Schaller? Stumpf? Moesch? Amiet? Hablützel-Bürki!
Der Grosse Rat hat am Mittwoch eine neue Statthalterin gewählt. Beat K. Schaller wurde es nicht. Dafür schaffte es nach einem Hin und Her die Last-Minute-SVP-Kandidatin Gianna Hablützel-Bürki im fünften Wahlgang. Ein Tauzieh-Vormittag im Grossratssaal.
«Mal schauen, wie das wird», ist der Tenor bei den Grossrät*innen, die sich langsam an ihren Plätzen einfinden. Sie müssen sich auf einen zähen Vormittag einstellen, denn schon im Vorfeld zeichnete sich ab, dass der von der SVP vorgeschlagene Kandidat fürs Statthalteramt insbesondere auf der Ratslinken auf Widerstand bzw. Boykott stösst.
Eigentlich ist die Wahl des Grossratspräsidiums Formsache. Die Fraktionen halten sich an den Parteiturnus, ihre vorgeschlagenen Kandidat*innen für Grossratspräsidium und Statthalter*in werden ohne viel Brimborium gewählt. An diesem Mittwoch ist das anders.
Die Wahl des Grossratspräsidenten geht zwar erwartungsgemäss sang- und klanglos über die Bühne. In seiner Antrittsrede betont Balz Herter – wie auch schon seine Vorredner*innen Fina Girard und Eric Bucher, die die Sitzung eröffnet hatten – die Wichtigkeit des Brückenbauens in weltpolitisch turbulenten Zeiten. Von erhofften Brücken geht die Traktandenliste zur Wahl eines*einer Statthalter*in, womit die Augen im Saal zu SVP-Kandidat Beat K. Schaller wandern, gegen den die Linke seit Mitte Januar medial austeilt. Wird er es knapp schaffen oder tatsächlich scheitern?
In seiner Antrittsrede plädiert der neugewählte Grossratspräsident Balz Herter (Mitte) fürs Brückenbauen und erklärt, wie er die Wogen während stürmischen Debatten auffangen möchte – ganz im Sinne von «Like a bridge over troubled water».
Als der neue Grossratspräsident Balz Herter zum ersten Mal die Glocke läutet und damit signalisiert, dass nun die Stimmen ausgezählt sind, wird es still im Raum.
Schaller kommt auf 35 Stimmen.
Im Saal bleibt es ruhig – ein Ausdruck der gemischten Gefühle zwischen erwarteter Resignation und Staunen darüber, wie viele Grossrät*innen Schaller nicht in dem Amt sehen wollen. 64 sind es, die Schaller nicht gewählt haben (59 legten leer ein, fünf wählten andere). In einem kurzen Votum hebt SVP-Fraktionspräsident Amiet den Smartspider von Schaller hervor, der ihn in der Mitte der SVP verorte. Er habe «zugegeben konservative Positionen», aber: «Er ist kein Extremist.» Sein Frust ist ihm anzuhören.
Die Parlamentsmehrheit erreicht er damit nicht. Im zweiten Wahlgang erhält Schaller vier Stimmen mehr als zuvor. Lorenz Amiet und Parteikollegin Daniela Stumpf heimsen unverhofft 12 und 15 Stimmen ein. Im dritten Wahlgang wird Lorenz Amiet dann mit einem relativen Mehr von 45 Stimmen gewählt. Er tritt erneut ans Rednerpult.
«Ich fühle mich gebauchpinselt und ein bisschen geehrt», sagt Lorenz Amiet. Das Aber folgt sogleich: Es sei ihm unmöglich, das Amt anzutreten. Er sei Unternehmer, im Militär engagiert, Ehemann und Familienvater. Kurz: Er habe keine Zeit für so ein Amt.
Anschliessend räumt Balz Herter auf Antrag der SVP-Fraktion fünf Minuten Sitzungsunterbruch ein, damit sie das weitere Vorgehen besprechen kann. Als Amiet zurück ans Rednerpult kommt, hat er den leicht genervten Ton in seiner Stimme noch nicht verloren. «Offensichtich will eine Mehrheit von Ihnen keinen Statthalter Beat K. Schaller», stellt er trocken fest. Schaller stehe deshalb nicht mehr zur Verfügung.
