Streiken oder diskutieren?

Wie weiter nach den Besetzungen? Die pro-palästinensische Bewegung an der Uni Basel ist sich nicht einig. Die einen versuchen die Inhalte der Proteste in universitäre Seminare zu tragen, die anderen mobilisieren zum Massenstreik.

Uni-Besetzung Bernoullianum Basel Pro-Palästina
Das pro-palästinensisches Encampment im Bernouillanum am 14. Mai 2024. Wie geht es im neuen Semester weiter mit den Protesten? (Bild: Valerie Wendenburg)

Ist es das bittere Los aller linken Gruppierungen, dass sie sich irgendwann spalten? Die historischen Beispiele reichen von der Spaltung von Sozialdemokratie und Kommunismus hin zu den Grünen, die bei den kantonalen Wahlen nicht mehr mit der Basta antreten wollen. Der jüngste Fall: «unibas4palestine», die pro-palästinensische Studierendenbewegung an der Universität Basel, die im Mai die Besetzung mehrerer Uni-Gebäude organisierte.

Zumal es nicht wirklich eine Spaltung ist, sondern es sind «unterschiedliche Ansätze», wie die Aktivist*innen es nennen würden. Jedenfalls: Ein Teil der Bewegung agiert unter neuem Namen. An der nationalen Pro-Palästina-Demo am vergangenen Samstag wurden Flyer von einer Gruppierung namens «strike4palestine» verteilt, die zu einem «massiven Studierenden-Streik» mobilisieren will. Ein Mitglied bestätigte gegenüber Bajour, dass es nun eine zweite pro-palästinensische Studierenden-Gruppierung an der Uni Basel gibt.

Diskussionen über einige Mitglieder

Hinter «strike4palestine» stehen hauptsächlich die Aktivist*innen aus dem Umfeld der marxistisch-leninistischen «Revolutionären Kommunistischen Partei» RKP (bis vor kurzem «Der Funke»). In Zürich stand die Bewegung in der Kritik, weil sie wenige Tage nach dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 Plakate mit dem Slogan «Intifada bis zum Sieg» an den Zürcher Unis aufhing.

Bei den Basler Uni-Besetzungen, die sich als studentische Graswurzelbewegung versteht, waren von Anfang Personen beteiligt, die auch in der RKP sind – was allerdings schon damals kritisiert wurde: Bereits am zweiten Abend der Bernoullianum-Besetzung gab es im Plenum Diskussionen darüber, inwiefern der Einfluss der RKP-Mitglieder geduldet werden soll. «Der Konsens war, dass es uns allen um Solidarität für Palästina geht und wir die gleichen Ziele verfolgen», erzählt eine Person, die bei den Besetzungen beteiligt war.

Räumung Besetzung Bernouillanum Uni Basel Pro Palästina, 15. Mai 2024
Die Besetzungen im Mai

Mitte Mai besetzten pro-palästinensische Aktivist*innen mehrere Gebäude der Universität Basel, um diese zur Aussetzung der Kooperation mit israelischen Institutionen zu bringen. Zunächst das Bernouillanum, das nach drei Tagen geräumt wurde. Die Polizei kesselte einen Teil der Aktivist*innen nach der Spontandemo, die auf die Räumung folgte, ein und führte Personenkontrollen durch. Wenige Tage später besetzte die Gruppe kurz die alte Gewerbschule und dann das Institut für Soziologie. Die Räumung erfolgte nach drei Tagen. Die dort kontrollierten Studierenden wurden im Nachgang schriftlich verwarnt. Dialogversuche zwischen den Aktivist*innen und der Uni-Leitung scheiterten.

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Nach den Besetzungen wurde es ruhiger um die Gruppe «unibas4palestine», auch weil ab dem Semesterende weniger Studierende in Basel waren. Die RKP-Mitglieder trieben in dieser Zeit dennoch die nächste Form der Protestorganisation voran. Sie folgen dem von der nationalen Partei lancierten Streik-Aufruf, der wiederum Teil einer international koordinierten Kampagne kommunistischer Bewegungen ist: Auf die erfolglosen Besetzungen soll ein Streik an Unis und Schulen folgen, der den Betrieb unmöglich macht, bis die Institutionen auf die Forderungen der Aktivist*innen eingeht.

Diese Protestform überzeugte allerdings nicht alle bei «unibas4palestine». Ein Mitglied sagt: «Ein Streik hat Wirkung, wenn wirklich massenhaft Leute mobilisiert werden. Da wir als ‹unibasel4palestine› an der Universität nicht offen über Palästina sprechen können, ist eine Mobilisierung sehr schwierig.» Damit Teilnehmer*innen zum Streik motiviert würden, bräuchte es die Aussicht auf ein Ende des Streiks, also erfüllbare Forderungen. «Die Streikforderungen umfassen ein Ende des Imperialismus, was wir nicht als realistisch erachten.»

Zwei Gruppen, aber der Wille zum gemeinsamen Ziel

«unibas4palestine» ist derweil nicht gegen den Streik, «wir unterstützen ihn sogar», wie die Person betont. Aber die Gruppe sehe momentan andere Protestformen als angemessener an. «Als Studierendenbewegung können wir den Dialog auf akademischem Weg nicht ignorieren, auch wenn wir aktivistische Formen wählen – es braucht beides: Aktivismus für die Aufmerksamkeit und akademischen Dialog für das Verständnis, warum wir für palästinensische Selbstbestimmung kämpfen.»

Den Diskurs auf eine akademische Ebene zu bringen, sei jedoch schwierig, da die Universitätsleitung mit institutioneller Repression reagiere, beispielsweise mit Sanktionen. Zuletzt konnten Vertreter*innen von «unibas4palestine» dennoch an einer offiziellen universitären Diskussionsrunde teilnehmen: «Wir hoffen, dass wir so anfangen können, endlich in den akademischen Dialog zu treten.» Aktivistisch will «unibas4palestine» weiter mit Kundgebungen, Workshops, Informations-Veranstaltungen sowie weiteren Aktionsformen arbeiten.

Der Eindruck einer Spaltung hilft dem gemeinsamen Anliegen nicht, wie beiden Gruppen bewusst ist. «strike4palestine» schreiben deshalb in ihrem Streik-Aufruf: «Nicht alle pro-palästinensischen Gruppen stimmen bei allem überein.» Aber ihre Meinungsverschiedenheiten seien nichts im Vergleich dazu, was sie im gemeinsamen Kampf vereine.

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Das ist David (er/ihm):

Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitik. Way too many Anglizismen.

Kommentare

Marcus
13. Oktober 2024 um 07:44

Ein Uniweiter Streik oder Besetzung. Das hat schon bei "Uni brennt" nicht funktioniert, 99% der Studierenden war das schlicht egal. So wird es auch da sein. Eine Kleinstgruppe an Studierenden, welche sich in ihrer Bubble bewegt, schwadroniert von einer grossen Bewegung gegen Israel an der Uni. Es ist erstaunlich wie Kleinstgruppen von Medien grossgeschrieben werden. False Balance sagt man dem. Schlussendlich werden es ein paar Nasen sein, welche noch von Uni-extern bisschen Unterstützung erhalten. Nicht mehr, nicht weniger.

Sel
11. Oktober 2024 um 14:50

Studierende können nicht streiken.

Eine Besetzung der Uni ist kein Streik und die Ziele dieser Bewegung waren von Anfang an unklar.