Cramer muss jetzt liefern
Conradin Cramer (LDP) ist Basels erster bürgerlicher Regierungspräsident. Heisst das jetzt: Wohnschutz wird abgebaut, die Fachstelle Klima eindampft und bei der Gleichstellung nicht weiter gemacht? Das sind die Erwartungen an den neuen Kopf der Regierung.
Conradin Cramer ist neuer Regierungspräsident von Basel. Der LDP-Politiker wechselt damit nach sieben Jahren in das Amt, für dessen Abschaffung noch vor zwei Jahren Bürgerliche plädiert haben: Das Präsidialdepartement. Dieses hat aber eben nicht nur eine repräsentative Funktion, sondern verantwortet auch Fachbereiche, in denen sich in den vergangenen Jahren viel getan hat, die Vorgänger von Cramer teils aber auch die Zähne ausgebissen haben. Nach zwei Grünen- und einem SP-Regierungspräsident*innen ist in der 15-jährigen Geschichte des Präsidialdepartements erstmal ein Liberaler an der Spitze. Das sind die Erwartungen an Cramer:
Klima
Beat Jans liess sich 2021 mit dem Versprechen ins Präsidium wählen, Klimapolitik in Basel zur Chefsache machen zu wollen. Dieses Wahlversprechen löste er ein, indem er im Präsidialdepartement eine eigene Fachstelle Klima schuf. Deren Daseinsberechtigung wurde dann sogleich mit der kantonalen Volksabstimmung zur Klimaneutralität bis 2037 legitimiert.
Dieses Ziel setzte der Fachstelle einen gewissen Anker. Sie legte im vergangenen Herbst den umfassenden ersten Teil der Klimaschutzstrategie zu, 2025 soll der zweite Teil folgen. Dazu sind weitere Monitoringberichte, Gesamtüberprüfungen und Umsetzungsberichte geplant. Diesen Fahrplan über den Haufen zu werfen, bräuchte doch einen sehr bösen Willen.
Auch Conradin Cramer bekannte sich in der Basler Zeitung klar zur Umsetzung der Klimastrategie. Zweifel an der Fachstelle Klima blitzen trotzdem durch. Cramer liess im Wahlkampf durchblicken, dass er entgegen seinem Vorgänger nicht findet, dass Klimapolitik primär im Präsidialdepartement gemacht werden muss. Der Fahrplan steht, jetzt finde die Umsetzung aber eh in den einzelnen Departementen statt, betonte er.
«Er muss bei der Klimaloki eher noch das Tempo erhöhen. Es ist längst noch nicht alles aufgegleist.»Vera Mühlebach, Basel2030
Die strategische Stabstelle sei weiterhin notwendig, sagt Vera Mühlebach von der Basel2030-Bewegung und verweist darauf, dass FDPler Luca Urgese im Wahlkampf mit dem Argument, Doppelspurigkeit zu vermeiden, aus liberaler Perspektive die Fachstelle Klima legitimiert hatte. «Cramer sollte die Fachstelle also stärken», findet Mühlebach. «Er muss bei der Klimaloki eher noch das Tempo erhöhen. Es ist längst noch nicht alles aufgegleist.»
Entsprechend ist die Erwartungshaltung auch, dass im zweiten Teil der Klimastrategie dann einerseits sozial verträgliche Massnahmen für den Weg zu Netto-Null vorgestellt werden. Andererseits sollte auch die Verantwortung über die Kantonsgrenzen hinaus in den Blick genommen werden: Emissionen, die entlang der Wertschöpfungskette von Basler Unternehmen und durch den Konsum in Basel entstehen. Für Mühlebach bedeutet das auch: «Cramer müsste Projekte wie den Rheintunnel endgültig begraben.»
Wohnschutz
Dass da finally ein Bürgerlicher den grossen Zankapfel Wohnschutz verantworten wird, lässt Investor*innen Hoffnung schöpfen. Man klagt laut und lange über die Wohnschutzkommission, die über die Mietzinserhöhung nach Sanierungen entscheidet – was letztlich nur noch zu magerer Rendite führt. Die Baloise kündigte an, deshalb gar nicht mehr in Basel sanieren zu wollen.
Zumal man auch auf Seite des Mieter*innenverbandes, der das Stimmvolk 2021 von einer strengeren Wohnschutzgesetzgebung überzeugen konnte, nicht gerade happy war mit Beat Jans. Die Regierung lehnte die Vorlage seinerzeit ab, Jans drückte aber nach der Abstimmung seine Bereitschaft zur Umsetzung des Wähler*innenwillens aus.
Doch die Umsetzung machte dann nicht nur die Bürgerlichen stinkig, sondern auch den Mieter*innenverband und vor allem deren Spiritus Rector Beat Leuthardt: Die Regierung hätte «sein» Gesetz mit der dazugehörigen Verordnung wieder verwässert. Das befürchtet Leuthardt, der inzwischen nur noch als Berater des Verbands dient, nun auch von Cramer.