«Ja, Sie haben uns weichgeklopft.»Lorenz Amiet, Fraktionschef SVP
Stattdessen ruft Amiet die Parlamentarier*innen dazu auf, jetzt SVP-Grossrätin Gianna Hablützel-Bürki zu wählen. «Ja, Sie haben uns weichgeklopft.» Man solle jetzt zufrieden sein, etwas erreicht zu haben. «Ich bitte Sie und hoffe sehr, dass die Spiele jetzt aufhören», sagt er. Nach einem Blick in die schweigenden Gesichter ist jedoch klar: Die Spiele sind noch nicht vorbei.
Zwischen den Wahlgängen stecken einzelne Parlamentarier*innen die Köpfe zusammen. Bürgerliche überlegen, wer jetzt von links noch kommen könnte. Und Neo-Grossrat Johannes Barth verdreht die Augen. Das Hin und Her ohne Ergebnis scheint ihn zu nerven.
Dann tritt ein, was im Vorfeld schon gemunkelt wurde: Es kommt zu einer wilden Wahl. Um 11.15 Uhr wird im vierten Wahlgang FDP-Grossrat Christian C. Moesch mit 41 Stimmen gewählt. Doch auch er nimmt die Wahl nicht an und begründet: Der Anspruch der SVP auf dieses Amt sei «einigermassen unbestritten». Ist das etwa eine der verbindenden Brücken, die Herter in seiner Antrittsrede erwähnte? Es gibt jedenfalls vereinzelten Applaus aus den bürgerlichen Reihen. Moesch bezeichnet es als «eigenartig», dass er mehr Stimmen als die offizielle Kandidatin der SVP erhält – und als Grossratspräsident Herter aufklärt, dass es sechs mehr seien, verzieht er keine Miene. «Anyway», sein Beschluss, nicht anzunehmen, steht und er erntet dafür nach seiner kurzen Rede ordentlich bürgerlichen Applaus.
Nächster Wahlgang. Auch Herter wirkt für einen Augenblick unsicher, ob es nun die vierte oder schon die fünfte Runde ist. Es wird auf jeden Fall die letzte: Kurz nach 11.30 Uhr ist Schluss mit Tauziehen, Hablützel wird mit 39 Stimmen gewählt.
«Ich werde zeigen, dass auch die SVP eine würdige Statthalterin haben kann»Gianna Hablützel-Bürki, SVP
«Es ist jetzt die Frage, soll ich die Wahl annehmen, oder nicht», sagt sie stoisch mit versteinertem Gesicht. Falls die Wahl sie freut, lässt sie sich das nicht anmerken. Sie macht eine rhetorische Pause, in der manch eine*r sich kurz fragen mag, ob die SVP jetzt noch einen Powermove anhängt. Aber nein: Hablützel nimmt die Wahl an – allerdings nicht, ohne zu betonen, dass sie damit jetzt dem «Kindergartenspiel» ein Ende setzen will. Zorn statt Wahljubel. Sie werde zeigen, «dass auch die SVP eine würdige Statthalterin haben kann». Der Blumenstrauss, der länger als gedacht darauf warten musste, übergeben zu werden, landet in Hablützels Händen. Wer hätte das am Morgen gedacht? Nach ein paar Umarmungen ihrer Fraktion und Händeschütteln mit den Regierungsrät*innen setzt sich Hablützel vorne neben Herter auf den sogenannten Bock.
Schallers Hände bleiben hingegen blumenstrausslos. «Es isch jetzt eso, wies isch», sagt er. Er sieht es als Vorteil, dass er jetzt «nicht zwei Jahre nicht politisieren» müsse. «Ich kann voll so weiter politisieren, wie ich meinen politischen Stil entwickelt habe», sagt er mit einem leichten Grinsen.
Auch der Ton von SP-Fraktionspräsidentin Michela Seggiani ist nicht überschwänglich, als sie gegenüber dieser Redaktion die Wahl von Hablützel kommentiert: «Es ist okay», sagt sie. Im schlechten Wahlresultat von Hablützel will Seggiani ein Zeichen erkennen: «Das ist als Aufruf zu verstehen, dass man jetzt genau hinschaut, wie sie schaffen wird.» Und sie fügt an: «Ich glaube, wenn sie von Anfang an als Kandidatin zur Verfügung gestanden wäre, hätten wir auch mit ihr ein Hearing gemacht, weil auch sie umstritten ist.» Hablützel politisiert am rechten Rand der SVP und wurde 2023 wegen Verleumdung verurteilt.
Man darf prognostizieren: Die Mehrheit des Parlaments wird Hablützel genau auf die Finger schauen, bevor in einem Jahr die nächste Präsidiumswahl stattfindet. Dann wird sich zeigen, wie es den Grossrät*innen damit geht, sie zur höchsten Baslerin zu machen.