Schlechter Journalismus, darbende Demokratie

Wenn Alt-Regierungsrat Christoph Eymann kritisiert, dass die (Wahl-)Berichterstattung an Qualität einbüsst, hat er vermutlich recht. Er sollte sich aber die Ursachen der Medienkrise genau anschauen, kommentiert Chefredaktorin Ina Bullwinkel.

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(Bild: Adobe Stock/Collage: Bajour)

Der Wahlkampf rückt auf die Meta-Ebene, auch aus Sicht der Medien. Nachdem am Wochenende der Baz-Chefredaktor Marcel Rohr in seinem Leitartikel einen «flauen Wahlkampf» bemängelte und das Angriffige der Regierungskandidat*innen vermisste, meldete sich ein paar Tage später Alt-Regierungsrat Christoph Eymann (LDP) mit einer seinerseits angriffigen Replik in der gleichen Zeitung zu Wort.

Eymann bewertet die Situation anders. Er verortet die Verantwortung für die angebliche Fadheit auch bei der Basler Zeitung, die nicht umfassend berichten würde, weil manche Angriffe, etwa in Form eines Vorstosses, nicht in der Berichterstattung vorkämen. Eymann kritisiert auch, dass die Baz keine Parteiversammlungen besucht. «Würden sich Medienschaffende dort ein Bild machen über die politischen Befindlichkeiten und Schwerpunkte der Parteien, käme manche Conclusio in Zeitungsberichten oder Kommentaren anders, differenzierter und qualitativ besser daher.»

Es fehlen ihm «Journalisten mit dem totalen Überblick über die Basler Politiklandschaft», wie es sie früher einmal gegeben habe. Darüber hinaus moniert Eymann die ihm zu Ohren gekommenen hohen Preise für Parteiwerbung in Form eines Zeitungsinserats. Parteien würden dadurch vor allem in den sozialen Medien werben und an Sichtbarkeit beim älteren Publikum einbüssen.

Medienkrise auf den Punkt gebracht

Was Eymann schildert, ist interessant. Denn er liefert gleich mehrere gute Beispiele, anhand derer sich die Medienkrise ablesen lässt: Die Redaktionen werden kleiner, erfahrene Journalist*innen verlassen die Branche, es werden Abstriche bei der Präsenz und der Berichterstattung gemacht und der Werbemarkt, eine der Haupteinnahmequellen, ist eingebrochen. Ach ja, und Abos werden gekündigt oder gar nicht erst abgeschlossen. Ein Teufelskreis aus weniger Einnahmen, Entlassungen und abnehmender Qualität. Mit dem angekündigten Sparkurs bei Tamedia wird sich die Situation bei der Baz eher noch verschärfen.

Dass sich dies negativ auf die (direkte) Demokratie auswirkt, nämlich durch eine schlechter informierte und nur begrenzt aufgeklärte Gesellschaft, liegt auf der Hand. Erfreulich wäre, wenn dies auch bei den bürgerlichen Politiker*innen ankäme, die seit Jahren eine zeitgemässe Medienförderung bekämpfen.

«Vielleicht müssen die Menschen erst dieses Tal der ‹Medienverarmung› durchschreiten, um zu verstehen, was ihnen Medien und Informationen Wert sind.»
Christoph Eymann, Alt-Regierungsrat (LDP)

Hat Eymann das Problem erkannt? Im Gespräch sagt der ehemalige Nationalrat, dass er mit seiner Kritik kein staatliches Engagement in der Medienförderung gefordert hat. Bei der Basler Zeitung bzw. Tamedia gebe es aus seiner Sicht ein betriebswirtschaftliches Problem. Eymann würde eher versuchen, das Produkt zu verbessern. Da sehe er Spielraum. 

Ausserdem spricht sich Eymann gegen eine Gratis-Kultur bei den Medien aus, Information müsse ein Preisschild haben. Er sieht demnach die Verantwortung in der Branche: Diese müsse sich formieren und nach Möglichkeit einheitliche Tarife verlangen. «Das Defizit soll nicht einfach vom Staat abgedeckt werden.»

Eymann ist – auf Anfrage – gegen den Abbau bei der SRG. Trotzdem sagt er, dadurch könnte etwas ins Laufen kommen und eine «Denkumkehr» einsetzen. «Vielleicht müssen die Menschen erst dieses Tal der ‹Medienverarmung› durchschreiten, um zu verstehen, was ihnen Medien und Informationen Wert sind.» Denn der Informationsanspruch der Gesellschaft sei unbestritten. Aber er findet: «Der Staat muss nicht meinen Bedarf an Informationen finanzieren.»

«Wenn der Markt die Medienbranche regelt, sollte man sich nicht über die Qualität wundern. Die Klicks werden nicht in der Parlamentsberichterstattung gemacht.»
Ina Bullwinkel, Bajour-Chefredaktorin

Dann wäre er also eine Anpassung oder Streichung der bisherigen Medienförderung sinnvoll, von der gedruckte Titel wie die Baz oder Lokalsender profitieren, während lokale Onlinemedien wie Online-Reports, Prime News oder Bajour keinen Förderrappen für ihren Journalismus bekommen?

«Wir sind hier in einer Übergangsphase», sagt Eymann, «die Onlinemedien werden an Bedeutung gewinnen und damit steigen möglicherweise auch ihre Chancen, künftig auch gefördert zu werden.» Eymann findet die direkte Förderung problematisch, die Branche müsse es weiterhin selbst probieren. Zudem sei es schwierig, Kriterien für staatliche Förderung festzulegen. Daher setzt er vorerst auf Eigenverantwortung.

Wir druchschreiten schon jetzt das Tal

Die (Basler) Medien berichten gemäss ihrer Möglichkeiten. Es gibt sicher ein Dutzend Artikel, die Bajour im Vorfeld der Wahlen gern verfasst hätte, aus Ressourcenmangel aber brach liegen liess. Solch eine Prioritätensetzung gab es schon immer und ist auch Aufgabe der Journalist*innen: Schwerpunkte setzen, das Wichtigste aufgreifen. Aber je kleiner die Redaktion, desto kleiner die Auswahl, desto kleiner die Stimmenvielfalt.

Aus Sicht der Branche durchschreiten wir schon jetzt das Tal, das Eymann anspricht. Den Rest regelt der Markt. Aber dann sollte man sich auch nicht über die Qualität wundern. Die Klicks werden nicht in der Parlamentsberichterstattung gemacht.

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