«Ich bin keine Hardlinerin»
LDP-Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann wehrt sich im Interview mit Bajour gegen den Vorwurf, aufgrund unklarer Faktenlage vorschnell zu handeln. Und sie erklärt, wie sich die Handhabung ihrer Demo-Strategie angepasst hat.
Stephanie Eymann, Sie haben gesagt, Sie können die Frage, wie es Ihnen geht, im Moment fast nicht mehr beantworten. Darum anders gefragt: Mögen Sie noch?
Ja, definitiv. Natürlich ist es eine sehr herausfordernde Zeit. Seit dem Sommer arbeite ich pausenlos im Krisenmodus. Aber wir konnten einiges aufgleisen, das gibt mir wieder Kraft.
Es gab in den vergangenen Monaten so manche Pressekonferenz, in denen Ihnen die Müdigkeit und Belastung ins Gesicht geschrieben stand. Was war bisher der schwierigste Moment für Sie?
Es waren ein paar schwierige Momente seit dem Sommer, die zu meiner sichtlichen Müdigkeit geführt haben. Wobei: Es ist eher Betroffenheit als Müdigkeit. Sie sprechen von der Medienkonferenz zum Tötungsdelikt am Nasenweg?
Ja, zum Beispiel.
Das war tatsächlich ein schwieriger Gang vor die Medien. Ich möchte eigentlich immer möglichst transparent informieren, aber über den konkreten Fall durfte ich nicht sprechen, weil es strafprozessuale Vorgaben gibt. Das fand ich herausfordernd. Und selbstverständlich liessen mich auch die Personalentscheidungen bei der Polizei nicht kalt.
Sie haben viel Krisenbewältigung gemacht, aber haben Sie in den letzten vier Jahren auch etwas erreicht?
Ich würde sagen, ich stehe dem hochoperativsten Departement vor. Wenn etwas in der Stadt nicht läuft, wird es an mich herangetragen. Etwa bei der Bettlerei, welche die Leute sehr geplagt hat. Zeitweise hatte ich zu diesem Thema 20 und mehr Schreiben aus der Bevölkerung pro Tag.
Und heute?
Heute null. Also ich will Holz anfassen (klopft mit der Hand auf den Tisch), das kann sich natürlich auch wieder ändern. Aber ich glaube, wir haben Regeln gefunden, mit denen alle aneinander vorbeikommen.
Stephanie Eymann ist Vorsteherin des Justiz- und Sicherheitsdepartements des Kantons Basel-Stadt, bei den Gesamterneuerungswahlen 2020 hat sie ihren bürgerlichen Kollegen Baschi Dürr (FDP) aus dem Regierungsrat geschmissen. Davor war sie Chefin der Baselbieter Verkehrspolizei und nochmals davor Staatsanwältin. Bekannt ist Eymann für ihre harte Linie sowohl bei Demonstrationen als auch beim Fussball. Einen Namen gemacht hat sich die heute 45-Jährige aber auch als Regierungsrätin mit den meisten Krisen.
Was steht noch in Ihrem Leistungsausweis?
Der Hafen ist ein Beispiel für konkrete Lösungen: Nach Covid haben sich die Leute in Kleinhüningen sehr über die Poser-Szene mit ihren lauten Motoren und hochgetunten Autos gestört. Kontrollen von Securitas und Schwellen am Boden haben da zu Verbesserungen geführt. Auch die Schwerpunktaktionen auf der Dreirosenanlage möchte ich als weiteres Beispiel anführen.
Ein Hotspot für Drogen und Kriminalität.
Genau. Dort war die Not der Bevölkerung letzten Sommer gross. Die Regierung hat ein vielschichtiges Massnahmenpaket geschnürt.
Ihre Kritiker*innen werfen Ihnen immer mal wieder vorschnelle Kommunikation vor. Wir erinnern uns an die Security vor der Dreirosen-Schule, die Sie am Drogenstammtisch ankündigt hatten, aber später zurückrudern mussten, weil die Faktenlage unklar war. Ist das Ihr Ding: Schnelles Handeln aufgrund von unklarer Faktenlage?
