Behörden sollen sich transparenter geben
In zwei Vorstössen fordern die SP-Grossrät*innen Beda Baumgartner und Christine Keller den Regierungsrat auf, den Zugang zu Dokumenten der Verwaltung via Öffentlichkeitsgesetz niederschwelliger zu gestalten. Den Anstoss gab eine Bajour-Recherche.
Wie werden Beizen sanktioniert, bei denen das Basler Kantonslabor Mängel feststellt? Wie viel kostet die Werbekampagne der Basler Polizei die Steuerzahler*innen? Das sind zwei Fragen, die Medienschaffende aus Basel-Stadt – im ersten Fall 20 Minuten, im zweiten Bajour – dank Rückgriff auf das Öffentlichkeitsgesetz dieses Jahr beantworten konnten.
Auf gleichem Weg versuchte Bajour offene Fragen zum Polizeieinsatz bei der bewilligten Demonstration am 1. Mai 2023 zu klären. Bajour wollte herausfinden, welche Diskussionen der Einkesselung der Demospitze auf politischer Ebene im Justiz- und Sicherheitsdepartement (JSD) vorausgegangen waren. Doch der Zugang zu den entsprechenden Dokumenten via Öffentlichkeitsgesuch blieb verwehrt. Um das anzufechten, hätte Bajour vor Gericht ziehen müssen. In anderen Kantonen und auf Bundesebene gibt es die Möglichkeit, in so einem Fall zuerst vor eine Schlichtungsstelle zu gehen. In Basel-Stadt nicht. Aufgrund des unsicheren Ausgangs und der damit verbundenen Kosten musste die Redaktion die Recherche abbrechen.
Der 1. Mai 2023 beschäftigt die Behörden weiterhin. Noch immer sind Fragen zur damaligen Einkesselung der Demo durch die Polizei offen. Monatelang hat Bajour versucht, dazu Antworten zu finden. Protokoll einer schwierigen Recherche.
Sowohl auf Bundes- als auch auf kantonaler Ebene bestehen Informations- und Datenschutzgesetze (kurz: IDG, auch genannt: Öffentlichkeitsgesetze). Sie räumen jeder Person – nicht nur Journalist*innen – das Recht auf Zugang zu Verwaltungsdokumenten ein. Es gibt aber auch Ausnahmen. Eine solche hat das JSD im Fall der angeforderten Dokumente zur 1. Mai-Demo geltend gemacht.
Martin Stoll vom Verein Öffentlichkeitsgesetz.ch sagte damals: «Dieser Fall zeigt es wieder einmal: Das Öffentlichkeitsgesetz sollte ein Instrument für Bürgerinnen und Bürger sein und für mehr Transparenz bei der Verwaltung sorgen. In der Praxis ist der Zugang zu Verwaltungsdokumenten aber häufig nicht so niederschwellig wie er sein sollte.»
Das finden auch die beiden SP-Grossrät*innen Beda Baumgartner und Christine Keller. Angestossen durch die Berichterstattung von Bajour haben sie zwei Vorstösse zum Öffentlichkeitsgesetz geplant. «Die Frage, wie das Öffentlichkeitsprinzip im Kanton besser gelebt werden könnte, beschäftigt mich schon länger», erklärt Baumgartner gegenüber Bajour. So hatte er sich 2021 beim Regierungsrat in einer schriftlichen Anfrage nach abgelehnten Öffentlichkeitsgesuchen erkundigt. «Die Zahlen damals zeigten, wie häufig solche Gesuche abgelehnt werden.»
Die Gründe dafür kennt Baumgartner bei einzelnen Fällen aus Gerichtsakten. Wie im Fall von Bajour werde bei Verwaltungsprotokollen oft damit argumentiert, dass die freie Meinungsbildung und -äusserung innerhalb der Verwaltung zu schützen sei. Gemäss der Verordnung zum IDG, die die Umsetzung des Gesetzes regelt, ist dies ein legitimer Grund, ersuchte Dokumente nicht öffentlich zu machen. «Teilweise sind das nachvollziehbare Gründe», findet Baumgartner.
«Das Öffentlichkeitsprinzip ist nicht ein ‹gegen› die Verwaltung, sondern ein Teil des demokratischen Staatswesens.»Beda Baumgartner, SP
«Ich glaube aber auch, dass das Öffentlichkeitsprinzip noch zu wenig gelebt wird und unsere Verwaltung und die Regierung manchmal noch zu defensiv sind.» In einem Anzug fordert er den Regierungsrat deshalb auf, eine Anpassung der Verordnung zu prüfen. Und zwar so, dass «zumindest» anonymisierte Beschlussprotokolle von Sitzungen der verschiedenen Departemente «grundsätzlich zur Einsicht herausgegeben werden sollen», wenn nicht besondere «Geheimhaltungsvorschriften» dagegen sprechen.
