 oder mehr Mitarbeitende beschäftigen.» In Basel liegt diese Grenze, ab welcher Unternehmen im Beschaffungswesen die Lohngleichheit zwischen ihren männlichen und weiblichen Angestellten nachweisen müssen, seit November bei 10 Mitarbeitenden. «Da kann man wirklich nicht mehr von gleich langen Spiessen sprechen», so Baumgartner.
Insbesondere in der Bauwirtschaft seien die bürokratischen Prozesse in Basel-Stadt besonders aufwändig im Vergleich mit anderen Städten oder Nachbarkantonen. Baumgartner spricht vom vieldiskutierten Basler Wohnschutz. «Der Mieterschutz ist hier extrem – so hoch, dass es sich kaum noch lohnt, auch dringend notwendige Sanierungen durchzuführen, weil man die Kosten nicht weiterverrechnen kann», findet der Gewerbeverbandsdirektor.
Dem LDP-Grossrat Karger brennt ein anderes Beispiel unter den Nägeln: «Wenn ich für meine Firma eine Heizung mit Erdsonde einbauen will, weil sie sich nicht im Fernwärmegebiet der IWB befindet, unterstützt der Kanton das mit einem Beitrag. Es dauert aber sehr lange, bis ich diesen Unterstützungsbeitrag nach dem Einbau der Heizung erhalte. Das heisst: Ich muss mehrere Zehntausend Franken vorschiessen und unter Umständen bis zu einem Jahr warten, bis ich dieses Geld erhalte. Für kleinere und mittlere Unternehmen ist das schwierig.»
Die Abläufe dauern nicht nur lange, der Papierkram ist auch aufwändig, so Karger. «Man muss zig Formulare ausfüllen und unterschreiben, in vielen Fällen wird dann auch gewünscht, dass man sie per Post einschickt. Und wenn man sie digital ablegen will – wie wir uns das heute ja gewohnt sind – muss man sie einscannen.» Solche langwierigen und aufwändigen Papierkramprozesse gebe es auch in ganz vielen anderen Bereichen, so Karger. «Zum Beispiel beim Lehrlingswesen, wenn ich ein neues Firmenauto melden will, eine Lohnmeldung mache… eigentlich fast immer, wenn man Behördenkontakt hat.»
In Kargers Augen ginge das einfacher. «Digitalisierung heisst nicht einfach, die Dokumente elektronisch zu haben, sondern auch, dass digitale Instrumente einem Arbeit abnehmen.» Das zeige sich beim Staat aber noch zu wenig. Es gebe zwar einzelne positive Beispiele, zum Beispiel die Steuererklärung. «Da läuft es inzwischen ja super», lobt er. «Ganz viele Formulare sind elektronisch schon vorausgefüllt. Es ist alles ruckzuck erledigt.»
SP-Grossrätin und Unternehmerin Michela Seggiani, ebenfalls im Vorstand des Vereins Pro-KMU.net und Mitunterzeichnerin des Anzugs, sagt, auch sie höre «ständig» von den Schwierigkeiten bei Bewilligungsverfahren. Vom «klischierten Bild» des verstaubten Bürokratie-Staates will sie aber nicht ausgehen. «Mir ist es wichtig, dass wir das Bürokratie-Thema konstruktiv angehen. Deshalb fragen wir in diesem Anzug jetzt erst mal einfach nach, wie es um diese Abläufe für die KMUs steht.»
Wenn sich dann herausstelle, dass es grösseren Handlungsbedarf gebe, könne sie sich einen weiteren Vorstoss vorstellen, der Forderungen aufstellt. Aber vorerst gehe es darum, «der Sache nachzugehen».
Beim Kanton will man der Stellungnahme des Regierungsrats zu Kargers Vorstössen nicht vorgreifen, schreibt das Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (WSU) auf Anfrage. Das Finanzdepartement verweist aber punkto Digitalisierung auf eine Untersuchung der Universität Bern, die vor ein paar Jahren den Digitalisierungsgrad in den Kantonen gemessen und Basel-Stadt im «vorderen Mittelfeld» platziert hat.
Karger jedenfalls hofft, dass der Kanton sich dem Thema annimmt und mit einer Analyse herausfindet, was KMUs im Kanton brauchen. Wenn der Kanton die bürokratischen Prozesse gezielt vereinfachen würde, wäre das ein Standortvorteil, so der Politiker: «Gerade für kleinere Unternehmen könnte das ein Kriterium sein, sich gegen einen Wegzug aus dem Kanton zu entscheiden», denkt er. «Oder vielleicht würden sich KMU sogar überlegen, nach Basel zu kommen, weil hier alles schnell und einfach wäre.»
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