Nein, mein Ding ist: Auf Fragen auch Antworten liefern. Ich glaube, es würde allen gut tun, mal in so einen Dialog zu treten mit der Bevölkerung – so wie am Drogenstammtisch. Ich lasse mich gerne auf diese dynamischen Gespräche ein, statt nur druckreife Medienmitteilungen zu publizieren. Wenn man an so einem Bevölkerungsanlass auf jede Frage lediglich in Aussicht stellt, etwas zu prüfen, muss man erst gar nicht dorthin gehen.
Sie wollen nicht monatelang über Dinge brüten …
Ich bin für Lösungen, die greifen, die eine Perspektive geben. Ich bin auch dafür, dass man sich vernetzt und schaut, wie man schnell auf ein Problem reagieren kann. Das ist mein Anspruch.
Wieso hat ein Medium, also Bajour, gemeinsam mit dem Stadtteilsekretariat Kleinbasel den Drogenstammtisch ins Leben rufen müssen? Wäre es nicht in der Verantwortung der Regierung, und insbesondere des JSD, gewesen, einen runden Tisch zu organisieren, als es gebrannt hat?
Es muss nicht immer alles von oben herab von der Regierung oder der Politik kommen, der Drogenstammtisch war ein guter Startschuss. Ich habe den ersten Drogenstammtisch gut in Erinnerung, der ganze Saal war voll und die verschiedensten Anspruchsgruppen waren da, um ihre Not zu äussern. Selbstkritisch muss man vielleicht fragen: Hätte man das früher merken müssen?
Die Schwerpunktaktion Unteres Kleinbasel ist beendet, das Drogenproblem aber nach wie vor nicht gelöst. Wie geht es weiter? Noch mehr Kameras?
Die Kameras habe ich nicht wegen des Drogenproblems aufstellen lassen. Wir wussten schon aus Erfahrungswerten von anderen Ländern oder anderen Städten: Kameras gegen Drogenprobleme bringen nichts. Da wird munter weiterverkauft und weiter konsumiert vor laufender Kamera, das hat überhaupt keine Wirkung. Mit den Kameras zielten wir auf die Gewaltdelikte.
Die Zahlen sind gesunken.
Die Zahlen haben wir zum Glück runterbekommen. Dass das Drogenproblem nicht mit ein paar Schwerpunktaktionen gelöst ist, ist auch klar. Wir haben hier Handlungsbedarf, aber es ist nicht einfach. Den Handel gibt es ja vor allem, weil eine Nachfrage besteht. Und die Nachfrage wiederum besteht, weil es viele Suchtkranke gibt.
Wie wäre es mit der Legalisierung von Drogen?
Von mir bekommen Sie kein einfaches Ja- oder Nein-Statement zu dieser komplexen Frage. Aber ich habe auf jeden Fall Diskussionsbereitschaft in diesem Thema.
«Ich wollte meiner Tochter vorleben, dass man etwas erreichen kann mit Kind.»Stephanie Eymann über ihre Karriere
Genug der Drogen. Kommen wir zur Departementsverteilung: Sie sagen, Sie seien nicht der Typ, der vor Problemen wegrennt. Und Sie betonen, dass Sie Justiz- und Polizeidirektorin bleiben wollen.
(Eymann nickt)
Überhaupt wünschen Sie sich offenbar, dass alles so bleibt, wie es ist. Zumindest haben Sie am HKBB-Podium auf die Frage, ob die Regierung nach der Wahl noch gleich zusammengesetzt sein wird, mit Daumen hoch geantwortet. Hat das Ärger gegeben von Ihren bürgerlichen Schulterschluss-Kolleg*innen?
Nein, überhaupt nicht. Und das schätze ich an den bürgerlichen Kolleginnen und Kollegen. Uns wird nicht diktiert, was wir zu sagen haben. Die Frage war übrigens eher: Glauben Sie, dass sich etwas ändert?
Und?
Ich spüre dieses Mal nicht, dass die Bevölkerung einen Wechsel will.
Ihre Partei hat letztes Jahr bei den nationalen Wahlen einen Dämpfer erlitten. Beobachter*innen gehen davon aus, dass die SVP auch diesmal auf Kosten der Liberalen zulegen könnte. Ist die LDP auf einem absteigenden Ast?
Das ist nicht mein Eindruck. Wenn man sich die LDP-Tätigkeiten im Parlament, aber auch auf Stufe Regierung anschaut, sind wir nicht auf einem absteigenden Ast. Aber ich bin unglaublich schlecht in Prognosen.
