Zum Scheitern verurteilt?

Auch ein weiterer Dialogversuch zwischen propalästinensischen Aktivist*innen und Unileitung scheitert. Vermittler Markus Wild ordnet ein, warum es derzeit für beide Seiten so schwierig ist, an einen Tisch zu kommen.

Uni basel
Aktuell ist kein Dialog an der Universität Basel mit den Besetzer*innen möglich. (Bild: Valerie Wendenburg)

Es sah danach aus, als könnte schliesslich doch noch ein Dialog rund ums Thema der propalästinensischen Besetzungen an der Universität Basel stattfinden. Philosophie-Professor Markus Wild hat in Eigeninitiative diesen Dialogversuch gestartet, wie Bajour bereits berichtete. 

Zwar hatten im Vorfeld beide Seiten signalisiert, dass sie sich an diesem Dialogangebot beteiligen wollen. Doch am Donnerstag postete die Gruppe Unibas4Palestine, unter deren Namen die Besetzungen und Proteste organisiert wurden, auf Instagram eine Meldung, dass die «Universität die Gespräche abbricht, bevor sie angefangen haben». Die Universitätsleitung sei demnach nicht bereit, mit der Bewegung in ein Gespräch zu treten.

Uni-Mediensprecher Matthias Geering erklärte auf Anfrage von Bajour, dass der Dialog tatsächlich nicht stattfinden werde. Eine zunächst angekündigte ausführlichere Stellungnahme, was die Uni bereits an Massnahmen aufgegleist habe und warum die übrigen Forderungen der Aktivist*innen nicht verhandelbar seien, gab es dann am Freitag trotz Ankündigung nicht. Geering verwies darauf, dass die Unileitung bereits früher deutlich gemacht habe, dass sie nicht bereit sei, über eine Einstellung der Kooperation mit israelischen Unis zu diskutieren.

Markus Wild
Markus Wild hat bisher ohne Erfolg versucht, zu vermitteln. (Bild: Sentience)

Das ist die Hauptforderung der Aktivist*innen von Unibas4Palestine, doch diese sei nicht der primäre Inhalt des Dialogversuchs gewesen, wie Vermittler Markus Wild auf Anfrage erklärt. «Ziel des Aktionsplans, den ich entworfen habe, war, einige Themen der Proteste zurückzuführen in die universitäre und akademische Diskussion. Gemeinsam wollte ich mit Studierenden zum Beispiel überlegen, was die ethischen Prinzipien wissenschaftlicher Kooperation der Uni Basel sind und sein könnten.»

Er betont, dass auch feststand, dass es sich nicht «ad hoc» um den Gaza-Krieg oder gar um den Staat Israel gehe, sondern um generelle Prinzipien. Die aktuelle Situation in Nahost könnte jedoch laut Aktionsplan noch mehr im Lehrangebot und im universitären Rahmen abgedeckt werden. «Ich habe gemerkt: Studierende wollen darüber reden, es beschäftigt sie sehr.»

Die ethischen Prinzipien, so Wild, seien seiner Auffassung nach der mögliche «rationale Kern», aufgrund dessen ein diplomatischer Dialog zwischen den protestierendenStudierenden und der Unileitung (in Form der Vizerektorate) möglich gewesen wäre. «Doch dazu braucht es gegenseitigen Vertrauensvorschuss», so Wild. Dazu gehörte in seinem Aktionsplan die Prämisse, dass die aktivistischen Studierenden nicht als Vertreter*innen von Unibas4Palestine auftreten. Das liegt daran, dass vermutlich nicht nur Studierende, sondern auch andere Aktivist*innen Teil der Proteste sind.

