Jetzt hat Eymann das militante Geschenk

Die Liberale gefällt sich in der Rolle der harten Justizdirektorin, die durchgreift. Nur: Seit ihrer Regierungszeit ist die Situation mit den Demonstrationen weiter eskaliert. Ein Kommentar.

Stephanie Eymann Demonstration
(Bild: Keystone/ Illustration: Bajour)

Auf der Strasse ist seit Frühling 2021 fertig liberale Linie. Damals verkündete Regierungsrätin Stephanie Eymann (LDP), sie wolle mehr durchgreifen bei unbewilligten Demonstrationen. 

Jetzt hat sie das Geschenk. Am 8. März* eskaliert wieder einmal eine unbewilligte Demonstration. Feminist*innen bewegen sich laut Polizei trotz Abmahnung auf eine Polizeikette zu. Einige Frauen rufen laut Primenews zwischendurch unter anderem: «Ganz Basel hasst die Polizei.» Die Beamten schiessen mit Gummischrot.

Einmal mehr stehen offensichtlich auf Provokation bis Krawall gebürstete Aktivist*innen Polizist*innen gegenüber. Doch dieses Mal sind die Behörden gerüstet, nachdem sie an einer Demonstration Mitte Februar in Unterzahl waren, an der es zu überraschend wüsten Ausschreitungen kam. Beide Seiten berichteten danach von Verletzten.

Böse Worte gegen die Polizei, Tränengas, Gummischrot: Statt dass mit Eymanns neuer Politik Frieden eingekehrt wäre, eskalieren Demonstrationen immer wieder. Und geben der SVP wieder einmal beste Munition für die Wahlen im Herbst. Prompt hat sie gleich zwei Initiativen eingereicht, die mehr Repression fordern (Bajour berichtete).

Überraschend kommt das nicht. Als Eymann im Mai 2021 ihr härteres Durchgreifen ankündigte, fragte sich Bajour: «Es stellt sich für die Bewohner*innen die Frage, ob sie in Zukunft tatsächlich mit weniger Demos, oder einfach mit noch mehr Scharmützeln zwischen Aktivist*innen und Polizist*innen zu rechnen haben.»  

Knapp zwei Jahre und einige Demos später müssen wir sagen: letzteres. Beziehungsweise: Eymanns Strategie hat versagt. Einige linksautonome Gruppierungen scheinen sich erst recht um Bewilligungen zu foutieren, die Polizei schiesst Tränengas und Gummischrot, es kracht und knallt und niemand ist zufrieden. 

Staatsanwaltschaft verliert Vertrauen

Die Situation zwischen Polizei und Demonstrant*innen ist völlig verhärtet. Und das ist nicht nur, weil einige Demonstrant*innen, etwa vom Aufbau, tatsächlich blöd tun. Sondern auch, weil die Behörden das Vertrauen bei Teilen der manifestierenden Bevölkerung verloren haben.

Beispielsweise, wenn die Polizei eine völlig aufgeblasene Statistik zu den Demonstrationen veröffentlicht, die Demonstrationszüge und Standkundgebungen gleichsetzt. Oder wenn die Staatsanwaltschaft bei den «Nazifreiprozessen» derart einseitig ermittelt, dass sie von der Aufsichtskommission gerügt wird

Ausserdem verhindern die Behörden neuerdings Vermittlungsversuche vonseiten der Parteien. Das fing schon unter Baschi Dürr an. Beispielsweise, als Nationalrätin Sibel Arslan bei der unbewilligten feministischen Demonstration vermitteln wollte und die Polizei sie darauf hin abführte. Dass die Staatsanwaltschaft sie obendrauf noch vor Gericht ziehen und dafür ihre nationalrätliche Immunität aufheben wollte (was die zuständigen Kommissionen ablehnten), ist letztlich der Sackgasse gewordene Ausdruck des verlorenen Basler Kompass’.

Dialog unerwünscht?

Das Signal, das die Behörden aussenden: Dialog unerwünscht. Dabei hat die Basler Demonstrationspolitik Jahre lang genau wegen solcher Vermittlungsversuche funktioniert – man erinnere sich an den früheren Basta-Präsident Urs Müller, der regelmässig Bewilligungen für Demonstrationen linker Gruppierungen einholte und so die Zusammenarbeit mit der Polizei ermöglichte.

Jetzt muss man fairerweise sagen: Die Polizei sucht den Dialog punktuell mittels eigener Dialogteams immer wieder. Und es gibt eine Handvoll Querschläger*innen auf der Seite der Linksautonomen, die kein Interesse daran haben, egal, wie gesprächsbereit die Polizei auftritt. So wie an genannter Demo im Februar, von der sich im Nachgang sogar Klimaaktivist*innen und linke Politiker*innen distanzierten.

Aber: Der Grundtenor der Demostrategie der Behörden ist repressiver als früher, entsprechend streitlustiger reagieren tendenziell die Linksautonomen. Die Wissenschaft zeigt hingegen: Mit einer sinnvollen Deeskalationsstrategie lassen sich viele Ausschreitungen verhindern.

Regierungsrätin Stephanie Eymann dürfte das nicht gerne hören. Sie mag sich in der Rolle der harten Justizdirektorin, die durchgreift, gefallen. Schliesslich haben in der Vergangenheit Gewerbe und Bevölkerung in ihrem Frust immer wieder nach harten Massnahmen gerufen. 

So, wie es die SVP jetzt wieder tut. Für die Oppositionspartei mag sich das ein halbes Jahr vor den Wahlen lohnen. Doch die LDP als Regierungspartei ist realistischen Lösungen, nicht einfachen Parolen verpflichtet. 

Jetzt gibt es nur eins: Eymann muss ihre Strategie überarbeiten und mehr auf Deeskalation setzen. 

* In der Originalversion dieses Kommentars war die unbewilligte Demonstration vom 8. März kein Thema, weil er wenige Stunden VOR der Kundgebung und dem Polizeieinsatz erschien. Nun haben wir ihn angepasst

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Hier weil: Das Hobby meines Mannes finanziert sich nicht von alleine.

Davor: Chefredaktorin im Lokalmedium meines ❤️-ens (Bajour), TagesWoche (selig), Gesundheitstipp und Basler Zeitung

Kann: alles in Frage stellen

Kann nicht: es bleiben lassen

Liebt an Basel: Mit der Familie am Birsköpfli rumhängen und von rechts mit Reggaeton und von links mit Techno beschallt zu werden. Schnitzelbängg im SRF-Regionaljournal nachhören. In der Migros mit fremden Leuten quatschen. Das Bücherbrocki. Die Menschen, die von überall kommen.

Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

Interessensbindungen:

  • Vorstand Gönnerverein des Presserats
  • War während der Jugend mal für die JUSO im Churer Gemeindeparlament. Bin aber ausgetreten, als es mit dem Journalismus und mir ernst wurde.

Kommentare

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Florian Suter
Hausarzt im Ruhestand

Vielen Dank für diesen wichtigen Kommentar. Ich teile die Absicht vollumfänglich und denke auch, dass Stefanie Eymanns militante Politik gegenüber unbewilligten Demonstrationen Schiffbruch erlitten hat. Die Idee eines runden Tisches, wie sie etwa von Claude Bühler formuliert wurde, schiene mir ein gangbarer Weg.