Ebenfalls prüfen soll der Regierungsrat eine «allgemeine» Verbesserung der Niederschwelligkeit von Öffentlichkeitsgesuchen nach IDG. Baumgartner stellt sich zum Beispiel vor, dass die Verwaltung ihre Kommunikation vereinfache, wie jede*r so ein Gesuch stellen kann. «Das Öffentlichkeitsprinzip ist nicht ein ‹Gegen› die Verwaltung, sondern ein Teil des demokratischen Staatswesens. Es geht darum, die Infos einfach zu finden, die man sucht, und dass der Kanton dafür auch eine Hilfestellung anbietet.»
So eine Hilfestellung schwebt auch Christine Keller vor. Durch die Bajour-Recherche sei sie darauf aufmerksam geworden, dass es in Basel-Stadt keine Schlichtungsverfahren im Zusammenhang mit dem Öffentlichkeitsgesetz gibt. In anderen Kantonen wie z. B. in Solothurn oder Jura gibt es eine Schlichtungsstelle, die im Streitfall zwischen den zwei Parteien vermittelt – und das ist im Gegensatz zum Gang vor Gericht für die betreffenden Parteien kostenlos. Stoll sagte im April gegenüber Bajour, er wisse aus anderen Kantonen, dass Medienschaffende gute Erfahrungen mit solchen Schlichtungsverfahren machen.
«Wenn es Schlichtungsverfahren gäbe, wäre der Zugang zu Dokumenten niederschwelliger und ohne Kostenrisiko.»Christine Keller, SP
Davon ist auch Christine Keller überzeugt. Die Juristin war selber Schlichterin am Zivilgericht und auch wenn es dort nicht um Öffentlichkeitsgesuche ging, weiss sie aus eigener Erfahrung, «dass man oft eine Lösung findet, wenn man mal zusammensitzt». Keller ist deshalb überzeugt: «Wenn es Schlichtungsverfahren gäbe, wäre der Zugang zu solchen Dokumenten niederschwelliger und, wie das der Bund vorsieht, ohne Kostenrisiko.» In einer Motion bittet sie deshalb den Regierungsrat innert zwei Jahren einen Vorschlag für eine entsprechende Änderung des IDG auszuarbeiten.
Mit diesem Anliegen stosse sie insbesondere bei Jurist*innen im Grossen Rat auf offene Ohren. Auch bei Bürgerlichen. FDP-Grossrat Luca Urgese hat den Vorstoss von Keller mitunterzeichnet. Weil die Behörden mit Steuergeldern finanziert sind, findet Urgese das Öffentlichkeitsprinzip sowie einen niederschwelligen Zugang zu Verwaltungsdokumenten wichtig. So weit wie Baumgartner, der in der Verordnung die Einsicht in Beschlussprotokolle grundsätzlich festhalten will, möchte Urgese zwar nicht gehen. Eine Schlichtungsstelle würde er jedoch begrüssen.
Er habe selber schon mal ein Öffentlichkeitsgesuch gestellt, erzählt er. Es wurde abgelehnt, Urgese ging vor Gericht. Als Jurist kennt er die entsprechenden Formalitäten. «Aber für viele ist das eine hohe Hürde.» Urgese stellt auch fest, dass die Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rats dieses Jahr zum wiederholten Mal die Fehlerkultur in der Verwaltung bemängelt hat. Hier sieht der Grossrat einen Zusammenhang zum Verhalten der Behörden bei Öffentlichkeitsgesuchen: «Sobald kritische Fragen kommen, wird gemauert.»
Im letzten Jahr hat sich die Geschäftsprüfungskommission unter anderem mit den Demos in Basel befasst. Sie fordert eine Anpassung der Demo-Statistik.
Unterstützung erhält Keller auch von Bruno Lötscher-Steiger, Mitte-Grossrat und ehemaliger Zivilgerichtspräsident. Der Staat müsse eigentlich «richtig und nach Gesetz handeln», sagt er. Deshalb passe eine Schlichtungsstelle nicht per se ins Verwaltungsrecht, zu dem das IDG gehört. Einfach gefragt: Was gibt es denn zu schlichten, wenn der Staat sowieso gesetzlich verpflichtet ist, sich ans Gesetz zu halten? Lötscher-Steiger sagt: «Beim IDG gibt es viel Ermessensspielraum und wo es viel Ermessen gibt, macht es vielleicht Sinn, dass es eine niederschwellige Möglichkeit gibt, einen abschlägigen Entscheid zu besprechen.»
Gerade weil es solche Schlichtungsverfahren in anderen Kantonen bereits gibt, hält Lötscher-Steiger die Idee von Keller für prüfenswert. Er betont, er habe nicht den Eindruck, das IDG werde in Basel falsch angewandt. «Aber die Verwaltung muss vielleicht noch lernen, damit umzugehen.» Mit einer Schlichtungsstelle müsste man «die Leute nicht immer direkt vor Gericht schicken», sagt er. «Das fände ich vor allem wichtig für den Journalismus. Er braucht einen guten Zugang zu den Grundlagen, die zu Entscheidungen in der Verwaltung führen.»