Sie haben trotz Baby und einem Mann, der beruflich viel unterwegs war, Ihr Studium durchgezogen, sind Juristin geworden, absolvierten Doktorarbeit und Anwaltsprüfung, wurden Staatsanwältin und landeten schliesslich bei der Polizei. Parallel lehrten Sie Strafrecht an der Uni Basel. Das war ziemlich viel auf einmal. Gehen Sie gerne ans Limit?
Das alles ist ja nicht innert zwei Jahren passiert, das ist mein Werdegang in a Nutshell. Dieser hat viel damit zu tun, dass ich sehr jung, mit 19 Jahren, Mutter geworden bin. Und ich wollte meiner Tochter vorleben, dass man etwas erreichen kann mit Kind.
Sie wollen sich nicht als Feministin bezeichnen, sondern lieber vorleben, was möglich ist. Sehen Sie sich als Vorbild?
Ich habe durch meinen Werdegang bewiesen, dass ich vorleben möchte, dass man beides kann. Erstens: seine Frau stehen, zweitens: mehrere Sachen vereinen. All dies bei vollem Bewusstsein, dass die Ausgangslage nicht für jede Frau gleich gut ist. Aber wir haben mittlerweile auch in Basel ein gutes funktionierendes Angebot, wenn man die Kinder nicht familiär betreuen lassen kann.
Sie setzen durch Ihren Einsatz eine hohe Messlatte. Erwarten Sie auch von Ihren Mitarbeiter*innen 150 Prozent Engagement?
Engagement erwarte ich schon. Aber das spüre ich auch, gerade im Blaulichtumfeld. Damit meine ich nicht nur die Polizei, sondern alle, die in Schicht arbeiten, sei das eine Feuerwehr oder eine Sanität, aber auch in den Gefängnissen. Es braucht ein Bekenntnis, dass man das will: unregelmässige Arbeitszeiten, Nachtschichten, hoch emotionale Situationen.
Das bringt uns zur Polizei.
Das hat lange gedauert. (lacht)
Seit Jahren hat die Basler Polizei zu wenig Mitarbeiter*innen. Nun sind Lohnerhöhungen angekündigt, doch die Ausarbeitung dauert. 2025 steht eine intensive Zeit mit Grossanlässen bevor und damit auch eine Feriensperre für Polizist*innen. Wann wird es endlich besser für sie?
Ich hoffe wirklich bald. Sie sprechen den Lohn an, aber das kann ich nicht alleine entscheiden, da bin ich Teil des Regierungsrats. Ich bin aber froh, dass wir bei der Steigerung der Arbeitgeberattraktivität gut zusammenarbeiten.
Sie kriegen also Unterstützung von Ihrer SP-Kolleg*in …
Ich erlebe, dass auch meine Kolleginnen und Kollegen das Thema weit oben auf der Agenda haben. Aber es braucht, wie alles in der Politik, immer noch Schnuuf. Aus diesem Grund sind auch sogenannte Quick Wins wichtig, quasi als Zeichen der Politik, dass etwas vorwärts geht, zum Beispiel ein vergünstigtes U-Abo-Angebot. Ich bin auch daran, dass die Umkleidezeit angerechnet wird.
Das heisst, bis auf absehbare Zeit müssen Ihre Mitarbeiter*innen bei der Polizei noch auf die Zähne beissen?
Na ja, nach dem Bericht von Markus Schefer ist auch eine Zuversicht zu spüren. Es geht nicht einfach courant normal weiter, ich habe erste Veränderungen eingeleitet, weitere werden folgen. Darum glaube ich, dass sich das Korps auch gehört fühlt. Aber vertrösten auf ewig ist keine Option.
Bringt Ihnen die Polizei vielleicht doch nicht so viel Vertrauen entgegen, wie Sie gerne betonen?
Ich nehme – auch aufgrund meines beruflichen Werdegangs – ernst, was die Mitarbeitenden an der Polizeifront beschäftigt. Doch bei einem Vollbestand von 1000 Leuten ist es nicht realistisch, alles bis in die Tiefe zu kennen. Wenn jedoch unschöne Geschichten bis zu mir kamen, habe ich allfällige Massnahmen in die Wege geleitet. Es war die Breite des Themas, die mich überrascht hat, dass das Ganze eine Systematik hat.