«Für jede Gesetzesverwässerung am Wohnschutz müsste Cramer mit einem Referendum rechnen»Beat Leuthardt, Mieter*innenverband
Doch auch unter bürgerlicher Regierungsleitung kann das Wohnschutzgesetz nicht einfach gekippt werden. Cramer betonte zwar in der Basler Zeitung, möglichst schnell wieder Neubauten und Sanierungen erleichtern zu wollen. Doch er muss wie bisher den Volksentscheid respektieren. «Für jede Gesetzesverwässerung am Wohnschutz müsste Cramer mit einem Referendum rechnen», droht Beat Leuthardt.
Spannend wird es, wenn sich der Regierungsrat nun unter Cramers Leitung dieser Tage zum Thema bespricht. Dann wird er sich zu den fünf im Januar von bürgerlichen Parlamentarier*innen überwiesenen Motionen – Leuthardt nennt sie «Rendite-Motionen» – äussern. Leuthardt: «Ich erwarte von ihm als Regierungspräsidenten eine konsequente Umsetzung eines klaren Wohnschutzgesetzes und dass er sich auf die Seite der Wohnbevölkerung stellt.»
Kultur
In der Kulturpolitik hat sich in der Ära Jans viel getan. Er musste die 2020 vom Stimmvolk angenommene Trinkgeld-Initiative umsetzen, die eine höhere Förderung der Jugend- und Alternativkultur verlangte: Fünf Prozent des Kulturbudgets sollen in diesen Bereich fliessen. Jans musste koordinieren, nicht dass die Umsetzung bedeutet, dass die etablierten Kulturinstitutionen deshalb weniger Subventionen erhalten.
Dafür brauche es jetzt aber auch Verständnis, dass die Förderung der Jugend- und Alternativkultur ein work-in-progress sei, sagt Sebastian Schlegel, Geschäftsleiter von Kulturstadt Jetzt, ein überparteiliches Komitee zur Stärkung der Kultur in Basel: «Hier wird zum Beispiel in der Clubförderung in Basel Pionierarbeit geleistet. Dazu braucht es auch die Möglichkeit, auszuprobieren, zu scheitern und zu verbessern – unter diesem Grundsatz wurde entwickelt und soll auch weiter gearbeitet werden können.» Dass es da noch Anpassungen und Justierungen brauchen würde – dieses Vertsändnis müsse man mitbringen.
«Wir brauchen die Möglichkeit, auszuprobieren, zu scheitern und zu verbessern – unter diesem Grundsatz wurde die Clubförderung entwickelt und soll auch weiter gearbeitet werden können.»Sebastian Schlegel, Kulturstadt Jetzt
Was Cramer im Interview mit der Basler Zeitung sagte, nämlich «die Trinkgeld-Initiative zu respektieren» gefiel Sebastian Schlegel nicht so ganz: «Wir würden uns wünschen, dass die Trinkgeld-Initiative nicht nur respektiert wird, sondern dass sie auch als Signal und Auftrag verstanden wird. Schliesslich wurde sie deutlich angenommen.»
Natürlich müsse man Wert auf die kulturellen Leuchttürme in der Stadt legen, sagt Schlegel. Aber in einer ersten Begegnung mit dem neuen Regierungspräsidenten würde er Cramer mitgeben, dass Basel, «um weiter hell zu strahlen», den Nachwuchs brauche. «Und der entwickelt sich nicht im Kunstmuseum, sondern in den Off Spaces, das darf nicht vergessen gehen.»
Gleichstellung
Die Revision des Gleichstellungsgesetzes war eine schwere Geburt. Letztlich fand sich doch ein Kompromiss, so dass Basel jetzt eine Vorreiterrolle in der Deutschschweiz einnehmen kann: Das Gesetz soll nicht nur die Gleichstellung von Frau und Mann fördern, sondern auch von LGBTIQ+-Menschen.
«Damit ist die Arbeit aber nicht getan. Das Gesetz muss jetzt auch noch umgesetzt werden. Das ist die Erwartung der Community an Conradin Cramer», sagt Billy Ostertag, bei der queeren Organisation habs queer Basel für Medienarbeit zuständig und wie Cramer ebenfalls in der LDP politisch aktiv. In welche Richtung die Umsetzung jetzt geht, inwiefern Anlässe organisiert, Institutionen gegründet und queere Personen vernetzt werden – das soll am 29. April bei einem Informationsanlass des Gleichstellungsbüros vorgestellt werden.
Programmpunkte sind Informationen zum Aufbau eines Fachbereichs LGBTIQ und ein Input vom Finanzdepartement zum Thema Staatsbeiträge. Früher oder später wird also die Verteilung von Geldern Thema werden und da könnte ein Seilziehen unterschiedlicher politischer Strömungen wieder programmiert sein. «Da wird Cramer auf Austausch setzen müssen», sagt Ostertag.
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