Basler Wahlen: Alles gesagt – ausser ...
Die Couverts sind verschickt. Aber sind die Wahlen schon eingetütet? Nach einem Regierungsrats-Wahlkampf, der nicht die ganz grossen Überraschungen in sich barg, ein kurzer Parteienrundgang zum Stand der Basler Wähler*innen-Dinge.
Die Wahlunterlagen sind angekommen, «rien ne va plus», könnte man meinen. Wir haben die Phase des Wahlkampfs erreicht, in der alles gesagt ist, man manche Slogans schon auswendig mitsprechen kann und ein Grossteil der Stimmbevölkerung weiss, welcher Partei und welchen Kandidat*innen er oder sie die Stimme gibt. Ein paar Wähler*innen entscheiden womöglich spontan am Wahlsonntag und dann gibt es noch einige, die lieber gar nicht wählen gehen, obwohl sie dürften (wie schade).
Was die Parteien wollen, ist klar. SP, Grüne und Basta wollen – das war vorhersehbar – eine links-grüne Mehrheit in der Regierung wiederherstellen. Dieses Ziel ist nachvollziehbar, aber höchstwahrscheinlich nicht erreichbar. Der SP-Regierungsrat-Dreiklang aus WSU-Vorsteher Kaspar Sutter, Erziehungsdirektor Mustafa Atici und Finanzdirektorin Tanja Soland scheint aber immerhin gesetzt.
Und auch die bürgerlichen Regierungsrät*innen Stephanie Eymann (LDP), Lukas Engelberger (Mitte) und der vor kurzem ins Präsidialamt gewählte Conradin Cramer (LDP) bleiben vermutlich da, wo sie gerade sind. Ein zweiter Wahlgang wäre hier höchstens für Gesundheitsdirektor Engelberger denkbar, der seit dem Ende der Corona-Pandemie etwas blasser wirkt und sich quasi zusammen mit dem Impfzertifikat ins Hinterstübchen verzogen hat. Dabei kann der dienstälteste Regierungsrat durchaus Erfolge vorweisen, wie Bajour bilanziert.
Die Person, die Conradin Cramer vom Thron stossen möchte, aka Anina Ineichen, hat es schwer.
Der Dienstjüngste unter den Bürgerlichen, Conradin Cramer, hat den ESC nach Basel geholt. Das war für ihn ein Geschenk. So konnte der ehemalige Vorsteher des Erziehungsdepartements schnell und öffentlichkeitswirksam in die Rolle des Basel-Maskottchens schlüpfen und Eindruck hinterlassen. Cramer ist nicht nur mit dem ESC ein Coup gelungen, ausserdem trifft er vermutlich den Kern seiner Wähler*innenschaft mit Vorhaben wie der Evaluation der Klimafachstelle und einer Überarbeitung der Kulturleitlinie. Die Person, die ihn vom Thron stossen möchte, aka Anina Ineichen, hat es schwer.
Klima, Klima und nochmals Klima
Schade für die Grünen-Politikerin, die trotz fehlender Erfahrung in einem politischen Exekutivamt auf Podien und in Interviews überzeugt hat. Insbesondere durch ihre Idee eines Klimafonds erhielt sie mediale Aufmerksamkeit. Ineichen konnte entsprechend ihrer Parteilinie für ihre Klientel logisch darlegen, warum es besser ein grünes Präsidium geben sollte als ein LDP-geführtes. Klima, Klima und nochmals Klima – überall will sie diesen Aspekt mitdenken und nach Beat Jans eine Klimaloki 2.0 werden. Mit dieser Strategie konnte sie sich ein trennscharfes Profil schaffen (Ineichen = Klima) und klar von Conradin Cramer abgrenzen, der das Klima als ein wichtiges Thema von vielen einordnet.
Trotzdem dürfte der Sprung ins Präsidium für die grüne Alternative eine Nummer zu gross sein. Eine Politikerin, die für ein Flugverbot ist, aber als Person kaum Ecken und Kanten zeigt, spricht nicht die breite Masse an.
Basta und ihr Vertreter dürften vielen Basler*innen zu extrem sein – auch wenn Bolliger beteuert, seinen linken Idealismus im Falle einer Wahl im Zaum zu halten.
Und man muss neidlos zugestehen: Dem einst als blasser Kandidat geschimpften Cramer liegt das Repräsentative. Er strahlt inzwischen ein Selbstbewusstsein aus, wie es Ineichen nicht immer verkörpern konnte. Gerade zu Beginn des Wahlkampfs, als sie erst einmal erklären musste, ob sie wirklich so eine gute Kandidatin ist. Schliesslich wollte sonst einfach niemand aus ihrer Partei kandidieren. Dazu stand bis zuletzt im Raum, dass die Menschen eher auf eine gemeinsame Grünen-/Basta-Kandidatur in Person einer Sibel Arslan gewartet hatten.