Die Rede war von systematischem Rassismus und Sexismus …
Ich wusste, dass es Fälle gibt. Einige davon sind schon vor dem Bericht Schefer aufgearbeitet worden. Wir haben also auch vorher schon gehandelt. Wir müssen verhindern, dass es überhaupt solche Fälle gibt.
Als Sicherheitsdirektorin muss man ja vor allem den Bürgerlichen gefallen, das hat die Abwahl von Baschi Dürr gezeigt. Haben Sie vielleicht während der vergangenen Jahre den Fokus zu sehr auf Ihre Aussenwirkung gelegt und deshalb die internen Missstände übersehen?
Das glaube ich nicht. Ganz ehrlich: Ich habe wenig Fokus auf meine Aussenwirkung. Das ist vielleicht auch der Grund, warum ich mich als gar nicht so politisch bezeichne.
Wie meinen Sie das?
Ich überlege mir nicht zuerst, wie dies oder jenes ankommt. Ich bin aufgrund meines Werdegangs in der Strafverfolgung und der Beschäftigung mit Sachthemen eher der Typ, der sagt: Da haben wir Probleme und da braucht es eine Lösung. Und nicht: Gefalle ich damit irgendjemandem?
Das bringt uns zur nächsten Frage: Nach der Veröffentlichung des Schefer-Berichts haben Sie in kürzester Zeit Kommandant Martin Roth entlassen, ebenso drei weitere Mitglieder der Polizeileitung. Jetzt wird Kritik laut, dass der Bericht gar nichts wert sei und juristisch auf wackeligen Beinen steht. Haben Sie vorschnell gehandelt?
Nein. Der Bericht Schefer gibt ein Stimmungsbild wieder von immerhin 372 Mitarbeitenden. Der Bericht ist nicht wissenschaftlich, es gibt ja auch keine Datenbasis dazu. Für mich ist er aber Ausgangspunkt für Massnahmen, die zwingend nötig sind.
Es gab Kritik, dass die Protokolle aus den Gesprächen vernichtet wurden.
Dass sich die Leute überhaupt getraut haben, sich zu äussern, liegt daran, dass die Protokolle nicht mehr verfügbar sind. Und ja: Beim Kommandanten habe ich schnell entschieden, weil ich nicht jemandem die Zukunft des Korps überlassen konnte, von dem es im Bericht heisst, er hätte den Rückhalt im Korps verloren.
Durfte Herr Roth nicht von sich aus gehen oder wollte er nicht? Sie stehen ja vermutlich besser da, wenn Sie sich als Macherin profilieren können.
Über diese Gespräche möchte ich medial keine Auskunft geben. Wir sind ja auch noch mittendrin. Aber ich kann Ihnen sagen, dass ich grundsätzlich einvernehmliche Lösungen bevorzuge, weil sie allen Beteiligten die Gelegenheit bieten, das Gesicht zu wahren.
Das heisst, es ist zur Diskussion gestanden, ob er von sich aus geht oder nicht?
Das ist jetzt Ihre Schlussfolgerung.
«Das Papier ist immer noch das gleiche. Was angepasst ist, ist die Handhabung im Einzelfall.»Stephanie Eymann über die Demostrategie
Themenwechsel: Repression scheint Ihr zweiter Vorname zu sein. Bettelverbot, Demos, Joggeli, Drogen. Das Bundesgericht musste beim Bettelverbot sogar intervenieren. Und der EGMR hat Einkesselungen kritisiert, die auch in Basel gang und gäbe sind. Trotzdem finden Sie, sie seien keine Hardlinerin.
Für mich ist Hardlinerin etwas anderes. Wenn ich Verschärfungen in allen kantonalen Gesetzen, die die Polizei betreffen, vorantreiben würde, dann kann man sagen: Hardline.
Man hat ja immer einen gewissen Spielraum. Legen Sie das Gesetz einfach so hart wie möglich aus?
Es ist schwierig, abstrakt zu diskutieren, insbesondere bei Demos. Man kann eine Praxis festlegen, aber am Schluss spielen Menschen mit. Es ist eine Frage der Dynamik und wie man mit der Polizei umgeht: Ist die Dialogbereitschaft überhaupt da? Manche verweigern sich dem komplett und sagen zum Dialogteam: «Verreist, ihr Scheiss Bullen.» Dann ist es irgendwann fertig mit Dialog. Dann kommen die weiteren zwei D.