Pro-Palästina-Demonstration, Besetzung Bernoullianum Uni Basel, 14. Mai 2024
Die Aktivist*innen fordern, eine Ende der Kooperation enmit israelischen Unis, (Bild: David Rutschmann)

«Das war wohl der Breaking Point», sagt Markus Wild. Er ordnet das Wording und Framing von Unibas4Palestine so ein («Im privaten Gespräch waren die Studierenden differenzierter als in der öffentlichen Kommunikation der Gruppe»), dass «sich die Aktivist*innen eher dazu entschieden haben, als Bewegung stark bleiben zu wollen und Solidarität zu zeigen, anstatt sich durch die Teilnahme an diesem Dialog möglicherweise vereinnahmen zu lassen».

So ist beispielsweise im Unibas4Palestine-Statement zum Dialogabbruch die Rede davon, dass die Unileitung weiterhin mit juristischen und disziplinarischen Massnahmen gegen Studierende drohe. Die Meldung, dass die Unileitung darüber Ende Juni entscheiden würde, kann Unisprecher Matthias Geering auf Anfrage nicht bestätigen.

Die Sorge, welche Konsequenzen für die Teilnahme an Besetzungen oder eben auch Demonstrationen folgen, beschäftigt derzeit auf verschiedenen Ebenen der Universität. Bajour liegt ein Mailverkehr vor, der aufzeigt, dass Mitarbeitende vom Dekanat daran erinnert werden, dass sie vertraglich einer «Treuepflicht» unterliegen und sich der möglichen Konsequenzen illegaler Handlungen bewusst sein sollten. 

In einem Brief aus dem Dekanat werden darüber hinaus Dozierende und Mitarbeitende aufgefordert, sich gegen jede Form «physischer und rhetorischer» Eskalationen (manche Slogans haben bei jüdischen Menschen Angst vor antisemitischer Gewalt ausgelöst; siehe Bajour-Artikel) einzusetzen. Weitere «Zwischenfälle» würden sich nicht nur für die direkt Betroffenen negativ auswirken, sie hätten womöglich für die gesamte Fakultät grössere Reputationsschäden zur Folge. Somit sehen sich offenbar alle Seiten unter Druck: Unileitung, Aktivist*innen, Studierende und Dozierende.

tracking pixel

Das könnte dich auch interessieren

Bildschirmfoto 2025-05-15 um 07

Valerie Wendenburg am 15. Mai 2025

«Das Töten und der Krieg müssen aufhören»

Die Palästinenserin Amira Mohammed und der Israeli Magen Inon setzen sich für Frieden im Nahostkonflikt ein. Im Interview mit Bajour erzählen sie, was sie von einem ESC-Boykott gegen Israel halten und warum die Schweiz ein Vorbild für sie ist.

Weiterlesen
Palästina_Kundgebung Rathaus ESC

Valerie Wendenburg am 14. Mai 2025

Israels Teilnahme am ESC ist umstritten

Während das Motto des Eurovision Song Contest «United by music» Zehntausende Besucher*innen nach Basel zieht, spaltet die Debatte um die Teilnahme Israels die Gemüter. Wir haben unsere Leser*innen gefragt, was sie von einem Ausschluss Israels halten.

Weiterlesen
1. Mai 2025

Ina Bullwinkel am 01. Mai 2025

Vorgeschmack auf die ESC-Demo

Mehrere tausend Menschen demonstrierten am 1. Mai unter dem Motto «Solidarität statt Hetze». Während die Gewerkschaften auf dem Barfüsserplatz ein friedliches Fest feierten, fiel der revolutionäre Block mit pro-palästinensischen Sprayereien und fliegenden Tomaten auf.

Weiterlesen
Alfred Bodenheimer Maurus Reinkowski

Valerie Wendenburg am 03. März 2025

«Die Vorlesung kann eine grosse Sprengkraft haben»

Im aktuellen Semester bietet die Uni Basel eine Ringvorlesung zum Israel-Palästina-Konflikt an. Alfred Bodenheimer, Leiter des Zentrums für Jüdische Studien, und Maurus Reinkowski vom Seminar für Nahoststudien möchten konträre Positionen in einer Vorlesung vereinen. Wie, erzählen sie im Interview.

Weiterlesen
David Rutschmann

Das ist David (er/ihm):

Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitik. Way too many Anglizismen.

Kommentare