Immerhin: Wenn in vier Jahren erneut Wahlen anstehen, dürften sich weit weniger Leute fragen, wer Anina Ineichen ist. Aber: Vielleicht möchte dann die Nationalrätin Arslan einen Angriff auf einen Sitz in der Basler Regierung wagen. Ineichen wäre vermutlich grad aus dem Kandidat*innenrennen.
Apropos Basta: Oliver Bolliger als dezidierter Antikapitalist will – genauso wie Ineichen – den Sprung in die Basler Regierung schaffen. Die Basta will vor allem die Fraktionsstärke halten und profiliert sich als eine Alternative zu Grünen und SP, die sich bei ihren Positionen mehr oder weniger komplett überschneiden. Die Partei und ihr Vertreter dürften aber vielen Basler*innen zu extrem sein – auch wenn Bolliger beteuert, seinen linken Idealismus im Falle einer Wahl im Zaum zu halten.
Wenn sich Eva Biland als Gesundheitsdirektorin bewerben würde – was aber wegen der Büza ausgeschlossen ist – hätte sie bessere Chancen gehabt.
Genauso wie die Linke will auch die bürgerliche Seite eine Mehrheit in der Basler Regierung erreichen. Das gemeinsame Feindbild ist daher die Topfbaum- und Schattenministerin Esther Keller (GLP). Die hat es sich aber in der 3-1-3-Konstellation gemütlich gemacht und hat nicht vor zu gehen. Verluste könnte allerdings ihre Fraktion im Grossen Rat machen. Schaut man sich die Entwicklung in der restlichen Schweiz an, wird die Aufschwungstimmung der GLP wie im 2020 dieses Mal nicht ganz so gross sein.
FDP-Kandidatin Eva Biland sägt mit wirtschaftsliberalen Parolen an Kellers Stuhl. Wie Ineichen hat auch sie sich mit ihren klaren Positionen solide im Wahlkampf präsentiert. Was für Ineichen das Klima ist, ist für Biland der Bürokratieabbau. Ein Verdacht bleibt: Wenn sich die Hausärztin als Gesundheitsdirektorin statt als Bau- und Verkehrsdirektorin bewerben würde – was aber wegen der Büza ausgeschlossen ist – hätte sie sicher bessere Chancen gehabt und auch dem «gestaltenden Verwalter» Lukas Engelberger gefährlich werden können. Als Ärztin kann sie glaubhaft machen, zu verstehen, was im Gesundheitssystem und in der Grundversorgung schiefläuft. Da sie allerdings vor lauter Ellenbogenmentalität innerhalb der FDP nicht für den Grossen Rat kandidiert, sondern nur für die Regierung, könnten ihre Bemühungen, sich zu profilieren, schnell wieder verpuffen.
Suter hat kein klares Profil, der Schafe hütende Anwalt ist keiner der Lautsprecher der SVP, die mit der Ausgrenzung von vermeintlich schwarzen Schafen seit Jahrzehnten auf Tournee ist.
Und was will die SVP? Sie schickt – so wie bereits vor vier Jahren – Stefan Suter als Kandidaten ins Rennen. Wofür steht Suter? Er hat kein klares Profil, der Schafe hütende Anwalt ist keiner der Lautsprecher der Partei, die mit der Ausgrenzung von vermeintlich schwarzen Schafen seit Jahrzehnten auf Tournee ist. Suter ist ein prinzipientreuer Mensch, der sich im Kandidaten-Interview von den Slogans seiner Partei abgrenzt. Ein klares «Sich-dahinter-Stellen» sieht anders aus.
Der taktische Fokus der SVP bei den Gesamterneuerungswahlen liegt denn auch auf dem Sitzgewinn im Grossen Rat: mit dem Thema Sicherheit. Die SVP weiss, sie hat in Basel-Stadt keine Chance auf einen Platz in der Regierung. Suter ist mit seinen Schäfchen ein willkommenes Maskottchen, mehr aber nicht.
Nach den Wahlen ist vor den Abstimmungen
Wenn die Wahlen vorbei sind, geht der Wahlkampf direkt in die nächste Runde: Am 24. November stehen mehrere – vor allem für die Linke – gewichtige Abstimmungen an. Unter anderem zum Rheintunnel, zum Ausländer*innenstimmrecht und zur Musikvielfaltsinitiative. Auch ein etwaiger zweiter Wahlgang würde an diesem Datum stattfinden. Nicht unheikel: Wer in Bezug auf die Abstimmungen gut mobilisiert, könnte einen Vorteil beim Wahlentscheid haben.