Die drei D sind: Dialog, Deeskalation, Durchgreifen.
Medial wird darüber wenig berichtet, aber man sucht bei unbewilligten Demos auch vor Ort Lösungen mit Teilnehmenden.
Es sind noch Dutzende Feststellungsverfügungen zum Einsatz am 1. Mai 2023 hängig. Demo-Teilnehmende brauchen diese, wenn sie sich juristisch gegen den Polizeieinsatz wehren wollen. Der Gewerkschaftsbund spricht von einer Verschleppungstaktik Ihrerseits. Ist da was dran?
Überhaupt nicht. Im Gegenteil: Ich betone immer, dass es hängige Verfahren sind und ich deshalb dazu nicht im Detail Auskunft gebe. Man muss auch sehen: Es ist eine massive Menge an Verfügungen, die ausstehen. Das System ist nicht darauf ausgelegt, neben allem anderen, in kürzester Zeit Verfügungen auszustellen. Es sieht aber jetzt so aus, als wäre der nächste Schritt gemacht.
Heisst das, die Feststellungsverfügungen sind quasi auf der Post?
Wir sind auf der Zielgeraden, um diese Verfügungen zu erlassen.
Eine Beobachtung zu diesem Jahr: Bis jetzt war es ein ruhigeres Demo-Jahr als 2023 …
(Eymann klopft mit der Hand auf den Tisch) Holz anfassen, ja.
Wie erklären Sie sich das? Hat es mehr Dialog gegeben?
Ich finde, der 1. Mai dieses Jahr ist ein gutes Beispiel. Da hat ein ehrlicher Dialog zwischen Polizei und Veranstaltenden stattgefunden. Man hat miteinander geredet und sich danach an die Abmachungen gehalten. Der schwarze Block ist nicht vorneweg gelaufen.
Aber er ist mitgelaufen, einfach weiter hinten. Haben Sie in den letzten Jahren Ihre Demo-Strategie angepasst?
Ich habe die Demo-Strategie am Anfang meiner Amtszeit zu Papier gebracht. Oft wurde ja gesagt, ich hätte überall verschärft. Dabei war das einfach das Niederschreiben der Regeln, die es gibt.
Wollen Sie damit sagen, dass Sie Regeln niedergeschrieben haben, die Baschi Dürr auch schon angewendet hat?
Ich meine gesetzliche Regeln. Nicht die Praxis Dürr.
Man spricht von Ihrer Demo-Strategie und Sie sagen jetzt, Sie hätten es einfach niedergeschrieben.
Ich habe weder die Strategie frei erfunden im Sinne einer Lex Eymann, noch die Praxis Dürr runtergeschrieben. Ich habe eine gesetzliche Auslegung in Prosa gemacht.
Also nochmals: Haben Sie die Demo-Strategie angepasst, seit Sie ins Amt gekommen sind?
Das Papier ist immer noch das gleiche. Was angepasst ist, ist die Handhabung im Einzelfall. Die Polizei, die vor Ort ist, soll den nötigen Handlungsspielraum haben. Es ist nicht sinnvoll, etwas zu stoppen, wenn man einen Dialogpartner hat und eine andere Lösung findet. Das muss möglich sein im Sinne der Verhältnismässigkeit in der Anwendung.
Die praktische Handhabung hat sich also verändert?
Die Handhabung hat sich – gestützt auf die vielen Erfahrungen seit dreieinhalb Jahren – angepasst. Also keine Veränderung im Sinne von: Ui, das geht so nicht. Der Grundsatz ist der gleiche. Aber die Anwendung hat noch mehr Facetten als Buchstaben. Vergessen wir nicht: Es gibt ja auch immer noch ein Gegenüber, das die Anwendung massgeblich mit beeinflusst.
Kommen wir zu etwas Aktuellem: Die SVP gab letzte Woche bekannt, dass die Anti-Chaot*innen-Initiative mit genug Unterschriften zustande gekommen ist. Kommt Ihnen das entgegen? Sie will Veranstalter*innen von unbewilligten Demonstrationen für entstehende Kosten verantwortlich machen.
In der Regierung müssen wir noch eine Meinung dazu finden. Dass die Initiative zustande gekommen ist, zeigt, dass ein beachtlicher Teil der Bevölkerung kein Verständnis hat für Auswirkungen, Sachbeschädigungen und Körperverletzungen, die durch Demonstrationen verursacht werden. Die Schwierigkeit ist: Wen identifiziert man zur Auferlegung von Kosten? Gerade im unbewilligten Bereich, wo man keinen Veranstalter hat. In der praktischen Umsetzung sehe ich Probleme und Schwierigkeiten.
Basel ist die kriminellste Stadt der Schweiz. Die SVP schlachtet dieses Thema seit Jahren aus und besetzt es für sich. Und ausgerechnet jetzt, da die Sicherheitsdirektorin der LDP angehört, kommt auch Ihre Partei mit dem Thema Sicherheit um die Ecke. Ist das nicht auch Frontalkritik an Ihre Adresse?
Nein, ich verstehe es nicht so. Ich verstehe es als grossen Support, weil Sicherheit bis jetzt ein Thema war, das nur die SVP besetzte – ohne konkrete Lösungsansätze. Dass die LDP das Thema jetzt auf die Agenda nimmt, ist wichtig, weil man auch dort differenzierte Ansatzpunkte oder Lösungsvarianten braucht. Und weil es doch so ist, dass die Sicherheit die Bevölkerung sehr bewegt in dieser Stadt.
Fühlt sich die Bevölkerung denn unsicher?
Ganz generell würde ich das nicht unterschreiben. Aber grad kürzlich haben zum Beispiel Frauen in Kleinhüningen mir berichtet, dass sie abends nicht mehr alleine nach Hause gehen.
«Gerade in einem Thema, das alle Fussballstädte betrifft, tut es gut, wenn man wenigstens auf Behördenseite eine einheitliche Meinung hat.»Stephanie Eymann über das erweiterte Hooligan-Konkordat
Wir kommen zum Schluss noch auf den Fussball zu sprechen. Sie haben sich vom Basler Weg verabschiedet und setzen beim Thema Fangewalt auf Repression. Warum hat der Basler Weg Ihrer Meinung nach nicht mehr gereicht, um die geltenden Gesetze durchzusetzen?
Der Basler Weg besteht ja einfach aus Dialog und Dialog und Dialog.
Das müssten Sie doch gut finden.
Das sage ich ja auch bei den Demos. Aber als letztes Jahr mehrere Security-Mitarbeitende im Joggeli schwer angegriffen wurden von Leuten aus der Kurve, hat der Weg nicht mehr funktioniert. Wie bei den Demos: Nach dem ersten D folgen noch zwei weitere. Das heisst aber nicht, dass ich auf Dialog verzichten will. Der Dialog kommt immer an erster Stelle.
Die Polizei müsste mehr Einzeltäter*innen verhaften.
Das höre ich immer von den Kritikern. Aber die Leute, die solche Angriffe starten, sind häufig vermummt und es ist nicht einfach, jemanden aus der Masse zu identifizieren. Spricht man über Massnahmen, die das realistischer machen würden, kommt gleich der grosse Aufschrei.
Sie sind etwa für das erweiterte Hooligan-Konkordat. Gleichzeitig gibt es Studien, die zeigen, dass das nicht wirklich gegen Fan-Gewalt nützt. Nehmen Sie kritische Stimmen nicht ernst?
Ich nehme kritische Stimmen sehr ernst. Aber das heisst nicht immer, dass man am Schluss einig ist.
Sie finden, das erweiterte Konkordat wirkt?
Das erweiterte Konkordat gibt einfach noch weitere Möglichkeiten, die wir jetzt nicht haben. Ich finde, gerade in einem Thema, das alle Fussballstädte betrifft, tut es gut, wenn man wenigstens auf Behördenseite eine einheitliche Meinung hat.
Schert Basel heute weniger aus?
Auf Behördenseite haben wir jetzt eine einheitliche Vorgehensweise.
Zum Schluss noch die Frage, wenn Sie mal nicht mehr Regierungsrätin sind: Was machen Sie dann?
Ich sage immer scherzhaft, dass ich einen Blumenladen oder eine Spargelbrötchenbar am Spalenberg aufmachen werde.
Und nicht scherzhaft? Wie lange wollen Sie noch?
Ich möchte mich gerne weiterhin für die Sicherheit der Bevölkerung in unserem Kanton und für die vielen engagierten Mitarbeitenden einsetzen. Auch und gerade dann, wenn es Herausforderungen zu meistern gibt.
Besten Dank für das Gespräch.